Monat: April 2023

20. April

Fürchte dich nicht, du kleine Herde! Denn es hat eurem
Vater wohlgefallen, euch das Reich zu geben. Lukas 12,32

Einer meiner Lieblingsverse aus dem Evangelium … Vielleicht,
weil ich in meiner Familie zu den «Kleinen» zählte?
Meine Mutter kam auf die grandiose Idee, ihre vier Jungs in
Zweierteams zu gruppieren. Vielleicht, weil sie auf das Prinzip
«teile und herrsche» hoffte? Auf jeden Fall musste ich
als Zweitjüngster mit dem Trauma fertigwerden, nicht zu
den Grossen zu gehören. Wir Kleinen durften gewisse Filme
nicht schauen, hatten weniger Sackgeld und waren von
hochattraktiven väterlichen Aktivitäten (Herbstwettkampf
des Unteroffiziersvereins Tösstal!) ausgeschlossen. Natürlich
wiegen diese kleinen Benachteiligungen nichts gegen die
grossen Ungerechtigkeiten, unter denen verfolgte Minderheiten
leiden. Aber es sind die harmlosen Verletzungen und
Minitraumata, die uns für grössere Not sensibel machen.
Hätten wir nie ein Unrecht erlitten, wären wir nicht der
Empathie fähig. Das Evangelium sagt noch etwas anderes,
Radikaleres. Es kehrt den Spiess um. Wer jetzt unten durch
muss, kommt einmal hoch hinaus; wer jetzt den Kürzeren
zieht, wird in Zukunft zu den Siegern gehören. Was immer
dazu führt, mich jetzt zu den Benachteiligten zu zählen, wird
einmal keine Bedeutung mehr haben. Das ist grossartig für
die Kleinen und eine bittere Pille für grosse Tiere. Es würde
allen besser gehen, wenn sie diese schon jetzt schlucken.

Von: Ralph Kunz

19. April

Ich will euch retten, dass ihr ein Segen sein sollt. Sacharja 8,13

Die Losung ist ein Vers aus einem meiner liebsten Texte
im Alten Testament. Ich weiss nicht, wie oft ich ihn schon
zitiert habe. Was mich daran fasziniert? Es sind die absolut
unspektakulären, aber gerade darum so farbigen Bilder, die
der Prophet ausmalt. Er sieht alte Menschen, die in den Städten
und Dörfern auf Plätzen sitzen, Kinder, die ohne Angst
spielen, Weinberge, die wachsen und gedeihen. So sieht es
aus, wenn Gottes Schalom einkehrt. Es ist so schön und es
ist so einfach.
Und die Alternative ist so schrecklich: Wenn die Schwächsten
die Öffentlichkeit fürchten müssen, wenn Ernten vernichtet
werden, wenn es Bomben regnet. Gott verspricht:
«Ich will euch retten.» Und diejenigen, die es hören und
jetzt in Angst und Schrecken leben, wissen, was Gott sich
unter ihrer Rettung vorstellt. Denen aber, die Angst und
Schrecken verbreiten, ist es zum Gericht gesagt. Denn auch
sie wissen insgeheim, was Gott sich wünscht, und freveln
trotzdem. Und wir? Was sollen wir, die das Schreckliche
weder unmittelbar erleiden noch verursachen, mit Gottes
Wunsch anfangen? Ich glaube, wir sollen uns zu den Geretteten
zählen und uns dann ausmalen, wie unsere Dörfer und
Städte aussehen, wenn der Architekt Schalom heisst – und
alles dafür tun, dass auch andere gerettet werden. Wenn wir
zum Schluss kommen, dass es noch viel Platz hat auf unseren
Plätzen, werden wir zum Segen.

Von: Ralph Kunz

18. April

Gott hat uns nicht gegeben den Geist der Furcht,
sondern der Kraft und der Liebe und der Besonnenheit. 2. Timotheus 1,7

