Monat: April 2023

10. April

Gott sei Dank, der uns den Sieg gibt durch unsern Herrn Jesus Christus! 1. Korinther 15,57

Es geht um den Sieg über den Tod. Zwei Verse zuvor stehen
die berühmten Worte: Verschlungen ist der Tod in den Sieg.
Tod, wo ist dein Sieg? Tod, wo ist dein Stachel?
«Ich möchte jetzt gehen.» «Es reicht mit dem Leben, ich
bin müde.» «Es geht nur noch abwärts.» Solche Worte
hört man ab und zu von Menschen, die «ihr Leben gelebt
haben». Da kommt der Tod als sanfter Erlöser. Vielleicht als
«Ablöser» von dieser Welt. In meiner Umgebung ist dies –
zum Glück – häufig der Fall.
Braucht es da Jesus Christus, der uns eine neue Wirklichkeit,
ein ewiges Leben erschlossen hat?
Ich selbst bin sehr mit dem Leben beschäftigt und habe
kaum Gedanken an ein Leben für mich als «ich» nach dem
Tod oder nach einer endzeitlichen Auferstehung.
Aber ich glaube andererseits, dass der Tod eines mir sehr
nahestehenden Menschen mich grundlegend verändern
und aus der Bahn werfen könnte. Und ich glaube weiter, dass
dann dieser Gedanke ein neues Gewicht für mich bekommen
könnte: dass dieser Jesus Christus, dieser Mann am
Kreuz, dessen Leben und dessen Gedächtnis das Kirchenjahr
und ein Stück weit auch mein Leben prägen, die Todeserfahrung
machen musste, die auch meine Nächsten, ich selbst
und überhaupt alle machen werden. Dass wir damit nicht
allein sind.

Von: Katharina Metzger

9. April

Als Jesus auferstanden war früh am ersten Tag der Woche, erschien er zuerst Maria Magdalena, von der er sieben Dämonen ausgetrieben hatte. Und sie ging hin und verkündete es denen, die mit ihm gewesen waren, die da Leid trugen und weinten. Markus, 16,9–10

Heute ist Ostersonntag! Auferstehung. Jahr für Jahr schauen
wir in dieser Zeit der Natur bei ihrem erneuten Aufblühen
zu, eine wundersame Wandlung, die nie von ihrem Zauber
verliert.
Doch nun kommt ein Blick zurück in die Adventszeit, zu
einem Adventsfenster, das mir in Erinnerung geblieben ist:
Man konnte in eine Kiste reinschauen, in der Stroh war, und
darin stand das Foto einer Skulpturengruppe: Die Figuren,
alles Frauen, betrachten in einer Art Höhle den gekreuzigten
Jesus, der, noch am Kreuz, auf der Erde liegt. Die Frauen
reissen entsetzt den Mund auf, weinen, haben bestürzte
Gesichtsausdrücke. Es ist also nicht – wie wir es überliefert
kennen – das leere Grab, an dem sie sind, sondern ein «volles
» Grab. Der Gekreuzigte ist ganz am unteren Bildrand,
und nun sah es in diesem Adventsfenster so aus, als ob er,
am Ende seines Lebens, im Stroh seiner Krippe liegen würde.
Der Wunsch nach Ungeschehenmachen dieses Todes,
nach Ausbruch aus diesem Käfig, nach dem Öffnen der
Höhle, dem Wegrollen des Steins – wie spürbar wurde er in
diesem Adventsfenster!

Von: Katharina Metzger

8. April

Christus wurde zwar getötet im Fleisch, lebendig gemacht aber im Geist. So ist er auch zu den Geistern im Gefängnis hinabgefahren und hat ihnen die Botschaft verkündigt. 1. Petrus 3,18–19

