25. April

Jesus hob die Hände auf und segnete sie. Lukas 24,50

Mitten in der Fussgängerzone hat die Kirchgemeinde ein Ladenlokal gemietet. Es gibt dort nichts zu kaufen, aber als ich vorbeikomme, ist der Laden ziemlich voll. Ich frage mich: was suchen – oder finden – die Menschen dort? Das Team der Citykirche verkauft nichts; es lädt ein, sich allein oder mit anderen segnen zu lassen.

Was bewegt Menschen, sich zwischen einkaufen, Kaffee trinken und Besorgungen machen – sozusagen im Vorübergehen – einen Segen abzuholen?

Zwei Gedanken fallen mir dazu ein:

Segnen, griechisch «eulogein», heisst wörtlich übersetzt: «gut reden», im Sinne von «Gutes reden», «Gutes über jemandem aussprechen» beziehungsweise «ihm und ihr zusprechen».  

Und im (apokryphen) Thomasevangelium sagt Jesus zu den Seinen: «Werdet Vorübergehende.» Er meint: Hängt euch nicht an das, was ihr erreicht habt. Seid und bleibt «im Werden», frei für das Neue, das auf euch zukommt, und dankbar für den Augenblick, in dem die Fülle des Lebens schon da ist.

Indem er sie segnet, verabschiedet sich Jesus im Lukas-evangelium von den Seinen. Aber sein Segen begleitet sie und uns seither als Trost und Stärkung, als Kraft und Hoffnung schenkendes «gutes Wort». Es ist wirksam unter uns, richtet auf, hält die Sehnsucht wach nach einem erfüllten Leben für alle – auch bei den Menschen in der Fussgängerzone.

Von: Annegret Brauch

24. April

Der Engel sprach zu den Frauen: Fürchtet euch nicht! Ich weiss, dass ihr Jesus, den Gekreuzigten, sucht. Er ist nicht hier; er ist auferstanden. Matthäus 28,56

Diesmal halte ich mich an das Datum: Es ist schon über zwei Wochen nach Ostern, aber es geht um das Osterwunder, die den Frauen an der Grabhöhle damals und uns heute unbegreifliche Auferstehung Jesu vom Tod. Den Frauen, allen voran Maria Magdalena, erschien Jesus als Auferstandener, aber er war gleichzeitig schon entrückt – sie konnte ihn, den so sehr geliebten, nicht mehr berühren (Johannes 20,11–18). Aber sie sah ihn. Das ist uns durch die zwei Jahrtausende seither nicht mehr vergönnt, mit den wenigen Ausnahmen der Heiligen, denen er noch einmal in einer Vision erschienen ist. Aber dennoch leben unser Glaube und unsere Hoffnung von diesem Ereignis, auch wenn es uns geht wie den Frauen am Grab. Wo wir Jesus bewusst suchen, hören wir oft einen unsichtbaren Engel sagen: Er ist nicht hier. Wo ist er? Wo können wir ihn finden?

Ist er bei den vielen Menschen, denen Leid geschieht, wie er in seinem Leben bei den Menschen war, die litten, an Krankheit, an Gewalt oder Verachtung oder einfach an Armut? Ich glaube ja, und er ist bei all denen, die zu diesen Menschen gehen und ihnen unter manchmal grossen Gefahren helfen, z.B. im Gazastreifen. Manchmal spüren auch wir, die wir auf der Sonnenseite des Lebens stehen, seine Nähe, unerwartet, unverdient und beglückend, eine wunderbare Gnade Gottes.

Von: Elisabeth Raiser

23. April

Jesus: Mit dem Reich Gottes ist es so, wie wenn ein Mensch Samen aufs Land wirft und schläft und steht auf, Nacht und Tag; und der Same geht auf und wächst – er weiss nicht wie. Denn von selbst bringt die Erde Frucht. Markus 4,2628