Paulus scheint seinen jungen Freund und Mitarbeiter Timotheus
gut zu kennen. In einem Brief macht er ihm Mut in
seiner herausfordernden Situation als Gemeindeleiter und –
wer weiss? – auch sich selbst im Gefängnis. Der «Geist der
Verzagtheit», so die Zürcher Übersetzung, ist auch mir nicht
unbekannt. Mutlos, niedergeschlagen, alles grau in grau.
Kraftlos, mit mir selbst beschäftigt, verwirrt. Wie komme
ich da wieder raus?
Paulus setzt der Verzagtheit einen anderen Geist entgegen:
den Geist der Kraft, der Liebe und der Besonnenheit. Genau,
was die Verzagten brauchen!
Kraft – sie reicht für das, was jetzt gerade nötig ist, lässt
gelingen, was vorher unmöglich schien.
Liebe – sie wärmt das Herz und öffnet die Augen für die
Menschen neben mir, die der Hilfe bedürfen und Hilfe geben.
Besonnenheit – sie durchschaut die irrationalen Ängste
und schafft Raum für «realistisches» Gottvertrauen.
Kraft, Liebe und Besonnenheit sind Gottesgaben, nicht nur
für Timotheus, «uns gegeben», schreibt Paulus.
«Schäme dich nicht, Zeugnis abzulegen für unseren
Herrn», fährt er fort (Vers 8), «auch nicht dafür, dass ich für
ihn im Gefängnis bin, sondern ertrage für das Evangelium
Mühsal und Plage in der Kraft Gottes.»
Und mit Liebe und Besonnenheit.
Das ist genug, um den Tag zu bestehen.

Von: Dorothee Degen-Zimmermann

17. April

Ihr seid nun nicht mehr Gäste und Fremdlinge, sondern
Mitbürger der Heiligen und Gottes Hausgenossen.
Epheser 2,19

F. kam 2016 in unsere Gemeinde. Weil er Christ geworden
ist, musste er fliehen aus seinem Heimatland, dem Iran. Ich
erinnere mich gut an seine Miene, als er zum ersten Mal im
Gottesdienst war. Sie war wie versteinert.
Erst mit der Zeit begann sich seine Starre zu lösen. Wichtig
war ein Gespräch. «Was heisst für dich Willkommenskultur?
», habe ich F. bei einer Veranstaltung gefragt. Er sei dankbar
für das Dach über dem Kopf und alles, was er bekomme,
hat F. gemeint. Aber was er sich eigentlich wünsche: «dass
mich die Menschen in Österreich verstehen. Ich wäre lieber
zu Hause. Aber ich musste weg. Es war zu gefährlich. Ich
vermisse meine Familie, meine Freunde.»
Heute kommt F. mit einem lebendigen Lächeln in die Kirche.
Er ist nicht mehr Fremdling, sondern Hausgenosse.
Gemeinsam mit S., ebenfalls Flüchtling aus dem Iran, engagiert
sich F. in der Gemeinde. S. wurde auch in die Gemeindevertretung
gewählt. «Ich will, dass wir eine starke Gemeinde
sind, damit wir in der Gemeinde allen helfen können, die
Hilfe brauchen. Ich weiss aus eigener Erfahrung, wie das ist,
wenn man Hilfe braucht», sagt S. über seine Motivation,
Gemeindevertreter zu werden. S. und F. sind nicht mehr
Gäste, sondern Mitbürger der Heiligen.

Von: Maria Moser

16. April

Erhebet den HERRN, unsern Gott, betet an vor
dem Schemel seiner Füsse; denn er ist heilig. Psalm 99,5

Was ist Ihnen, was ist dir heilig? Ist es das Auto, das Eigenheim
oder der Lieblingssportverein? Auf das, was uns heilig
ist, lassen wir nichts kommen. Das ist uns das Wichtigste
und gibt uns den Takt vor. Jedoch genau hier setzt unser
Losungswort ein. Nur Gott verdient es, heilig genannt und
anerkannt zu werden. Nur Gott ist unüberbietbar. Er ist das
Mass aller Dinge.
Was mich in unserem Losungswort besonders anspricht:
Es ist «unser Gott». «Unser Gott», das ist der, der Abraham
berufen hat, ein Segen für alle Völker zu sein. Das ist der, der
das Volk Israel geduldig durch die Wüste führte bis hinein in
das Land, das er ihm versprochen hat. «Unser Gott», das ist
der, der uns in Jesus Christus ganz nahe gekommen ist, der
unser Leben geteilt und den Tod erlitten hat. Das ist «unser
Gott». Wer ihn kennt und ehrt, ist gut dran.
Es tut gut, wenn ich zu Gott kommen darf. Es tut gut, wenn
ich zu ihm beten darf. Ich kann mein Herz ausschütten.
Im Gebet kann ich mich mit Gott verbinden. Er ist immer
online.
Gott hat uns Menschen einzigartig gemacht und wir können
einen Abdruck seiner Liebe in der Welt hinterlassen. Gehen
wir im Vertrauen auf seine prägende Kraft in diesen Tag. «Gott
loben, das ist unser Amt», so, wie es der Liederdichter David
Denicke im Jahr 1648 auf den Punkt gebracht hat.