Die Kraft biblischer Texte entzieht sich uns heute lebenden
Menschen oft. Seit ihrer Entstehung und Niederschrift
hat sich unser Weltbild stark verändert. Unser Denken und
unser Fühlen sind geleitet von vielen neuen Kenntnissen und
Errungenschaften, die den Brückenschlag zum Glauben der
biblischen Menschen von damals erschweren. Zugleich liegt
darin aber auch ein Reiz. Wir müssen uns innerlich bewegen,
um zu diesem Geschehen eine Brücke zu schlagen und uns
davon berühren zu lassen. Aber auch ihr Befremden kann
eine Faszination auslösen, die sich sperrig oder unnahbar in
unseren Gedanken festsetzt.
Das Geschehen an Ostern gehört für mich seit jeher zu
jenen Geschichten in der Bibel, zu denen ich schwer Zugang
finde. Die Tatsache, dass darin die Essenz des christlichen
Glaubens liegt, lässt mich Jahr für Jahr rätseln, ja zweifeln, wie
sehr sich Menschen über Jahrhunderte in den Sog von Jesu
Tod und Auferstehung in den Bann ziehen liessen und heute
noch lassen. «Tot im Fleisch, lebendig aber im Geist» – der
Karsamstag verkörpert diesen Zweifel wie kein Tag sonst im
Jahr. Die Radikalität des Todes an Karfreitag ist unausweichlich;
die Auferstehung noch nicht greifbar. Dieser Schwebezustand
zwischen Körper und Geist, Leiden und Erlösung,
Abschied und Aufbruch, Gefangenschaft und Befreiung ist
wie eine Metapher für unser Leben. Der Zustand an Karsamstag
kann uns lehren, diese Spannung und Ungesichertheit
auszuhalten: Wir wissen nicht, was kommen wird, und
fühlen uns darin doch geborgen.

Von: Esther Hürlimann

7. April

Schmecket und sehet, wie freundlich der HERR ist.
Wohl dem, der auf ihn trauet! Psalm 34,9

Jesus wurde auf grauenvolle Weise umgebracht. Das haben
diejenigen, die ihm folgen, nie verschwiegen und verdrängt.
Wo wir als Christinnen und Christen unseren Glauben bekennen,
reden wir vom «Tod am Kreuz». Am Karfreitag feiern
wir ihn und behaupten, dass sich just an diesem Tod ablesen
lässt, «wie freundlich die Ewige ist». Aussenstehende haben
das schon immer als skandalös und absurd empfunden. Uns
selbst ist es oft weniger ein Trost als ein unlösbares Rätsel.
Wie nur sollen wir verständlich zur Sprache bringen, dass
jener Tod und Gottes Zuwendung zu den Menschen und
zur Welt eng miteinander verknüpft sind?
Der heutige Psalmvers wird oft zitiert, wenn die Gemeinde
beim Abendmahl zur Austeilung eingeladen wird. Handzeichen,
Gesten schaffen Klarheit: Da bricht eine Brot und alle
erhalten einen Bissen. Alle trinken aus demselben Becher
(oder wenigstens vom selben Saft). Sie schauen einander
vielleicht nicht einmal in die Augen. Nicht selten tun sie
eher unbeholfen, was sie tun. Aber sie lassen sich gesagt sein:
Du gehörst dazu. Du bist nicht gebunden an das, was war.
Dir sind Lasten abgenommen. Gott sieht dich an, wendet
sich dir zu. Du bist angenommen, bist im Frieden. Du hast
Zukunft und Hoffnung. Diesen Geschmack haben wir auf
der Zunge, und wir sehen einander an, wie freundlich unser
Gott ist.

Von: Beni Schubert

6. April

Nach dem Ende der Flut sprach Gott: Solange die Erde steht, soll nicht aufhören Saat und Ernte, Frost und Hitze, Sommer und Winter, Tag und Nacht. 1. Mose 8,22

Das war die Verheissung nach der Katastrophe. Vielen Menschen
ist heute ein Lebensgefühl vor der Sintflut viel näher –
in einer Welt, in der das Gleichgewicht von Nahrungsmittelproduktion
und Sattwerden, von milden Sommern und
schneereichen Wintern in unseren Breitengraden völlig
durcheinandergeraten ist. Die Berner Rapperin Alwa Alibi
findet für den Gemütszustand vieler junger Menschen eine
Sprache. «Wir haben echt keine Chance! Diese Ohnmacht.»
Sie singt dagegen an: «Chum mir schlö e Schiibe ii hüt Nacht,
dass me o hie gseht, dass aues i Schärbe liigt.» Sie will eine
Scheibe einschlagen, damit sich auch bei uns niemand mehr
darüber hinwegtäuschen könne, dass alles in Scherben liege.
Mit ihrer Musik will sie ihre Emotionen zurückgewinnen, ihr
Inneres ordnen, wie sie sagt. Sie findet kleine Anknüpfungspunkte
für Hoffnung gegenüber «Diktatoren, Nationalismus
und Wirtschaftsbossen, die die Welt kaputtmachen»:
im Zwischenmenschlichen, in der Liebe, in der viel grösser
werdenden Sensibilität für wild durcheinander wirbelnde
Geschlechterfragen. – Ich frage mich beim Musikhören: Was
macht eigentlich Gottes Regenbogen als Zeichen, dass nie
wieder eine Sintflut kommen soll, mit mir?