Vor gut zwei Wochen war Ostern – und doch möchte ich noch einmal zurückgehen an den Anfang des Jahres, an dem ich diesen Text schreibe. Noch beflügelt mich Zuversicht, dass dies ein gutes Jahr wird. Dazu tragen wesentlich ein kleiner Junge von zwei Jahren und sein noch viel kleinerer, erst zwei Monate alter Bruder bei, beide Urenkel von uns. Nun ist es für uns schon die dritte glückliche Periode, in der wir eins nach dem andern ein neu geborenes Kind mit allen seinen winzig kleinen perfekten Gliedmassen, dem Gesichtchen, der Stimme usw. bestaunen, und auch wenn die Genetik uns ziemlich genau erklären kann, wie das zustande kommt, bleibt es ein unfassbares Wunder – es geht auf und wächst, und im Grunde wissen wir nicht wie. So ist mir das Gleichnis des Reiches Gottes, das ist wie ein Samen, der aufgeht und der Sämann weiss nicht wie, ganz nah. Das Reich Gottes wird uns geschenkt und hängt nicht von uns ab, sondern erfüllt uns, da wo es sich zeigt, mit Glück und Dankbarkeit. Wir können sicher dazu beitragen, dass es da, wo es sich zeigt – in den Kindern, in der Natur, im friedfertigen Zusammenleben der Menschen, in der Musik – behütet wird und gedeihen kann. Dann springt der Funke auf uns über! Wunderbar!

Von: Elisabeth Raiser

22. April

Gelobt sei Gott, der seinen Engel gesandt und seine Knechte errettet hat, die ihm vertraut haben. Daniel 3,28

Drei Männer weigern sich, einem Standbild des Königs Nebukadnezar zu huldigen. Ihr Gott ist der alleinige Gott, dem sie vertrauen. Sie sollen in einem Feuerofen umkommen. Doch das Feuer tut ihnen nichts, und der Tyrann schützt darauf ihren Glauben. So weit die dramatische Geschichte. Sich hinzustellen und der Macht eines Menschen oder auch einer Gruppe von Menschen zu widerstehen, braucht Kraft und Mut. Und es braucht den festen Glauben an die Kraft Gottes, der Lebendigen. Es ist der König selbst, der Gott lobt. Hat er etwas gelernt? Oder ist es reiner Opportunismus? Ich bin mir da nicht so sicher. Gerade weil es nicht so transparent ist, was der König meint, lerne ich, unabhängig von Machthaber:innen Gott zu loben für seine Hilfe, für seine Engel. Und ich bin dankbar für alle Menschen, die sich hinstellen und sich eindeutig zum Gott des Lebens bekennen.

Aber wo sind sie? Für mich sind sie in der weltweiten Kirche, sie sind überall da, wo Kirchen am Frieden arbeiten und ihre Stimme einbringen, etwa im Südsudan. Sie sind da, wo Menschen lernen, anders zu denken und damit Partei für die Schwachen zu ergreifen.

Danke, Gott, für die Menschen, die sich zu deiner Kraft bekennen.

Von: Madeleine Strub-Jaccoud

21. April

Wer als Verleumder umhergeht, gibt Vertrauliches preis, wer aber verlässlich ist, behält Geheimnisse für sich. Sprüche 11,13

Als Kind hatte ich so gerne ein Geheimnis in meinem Kopf. So gerne, dass ich verkündete: «Ich habe ein Geheimnis», und alle, die das sahen und hörten, hatten nur ein Ziel: dass ich das Geheimnis preisgebe. Es waren ja kleine Geheimnisse. Heute habe ich es nicht mehr so mit den Geheimnissen. Sie sind ein Machtinstrument, das Transparenz und gemeinsames Handeln verunmöglicht. Und doch gibt es Situationen, in denen ich auf einen Text schreibe «vertraulich», selten zwar, aber dann, wenn ein zu lösendes Problem vorbesprochen werden muss. Dann bin ich dankbar, wenn das sogenannte Geheimnis nicht die Runde macht. Es gibt auch in meinem Leben Dinge, die ich für mich behalte, sie nicht teile. Das ist meine Privatsache. Und es gibt Problemlösungen, die ich noch eine Zeit lang nicht besprechen kann oder will, weil sie reifen müssen. Intransparenz aber wird zum Machtmissbrauch, wenn sie gewollt ist, wenn es darum geht, Mitarbeitende oder Partner auszuschliessen, um sie dann vor vollendete Tatsachen zu stellen. Geheimnisse für mich behalten kann hilfreich sein. Ich denke, es ist wichtig, diese von Intransparenz zu unterscheiden. Es ist gut, dass uns das Buch der Sprüche darauf aufmerksam macht. Denn gerade die Geschichte der Geheimnisse ist eine, die auch in der Politik und im alltäglichen Tun eine Rolle spielt.

