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14. April

Gott rüstet mich mit Kraft. Psalm 18,33

Kraft wofür? Es gibt ja letztlich vieles, wo sich Kraft ausdrückt und Menschen dies auf die Wirkmacht Gottes in ihnen zurückführen. Auch die Bibel ist voll von Passagen, in denen menschliche Kraft, militärische, besiegende, unterwerfende, als Ergebnis göttlicher Wirkmacht gesehen wird. Es ist nicht lange her, dass auf Gürtelschnallen «Gott mit uns» stand und als Ausdruck solcher Unterstützung verstanden wurde. Auch bei David ist dies der Fall, wie es noch deutlicher an der Parallelstelle dieses Psalms in 2. Samuel 22 wird. Es geht um Gottes Unterstützung in militärischen Auseinandersetzungen. Das mag nachdenklich stimmen, und so ist es gut, dass diesem kurzen Versteil der Losung, ein B-Teil mit den Worten «und macht meine Wege ohne Tadel» folgt. Dies rückt dann den A-Teil der Losung in ein neues Licht. Die Kraft Gottes führt auch mit Paulus dazu, den «guten Kampf» zu kämpfen (2. Timotheus 4,7). Gott rüstet mich mit Kraft für Friedensfähigkeit, eine Existenz der heilenden Präsenz in der Mitte von Konflikt und Streit. Gott befähigt mich zu Wegen ohne Tadel, die geprägt sind von Barmherzigkeit, Gerechtigkeit und Erhaltung der von Gott gewollten Schöpfung. Solche Wege können das Ergebnis einer Zurüstung im Sinne der göttlichen Kraft sein, die in der Losung zum Ausdruck kommt. Einer Kraft für ein oftmals so schwieriges Leben ohne Tadel. Dank sei dieser zurüstenden Kraft.

Von: Gert Rüppell

13. April

Der lebendige Gott ist ein Retter und Nothelfer. Daniel 6,28

Eine schwierige Situation, in der sich der König befindet. Da ist ein begabter junger Mann, von dem er selbst viel hält, und da sind diejenigen, die sich dadurch ausgebootet sehen. Ein Spiel in den Herrschafts- und Politiksystemen von alters her. Wer sich übergangen fühlt, versucht dem Gegner mit allen Mitteln zu schaden. Heute sind hierzu «Fake News» ein beliebtes Mittel. Daniels Konkurrenten gelingt es über den Weg einer gesetzlichen Vorschrift, die sie dem König abverlangen, Daniels religiöses Verhalten zu stigmatisieren und zu kriminalisieren. Durch ein «Gesetz nach Meder und Perser Sitte», der Begriff erhielt sich bis heute als Aussage für Unumstösslichkeit. Scheinbare Unumstösslichkeit menschlicher Gesetze ist so letztlich Thema der Losung. Dem Glauben an die Gesetze des lebendigen Gottes steht die Löwengrube menschlicher Gesetzlichkeit mit Todesstrafe gegenüber. Doch Daniel hält sich nicht an das Gesetz. Er glaubt der Wirkkraft seines Gottes mehr als politischen Ränken. Gottes Lebendigkeit steht den Kräften des Todes, ausgedrückt durch die Löwengrube, gegenüber. Der Retter Gott bewahrt Daniel, bekehrt den Herrscher, dem ein begnadeter Vizekönig erhalten bleibt. Glaube an den lebendigen Gott ist rettend und lebensbewahrend. Nicht nur für das eigene, sondern auch für das Leben anderer. Darum geht es mit der Bezeichnung Nothelfer, zu denen auch wir Gläubige werden können.

Von: Gert Rüppell

12. April

Ich will meinen Bund mit dir aufrichten, sodass du erfahren sollst, dass ich der HERR bin. Hesekiel 16,62

Die Vorstellung des Bundes hat in reformierter Tradition eine besondere theologische Bedeutung erhalten. In der «Bundestheologie», im 17. Jahrhundert in den Niederlanden formuliert, ging es darum, die Bibel nicht nur in einzelnen Abschnitten zu lesen, sondern in ihrem inneren Zusammenhang. Diesen sah man in einer Reihe von Bundesschlüssen Gottes mit den Menschen, von Adam über Noah, Abraham und David bis zum neuen Bund in Christus.