Von: Matthias Hui

5. April

Ihr kennt die Gnade unseres Herrn Jesus Christus:
Obwohl er reich ist, wurde er doch arm um euretwillen, auf dass ihr durch seine Armut reich würdet. 2. Korinther 8,9

«O du armer Tropf!» Arm dran zu sein, setzt unsere
Umgangssprache oft nicht mit materieller Not gleich. Auch
die Bibel lesen wir gerne auf diese Art: Armut – zum Beispiel
die der «geistig Armen» – und Reichtum – etwa das
«Leben in Fülle» – verlagern wir schwupps auf die symbolische
Ebene. Dann scheinen solche Sätze uns auch etwas
anzugehen, wenn wir nicht von sozialer Ungleichheit und
Prekarität betroffen sind oder auf der anderen Seite nicht im
Luxus schwelgen. Paulus spricht aber im Brief an die Korinther
nicht in schöngeistigen Bildern. Er redet konkret von
Besitz und Überfluss, von Mangel und Ausgleich. Jesus sieht
bei Lukas seine Aufgabe darin, den Armen das Evangelium zu
bringen, die Gefangenen zu befreien und die Zerschlagenen
aufzurichten. Und die lateinamerikanische Kirche traf vor
Jahren ihre biblische Option für die Armen.
Bin ich jetzt doch der arme Tropf, weil ich nicht arm bin
und in diesen Texten scheinbar gar nicht vorkomme? Oder
könnte ich das Leben – auch mein Leben – mit den Augen
der alleinerziehenden Mutter mit ganz wenig Geld in meinem
Quartier, der geflüchteten Familie im Nothilfezentrum
im Nachbardorf besser verstehen? Oder gar gemeinsam verändern
– «auf dass wir alle reich würden»?

Von: Matthias Hui

4. April

Fürchte dich nicht, liebes Land, sondern sei fröhlich
und getrost; denn der HERR hat Grosses getan. Joel 2,21

Offensichtlich ist es nötig, Joels «Fürchte dich nicht!» und
sein «fürchtet euch nicht!» (Vers 22). Offensichtlich redet er
in eine Situation hinein, die von politischen, wirtschaftlichen
und auch wettermässigen Gefahren bedroht ist. Wenn dann
einer kommt und sagt, man solle fröhlich und getrost sein,
tönt das zunächst naiv und unbedarft. Aber der so redet,
gibt als Quelle dafür niemand anderen als Gott an. Den
Gott, der immer wieder an seinem Volk «Grosses» getan
hat – und jetzt weiter tut! So verändert sich seine Botschaft
und wird zu einer Zusage, einer Verheissung, die abgedeckt
ist durch Gottes Willen, dem Volk Leben und Sicherheit
zu geben (Verse 20–22). «Ihr, Kinder Zions», so heisst es
dann in Vers 23, «jubelt und freut euch am Herrn, eurem
Gott…». Das entspricht dem Aufruf, sich nicht zu fürchten,
was immer auch ist und kommen mag. Anders gesagt: Nicht
die bange Sorge um eine Zukunft, die auch bedrohlich sein
könnte, soll uns beherrschen, sondern die Freude darüber,
was jetzt ist und was Gott uns jetzt bereitet. Es ist ein Aufruf
zum gegenwärtigen Leben, und den dürfen wir in dieser Karwoche
ganz besonders deutlich hören! Durch die Annahme
der Passion hat Gott ein für alle Mal in aller Deutlichkeit
gezeigt, dass er oder sie das Leben der Welt und der Menschen
will. Und dass deshalb die Furcht dem Dank und dem
Jubel Platz machen soll. Und darf!