Von: Carsten Marx

15. April

Gott ist weise und mächtig; wer stellte sich ihm
entgegen und blieb unversehrt? Hiob 9,4

«Womit habe ich das verdient?» Angesichts einer schweren
Krankheit oder anderer Schicksalsschläge fragt sich das
heute so mancher. Menschen erreicht plötzlich eine Hiobsbotschaft:
die Diagnose Krebs, die plötzliche Arbeitslosigkeit
oder der Tod eines lieben Menschen.
«Womit habe ich das verdient?» Diese Frage stellt auch
Hiob in der Bibel. Hiob hat gelernt und gelehrt: So, wie ich
handle, so wird Gott mich auch behandeln: belohnen oder
bestrafen. Als ihn dann Schicksalsschläge treffen, erforscht
Hiob sein Leben und zermartert sich das Hirn. Er findet
nichts. Ist Gott doch ungerecht? Hiob ist nahe am Verzweifeln.
Was hat er falsch gemacht? Auch wenn er diese Frage
nicht für sich selbst beantworten kann, er gibt nicht auf.
Hiob erkennt: Ich habe in all dem Leid noch einen, an den
ich mich wenden kann. Ich begreife nicht, wieso. Ich verstehe
Gott und seine Wege oft nicht. Damit bin ich aber nicht
allein. Trotzdem gibt Hiob nicht auf. Hiob hat erkannt: Ich
darf mein Leid, meine Klagen und mein Unverständnis herausschreien.
Ich darf Gott zur Rede stellen. Ich darf fragen:
«Gott, warum?»
Hiob bekommt schliesslich eine Antwort. Gott stellt erneut
seine eigene Weisheit und Macht heraus. Gott ist ein gnädiger
Gott. Er wendet sich den Menschen zu. Oft erkennen
wir das nicht sofort. Vieles braucht seine Zeit.

Von: Carsten Marx

14. April

Siehe, es kommt die Zeit, spricht der HERR, dass
ich dem David einen gerechten Spross erwecken will.
Der soll ein König sein, der wohl regieren und Recht
und Gerechtigkeit im Lande üben wird. Jeremia 23,5

Dieser so weihnachtliche Text soll hier in Rückschau auf
Ostern reflektiert werden. Ich sitze da, mit vier Adventskerzen,
wenige Tage vor Heiligabend, und überlege, wie mich
sowohl der Aspekt des gerechten Sprosses, der erweckt
werden soll, anregt wie auch die Vorstellung von einer von
Recht und Gerechtigkeit geprägten Herrschaft im Lande,
das heisst unserer Welt. Besonders der Aspekt des gerechten
Sprosses, der erweckt wird, verbindet dieses Weihnachten,
als Fest der Inkarnation, mit Ostern, dem Fest der Auferweckung,
auf das wir zurückblicken.
Eine Herrschaft wird hier dargestellt, die «wohl regiert»,
also das Wohl aller zum Thema hat. Gottes Wohl, das in
den Schriften von Thora bis Offenbarung als von Recht und
Gerechtigkeit geprägt beschrieben wird. Sicherlich werden
wir keine Könige, aber vielleicht ja, im Gefolge der Auferstehung,
zu Sprösslingen? Sprösslinge, die Recht und Gerechtigkeit
in ihrem Umfeld bewahren und erwirken? Mit solchem
Engagement könnten wir uns von der «letzten Generation»
zur ersten Generation mausern, die nicht aus Furcht vor dem
Tod ein Leben der Knechtschaft führt! Sondern zu Agenten
einer neuen, dem Wohle aller Menschen dienenden Wirklichkeit
wird. So werden in unserem Tun Weihnachten und
Ostern zusammengebunden. Christos anesti!

Von: Gert Rüpel

13. April

HERR, nach deiner grossen Barmherzigkeit hast du mit
deinem Volk nicht ein Ende gemacht noch es verlassen.
Nehemia 9,31