Freilich ist der Begriff des Bundes nicht im Einklang mit dem, was wir sonst mit ihm verbinden, nämlich als einer Übereinkunft zwischen gleichberechtigten Partnern auf Augenhöhe. Der Bund Gottes ist so asymmetrisch wie nur möglich; er überbrückt den eigentlich unüberbrückbaren Graben zwischen Schöpfer und Geschöpf. Mehr noch: Ein Bund verlangt Bundestreue. Diese zu leisten, sind wir nicht oder nur zu bescheidenen Teilen fähig. Umso mehr übt Gott die Treue zu seinem Bund, ein Grundmotiv, vielleicht das Grundmotiv im Alten Testament. Der «Bund» ist die Botschaft von der letztgültigen Verlässlichkeit Gottes. Er steht über der Asymmetrie, und gerade darin erweist Gott sich als der Herr. Im «Neuen Bund» bestätigt er seine Bundestreue. Die vorherigen Bundesschlüsse sind damit nicht ausser Kraft gesetzt, sind auch nicht bloss Verheissungen oder Vorläufer des endgültigen. Der Bund gilt, und er gilt der ganzen Welt.

Von: Andreas Marti

11. April

Ich, ich bin euer Tröster! Wer bist du denn, dass du dich vor Menschen fürchtest, die doch sterben? Jesaja 51,12

Trösten – ein schillerndes Wort. Da liegt das Vertrösten in der Nähe, das Beschwichtigen, alles nicht so schlimm. Etwas Besonderes ist das Trösten in der Trauer, wenn das Vertrauen verloren ist, das Vertrauen in sich selbst, in das Leben, in die Welt, wenn die Angst allgegenwärtig wird. Da ist ein Tröster gefragt, der Vertrauen zurückgibt, der Vertrauen möglich macht.

Zutiefst erschüttert wird das Vertrauen ins Leben durch die Vergänglichkeit, die uns unausweichlich begleitet. Zugleich aber relativiert das Prophetenwort die Angst gerade durch diese Vergänglichkeit: Auch das, was uns Angst macht, die Menschen, die uns Angst machen, sind vergänglich.

Dagegen steht das Gotteswort «ich bin euer Tröster», das Wort dessen, der nicht vergänglich ist, der in jüdischer, auch manchmal in christlicher Gebetstradition als «der Ewige» angerufen wird. Das ist mehr als nur eine Ausweichlösung, um den für jüdisches Sprechen unaussprechlichen Gottesnamen zu vermeiden. Weil Gott der Ewige ist, weil er über aller Vergänglichkeit steht, liegt bei ihm der Grund für ein neues Vertrauen, für eine Überwindung der Lebensangst.

«Ich bin euer Tröster» – die wenigen Noten aus Mendelssohns «Elias» können ein kleiner Ohrwurm sein, ein innerer Begleiter für schwierige Zeiten.

Von: Andreas Marti

10. April

Es geschah eine Stimme aus der Wolke, die sprach: Dieser ist mein auserwählter Sohn; den sollt ihr hören! Und als die Stimme geschah, fanden sie Jesus allein. Lukas, 9,3536

Jesus steigt mit Petrus, Johannes und Jakobus auf den Berg, um zu beten. Während des Betens verwandelt sich das Aussehen seines Gesichts und sein Gewand wird strahlend weiss. Zwei Gestalten, Mose und Elija, erscheinen und sprechen mit ihm über sein nahendes Ende in Jerusalem.

Die Jünger sind davon überwältigt, fallen in Schlaf. Sie erwachen, sehen alles, doch im Schatten einer aufziehenden Wolke werden sie richtig wachgedonnert von dieser Stimme, werden zum zweiten Mal Teil eines tiefgreifenden Geschehens. Sie müssen mit Jesus weiter, seinem Ende in Jerusalem entgegen, «erbebt» durch die Erfahrungen auf dem Berg. – Werden sie durch dieses Erlebnis überzeugter, heldenhafter? Werden sie Jesus in seinen schweren Stunden bedingungslos zur Seite stehen? Wir wissen es aus den Erzählungen über Petrus: nein. Sie bleiben menschlich, also auch feig und ängstlich. Petrus wird dies bedauern und sich grämen darüber, auch dies ein menschlicher Zug. –

Die kraftvolle Beschreibung einer Gotteserfahrung, die Sehnsucht, darin bleiben zu wollen, aber auch das Weitergehenmüssen durch Schweres, in dem man manchmal versagt – und trotzdem das Nachwirken der wunderbaren Erfahrung: All das lese ich in dieser Geschichte. 