Von: Hans Strub

3. April

Ich habe den HERRN allezeit vor Augen. Psalm 16,8

Erst auf einen zweiten Blick fällt auf, dass es sich bei diesem
Jubelpsalm um den Dank eines Menschen handelt, der
unter dem schweren Vorwurf stand, vom Glauben abgefallen
zu sein und der gar von einem Todesurteil bedroht war
(Vers 10). Weil er seinen Gott «allezeit» vor Augen hat und
hatte und weil dieser Gott ihn nicht im Stich liess («mir zur
Rechten steht», Vers 8b), steht er heute wieder aufrecht
da. Und kann er seinen Gott loben und ihm dankbar sein.
Er muss erfahren haben, dass sein Leben und sein Schicksal
(sein «Los», Vers 5) nicht mehr in seiner Hand lagen, dass
er also dem Urteil anderer ausgeliefert war. Aber da habe er,
so bekennt er, gespürt, wie dieses «Los» in Gottes Händen
lag. Wie er darauf vertrauen musste und durfte, dass Gott
ihn nicht aus seinen Händen fallen lässt. Auch wenn es zum
Glück nicht immer gleich um Weiterleben oder Sterben
geht, ist mir die Erfahrung sehr bekannt, dass plötzlich eine
Situation eintreten kann, in der ich nicht mehr selbst über
meine Zukunft entscheiden kann. In der ich auf die Hilfe von
Gott und seinen Schutz existentiell angewiesen bin. Als sie
dann kam, habe ich im Gebet «Danke» gesagt. Aber laut
und gar in einer gewissen Öffentlichkeit, wie es der Psalmsänger
hier tut, machte ich dies kaum je. Für ein nächstes Mal
nehme ich mir die Abwandlung eines bekannten Bonmots
vor: «Erfahre Gutes und rede davon!» Gott laut danken
und seine/ihre Güte preisen (Vers 7) – das sollten wir tun …

Von: Hans Strub

2. April

Ich will ihr Trauern in Freude verwandeln. Jeremia 31,13

Zu dieser Verwandlung ein Psalmgedicht. Psalm 30.
damals
du weisst
in jenen tagen
als ich
mir selbst
entzogen war
die füsse
vor dem nichts
wie war ich da
wohl hingekommen
ich weiss es nicht
damals also
vor dem nichts
und ganz tief unten
da hast du
mich herausgezogen
wie weiss ich nicht
am abend
war weinen
jubel
am morgen
Für Käthi Koenig. In inniger Verbundenheit.
Aus: Ich liege wach und bin wie ein Vogel (TVZ 2020).

Von: Ruth Näf Bernhard

1. April

Sind wir untreu, so bleibt er treu; denn er kann sich
selbst nicht verleugnen. 2. Timotheus 2,13

Wie schön, wenn wir einander trauen können. Uns ganz
aufeinander verlassen. In guten wie in schlechten Zeiten.


Ob es wohl einen Schmerz gibt, der schmerzvoller ist als
jener, verraten worden zu sein? Diese tiefe Verzweiflung,
wenn man erfährt, dass der Mensch, dem man so sehr vertraut,
untreu geworden ist. Wie weh das tut. Diese Wortbrüchigkeit.


Ob es wohl einen Schmerz gibt, der schmerzvoller ist als
jener, untreu geworden zu sein? Diese tiefe Verzweiflung,
sich selbst nicht mehr zu kennen. Und einen Menschen so
sehr zu enttäuschen, der einem vertraut. Wie weh das tut.
Diese Wortbrüchigkeit.


Wir können den eigenen Worten nicht trauen. Das lehrt
uns die Erfahrung. Und wollen einander dennoch trauen
können. Uns aufeinander verlassen. In guten wie in schlechten
Zeiten.


Aber auch das lehrt uns die Erfahrung. Dass einer hält, was er
verspricht. In guten wie in schlechten Zeiten. Und dass seine
Treue überdauert. Das ist unser grösster Trost. Wenn wir am
Verzweifeln sind. Und andere zum Verzweifeln bringen.

Von: Ruth Näf Bernhard