«Jahwe hat getröstet» bedeutet Nehemias Name, der im
Kontext der Losung dem Volk eine lange Kette an Verfehlungen
vorhält. Er durchläuft Israels Geschichte mit seinem Gott
als eine Geschichte voll von Verneinung und Bejahung der
Gottesbeziehung. Eine von Abfall und Rückkehr. Eine, in der
Gott, trotz Abfall und Übermut Israels, sich nicht abwendet,
sondern immer neu zuwendet. Gott verlässt seine «Liebe»
nicht. Nehemia nennt es Erbarmen. Im Jahresabschlusskonzert
unserer Philharmonie gab es Beethovens 9. Symphonie,
in der es heisst: «Brüder, über’m Sternenzelt muss ein lieber
Vater wohnen.» Ein Bild Schillers, das um den fürsorglichen
«Vater» der Menschheit weiss. Einer Menschheit, die in
Abfall, Egoismen, Konkurrenzkampf ihre Einheit verspielt
und nicht Gottes schöpfungsgewollte Barmherzigkeit lebt,
Ich schreibe diesen Text, wenn sich für viele Menschen
ein Jahr dem Ende zuneigt, das zum Annus horribilis wurde.
Nicht weil der barmherzige Gott verschwand, sondern weil
wir, denen die Umsetzung seiner Liebe anvertraut ist, uns
allzu oft unserer Aufgabe entzogen. Der Text erscheint im
Frühjahr, wenn die Natur darauf verweist, dass immer ein
Neubeginn möglich ist. Nehemias Worte machen deutlich,
dass dieser Neubeginn immer auch von Gottes Barmherzigkeit
begleitet sein kann, die wir Menschen weitergeben
dürfen, ja können. Denn Gott hat sein Volk nicht verlassen!

Von: Gert Rüppell

12. April

Ich bin’s, dessen Hände den Himmel ausgebreitet haben
und der seinem ganzen Heer geboten hat. Jesaja 45,12

«Ich glaube an Gott Vater, den Allmächtigen, den Schöpfer
des Himmels und der Erde.» Das singen oder rezitieren
wir mit einer gewissen Selbstverständlichkeit. Mit einem
modernen wissenschaftlichen Weltbild ist es nur schwer
oder gar nicht zu vereinbaren. Viele Menschen weichen aus
in die Vorstellung einer «höheren Macht, die uns lenkt».
Das ist – wissenschaftlich gesehen – vielleicht schon wieder
zu viel, und doch gemessen an den biblischen Aussagen viel
zu wenig.
Nun gibt es ja durchaus Brüche im wissenschaftlichen
Weltbild, kosmologische Theorien gehen nicht auf. Soll Gott
als Lückenbüsser in diese Brüche hineingedacht werden?
Wohl kaum, aber es gibt ein Minimum: Die konsequent
immanente Welterklärung funktioniert nicht. Unser Reden
von Gott, in einer dreitausendjährigen Tradition, gibt dieser
negativen Erkenntnis eine positive Form. Von diesem
Reden aus interpretieren wir unsere Existenz unter grundsätzlich
positiven Vorzeichen: Der «allmächtige Schöpfer»
ist in dieser Erzähltradition auch der fürsorgliche Vater, die
fürsorgliche Mutter, der Ursprung jeder guten Gabe. Lassen
wir uns daran genug sein.

Von: Andreas Marti

11. April

Der HERR ist deine Zuversicht. Psalm 91,9

Man mag gar nicht aufzuzählen anfangen, was alles der
Zuversicht im Wege steht, im eigenen Umfeld und erst recht
beim Blick in die Welt. All diesen Erfahrungen und Nachrichten
heitere Zuversicht und schlichtes Gottvertrauen entgegenzusetzen,
ist nicht vernünftig. Gott wird die handfesten
Gründe des Unglücks nicht kurzerhand beseitigen, nicht
im Privaten und nicht in der weiten Welt. «Fahr drein und
schaff uns Frieden», so singt Adolf Maurer dennoch in seinem
Lied der Friedenssehnsucht (RG 820).
Dass Gott nicht dreinfährt und Ordnung macht, ist schwer
zu ertragen. Die altlutherische Theologie sagte, Gott erhöre
unsere Gebete nicht nach unserem Willen (ad voluntatem),
sondern zu unserem Heil (ad salutem). Das würde etwa
der manchmal leichthin gesagten Formel entsprechen «Es
wird schon für etwas gut sein». Ich kann diesen Satz einem
anderen Menschen nicht überstülpen; das wäre ein billiger,
uneinfühlsamer Trost. Vielleicht kann ich aber selber zu einer
solchen Erkenntnis gelangen in einem Prozess des Glaubens.
Es wäre ein Weg zur Zuversicht trotz aller Realität, entgegen
dem, was Erfahrung und Vernunft mir zu sagen scheinen. Es
wäre ein Weg, der mir die scheinbar verschlossene Zukunft
wieder öffnet – getröstet durch Christus, wie der Lehrtext
sagt.

Von: Andreas Marti