Von: Katharina Metzger

9. April

Der Sünde Sold ist der Tod; die Gabe Gottes aber ist das ewige Leben in Christus Jesus, unserm Herrn. Römer, 6,23

Sünde, Sold und Tod: alles kurz nacheinander im ersten Teilsatz! Was soll ich bloss dazu schreiben?

Da kommt mir das Lied «Astronaut» von Sido und Andreas Bourani in den Sinn, ein grosser Hit vor einigen Jahren. Und beim erneuten Anhören finde ich, dass die «Sünde» darin treffend und zeitgemäss beschrieben ist. Ein Auszug:

«Wir hab’n morgen schon vergessen, wer wir gestern noch war’n. Hab’n uns alle vollgefressen und vergessen zu zahl’n.

Lassen alles steh’n und liegen für mehr Asche und Staub.

Wir woll’n alle, dass es passt, doch wir passen nicht auf.»

Es folgt ein ruhiger, melodiöser Zwischenteil. Der Astronaut schaut auf die Erde und singt:

«Und beim Anblick dieser Schönheit fällt mir alles wieder ein:

Sind wir nicht eigentlich am Leben, um zu lieben und zu sein?

Hier würd ich gern für immer bleiben, doch ich bin ein Wimperschlag, der nach fünf Milliarden Jahren nicht viel mehr zu sein vermag.»

Dem Erkennen der lebensfeindlichen «Sünden» steht das Erkennen dessen, wie das Leben gemeint ist, gegenüber. Und sowohl im Bibeltext wie im Popsong ist eine Hoffnung oder eine Sehnsucht auf ein ewiges Leben, ein ewiges Bleiben dort, wo es schön ist, spürbar.

Von: Katharina Metzger

8. April

Christus hat euch ein Vorbild hinterlassen, dass ihr sollt nachfolgen seinen Fussstapfen. 1. Petrus 2,21

Werde ich nach meinen Vorbildern gefragt, so trifft diese Frage voll ins Schwarze. Denn mein Leben ist voller Menschen, die mich inspirieren, motivieren und in mir etwas wecken, das ich ebenfalls erreichen und zum Blühen bringen möchte. Oder bei denen ich einen Umgang mit dem Leben beobachte, den ich als klug und nachahmenswert empfinde. Mehrheitlich handelt es sich um Menschen aus meinem persönlichen Umfeld: meine Grossmutter, die sich in einer beruflichen Männerdomäne einen Namen schuf. Meine Eltern, die sich so manchen gesellschaftlichen Konventionen entzogen und doch sozial engagiert sind. Dann natürlich Lehrerinnen und Lehrer, die mich mit ihrer Faszination für ihr Fachgebiet begeisterten und förderten.

Sicher gibt es auch Menschen des öffentlichen Lebens, die mich in ihren Bann ziehen. Interessanterweise habe ich mich noch nie gefragt: worin mir Christus ein Vorbild sein könnte. Vielleicht ist er einfach zu gross, zu weit entfernt oder zu abstrakt? Oder weil ich mir ein Leben mit Jesus als Vorbild zu demütig, ja unterwürfig und etwas freudlos vorstelle? Vielleicht aber auch, weil ich mir bisher meine Vorbilder zu sehr im äusseren Leben gesucht und mich nie gefragt habe, wo sich in meinem Inneren verborgene Spuren befinden, die zu einem ganz eigenen Vorbild führen könnten? Wieso also heute nicht einmal nach Fussstapfen suchen, die hin zu meiner eigenen Essenz führen, worin ich für mich selbst Inspiration und damit vielleicht auch für andere Vorbild sein könnte?