Von: Madeleine Strub-Jaccoud

20. April

Jesus sprach zu dem Übeltäter: Wahrlich, ich sage dir: Heute wirst du mit mir im Paradies sein. Lukas 23,43

Auf den ersten Blick ist dieser Satz theologisch und pädagogisch bedenklich. Welche Folgen hat es für die religiöse Erziehung, wenn ein Übeltäter (!) quasi in der letzten Sekunde seines Lebens eine Einladung in den Himmel bekommt? Man könnte ja auf die Idee kommen, die Grosszügigkeit unseres Heilands auszunutzen. Aber so funktioniert die Geschichte nicht. Dem Versprechen Jesu gehen ein Schuldbekenntnis und eine Bitte voraus. Der Übeltäter weiss, wer er ist. Er redet zu dem, der mit ihm und mit Jesus am Kreuz hängt. «Wir empfangen […], was unsre Taten verdienen; dieser aber hat nichts Unrechtes getan. Und er sprach: Jesus, denk an mich, wenn du in dein Reich kommst!» (Verse 41 f.) Auf ein zweites Hinsehen ist die Antwort Jesu hochkonzentriertes Evangelium. Ein Schelm, wer Böses dabei denkt, und selig, wer es glaubt. Wer meint, es sei möglich, aus der Gnade Gottes eine Art Freipass abzuleiten, hat die Geschichte nicht verstanden. Mehr noch: So wird aus der Konversion eine Perversion, aus Geschenk ein Handel und aus Glauben Berechnung. Wir bleiben Bittende – auch wenn wir uns auf Gottes grenzenlose Güte verlassen. Und wenn nicht? Mündet das Ganze doch wieder in eine Drohung?
Das wäre theologisch und pädagogisch bedenklich.

Von: Ralph Kunz

19. April

Noah tat alles, was ihm Gott gebot. 1. Mose 6,22

Die Sintflutgeschichte ist eines der grossen Dramen der Weltliteratur. Wir kennen die biblische Variante – die Vorlage ist älter. Die Erzählung der Flutkatastrophe ist Teil des sumerischen Atrahasis-Epos (ca. 1800 v. Chr.). Interessant ist die Figur des Noah. Im Unterschied zu den mythischen Helden der Vorzeit ist er weder königlich noch göttlich, sondern ganz und gar Mensch. Was ihn auszeichnet? Er ist fromm, sozusagen der Prototyp des Gottesfürchtigen – der erste Mensch, der tat, was ihm Gott gebot. Das wäre eigentlich eine gute Nachricht! Schliesslich haben er und seine Familie als Einzige das Desaster überlebt. Von ihm stammen wir ab. Er ist so gesehen ein guter Spross für einen zweiten Start des Menschengeschlechts nach der Sintflut. Aber dann ging es doch schief. Nachdem die Arche gelandet war, wurde Noah Ackerbauer und pflanzte einen Weinberg. Er trank von dem Wein, wurde davon betrunken und lag entblösst in seinem Zelt. Ham, sein zweiter Sohn, sah ihn und machte seinen Vater zum Gespött. Als Noah, nachdem er seinen Rausch ausgeschlafen hatte, davon erfuhr, verfluchte er seinen Sprössling. Er soll von nun an Sem, dem Erstgeborenen, gehorchen. Noah hat den Antihamitismus erfunden und Zwietracht gesät. Die Saat ist aufgegangen.
Ich glaube, die Menschheit ist immer noch vorsintflutlich unterwegs. Ach!

Von: Ralph Kunz

18. April

Das Wort ward Fleisch und wohnte unter uns, und wir sahen seine Herrlichkeit. Johannes 1,14

Der Prolog des Johannesevangeliums ist an Dichte nicht zu überbieten. Wort, Fleisch, wohnen, Herrlichkeit: Vier Wörter, mach daraus eine Geschichte!

Das Wort ist Wille, ist Schöpferkraft, ist Gott selbst. Er sprach, und es geschah. «Das Wort ward Fleisch»: Kann man sich einen grösseren Gegensatz vorstellen? Fleisch ist die vergängliche Materie, aus der wir Menschen geschaffen sind. Und dieses fleischgewordene Wort «wohnte unter uns». Wohnen heisst bleiben, sich niederlassen, ganz irdisch. Die Herrlichkeit war kein Blitz vom Himmel, keine überirdische Macht- und Pracht-Show.

Etwas später im gleichen Kapitel laufen zwei Johannes-Jünger Jesus nach. «Rabbi, wo ist deine Bleibe?», fragen sie. «Kommt und seht!», seine Antwort, und sie bleiben einen Tag bei ihm. Da wäre ich gern dabei gewesen! Was haben sie erlebt mit dem Rabbi? Worüber haben sie gesprochen? Sie müssen schon eine Ahnung von Herrlichkeit gehabt haben, denn sie wurden seine Jünger. «Wir haben den Messias gefunden!», erzählt der eine, Andreas, seinem Bruder Simon Petrus (Johannes 1,38-40).

«Siehe, die Wohnung Gottes bei den Menschen! Er wird bei ihnen wohnen, und sie werden seine Völker sein, und Gott selbst wird mit ihnen sein, ihr Gott.» (Offenbarung 21,3)

So wird auf den letzten Seiten der Bibel die Erfüllung der Geschichte beschrieben.

Von: Dorothee Degen-Zimmermann

17. April

Lobe den Herrn, meine Seele, und was in mir ist, seinen heiligen Namen! Psalm 103,1

Was ist eigentlich das Gegenteil von loben? Der Sinn einer Aufforderung erschliesst sich ja mitunter aus dem, was ich nicht tun soll, wenn ich das tue, was ich tun soll: Ich soll nicht dies oder jenes tun, sondern Gott loben.

Erste Möglichkeit: nicht jammern. Gott loben hiesse dann, auf das Gute und Positive zu schauen, statt schwarzzusehen. Diese Aufforderung ist sicher oft hilfreich. Aber nicht immer. Manchmal ist das Leben schwer, bin ich traurig oder verzweifelt. Dann darf ich klagen. Gerade die Psalmen nehmen Leid und Bedrängnis sehr ernst und schenken mir Worte, meine Klage vor Gott zu bringen.

Zweite Möglichkeit: nicht kritisieren. Auch das ist nicht bib-lisch. Ich denke etwa an jene Stelle im 4. Buch Mose, wo erzählt wird, wie Gottes Volk in der Wüste murrt und Mose genug hat und mit Gott zu rechten beginnt: «Hab ich denn all das Volk geboren, dass du zu mir sagen könntest: Trag es in deinen Armen, in das Land, das du ihren Vätern zugeschwo-ren hast?» Loben statt kritisieren hiesse, alles als gegeben zu akzeptieren und hinzunehmen.

Dritte Möglichkeit: nichts sagen. Gemäss der Haltung: nichts gesagt ist genug gelobt. Eine Haltung, die alles selbstver-ständlich nimmt. Gott loben hiesse so gesehen, eben nicht alles selbstverständlich zu nehmen, sondern zu verstehen, dass wir nicht aus uns selbst heraus sind und alles, was wir sind und haben, verdankt ist.

Von: Maria Moser

16. April

Der HERR, mein Gott, macht meine Finsternis licht. Psalm 18,29

Den Gang in den Kohlekeller bei meinem Grossvater habe ich noch immer in schlechter Erinnerung. Die ersten fünf Stufen ging es ohne Licht sehr steile Treppenstufen hinunter. Erst dann konnte meine Kinderhand zum Lichtschalter greifen. Endlich leuchtete eine 20-Watt-Glühbirne aus einer Tellerlampe der Kellerdecke. Finster war es trotzdem immer irgendwie. Aber für ein Kohlelager musste das reichen.

Finsternis und Licht stehen hier in unserer heutigen Losung für den inneren Zustand eines Menschen; für seine seelische Verfassung.

David hat schwere Zeiten erlebt. Im Psalm zählt er einige Dinge auf. Er war dem Tode nahe. Er wurde von inneren und äusseren Feinden bedroht. Er hatte Angst. Das ist die Finsternis, von der David spricht. Diese Angst verdunkelte sein Leben. Sorgen und Nöten legten sich wie ein Schatten auf seine Seele. Da rief David zu Gott und der reagierte darauf. Gott liess David in seiner Situation nicht allein. Er half ihm heraus. Und so kam Licht in das Dunkel von Davids Leben.

Ich wünsche uns heute ganz besonders: Möge uns immer das rechte Licht scheinen – auch ein helles Licht im dunklen Kohlekeller.

Von: Carsten Marx