Von: Esther Hürlimann

7. April

Die Israeliten sprachen zum HERRN: Wir haben gesündigt, mache du es mit uns, wie dir’s gefällt; nur errette uns heute! Richter 10,15

Nein, wir sind nicht bloss schwach geworden bei einer
süssen Verführung. Nein, wir haben nicht bloss aus Faulheit
oder Gedankenlosigkeit etwas gesagt oder getan, was unanständig ist. Nein, wir haben nicht mutwillig oder trotzig
das missachtet, was man den «moralischen Kompass»
nennt oder auch den «gesunden Menschenverstand».
Viel schlimmer und zugleich viel heikler, weil es so schnell
passiert: Wir sind aus der Liebe ausgestiegen. Wir haben
ihrem Zug nicht mehr nachgegeben, ihren Schub nicht mehr
genutzt. Obwohl wir tief in uns wussten, dass das hier und
jetzt nicht möglich ist, haben wir gemeint, wir könnten einen
Kompromiss machen: Die Liebe irgendwie kombinieren mit
unserem Sicherheitsbedürfnis oder unserem Wunsch, uns
allen anzupassen, mit unserer Lust auf Einfluss oder unserem Hang nach Bequemlichkeit. Eben: Wir haben gesündigt,
und jetzt kriegen wir es nicht mehr hin, sondern sind dir
ausgeliefert. Wenn du nicht du wärst, der gnädige, barmherzige, freundliche, das Leben schaffende und schützende
Gott, müssten wir vor Angst vergehen. Aber weil du du
bist, überlassen wir uns dir und deiner Gnade. Wir verlassen
uns darauf, dass du uns in Sicherheit bringst, in die Freiheit
führst, leben lässt.

Von: Benedict Schubert

6. April

Lasst das Wort Christi reichlich unter euch wohnen: Lehrt und ermahnt einander in aller Weisheit; mit Psalmen, Lobgesängen und geistlichen Liedern singt Gott dankbar in euren Herzen. Kolosser 3,16

Spannend, dass «wohnen» in der Bibel öfter mal vorkommt. Wie wollen wir wohnen? Das ist nicht nur für mein eigenes Wohlbefinden, sondern für den gesellschaftlichen Zusammenhalt, ja – angesichts des Verbrauchs von Ressourcen wie Boden oder Energie zum Heizen, Kühlen, Kochen – für das Überleben unseres Planeten entscheidend.
Aber nicht im Zusammenhang mit einem gemütlichen Küchentisch oder dem Bedarf an Sanitäranlagen ist hier vom Wohnen die Rede. Der Kolosserbrief plädiert dafür, dass das Wort Christi in unseren Wohnungen reichlich Platz haben soll. Als Reformierter stelle ich mir beim «Wort Christi» immer auch eine Bibel vor. Aber das Wort Christi ist nichts für die Wohnwand. Es soll Platz finden am Tisch. So, wie in der jüdischen Pessachtradition ein Stuhl frei bleibt für den Propheten Elia, der kommen könnte, um die Ankunft des Messias anzukündigen. Das Wort Christi wohnt mit, wenn wir in der Gemeinschaft voneinander lernen, wenn das Leben gefeiert und wenn gesungen wird. Und es hat einen Ort, wenn alle ein sicheres Dach über dem Kopf haben, und wenn Wohnen sich nicht darin erschöpft, den Schlüssel drehen zu können, um die Welt draussen zu halten.

Von: Matthias Hui

5. April

Ich will gedenken an meinen Bund, den ich mit dir geschlossen habe zur Zeit deiner Jugend, und will mit dir einen ewigen Bund aufrichten. Hesekiel 16,60

«Der Bund». Er liegt jeden Tag auf dem Frühstückstisch unserer Wohngemeinschaft. Eine traditionsreiche Schweizer Tageszeitung, die sich auf die Gründung des Bundesstaates bezieht und in der Bundeshauptstadt erscheint. Bei «Bund» denke ich zuerst an den föderalistischen Zusammenschluss, in dem wir leben, und nicht an den Bund, den Gott nach der Bibel mit den Menschen geschlossen hat. Hat der Zeitungstitel nichts mit der göttlichen Zusage zu tun? Immerhin steht in der Präambel der schweizerischen Bundesverfassung «Im Namen Gottes des Allmächtigen», und das deutsche Grundgesetz spricht am Anfang von der «Verantwortung vor Gott und den Menschen». Das mag in einer säkularen Gesellschaft überlebt sein. Aber in der schweizerischen Präambel steht eben auch, dass «die Stärke des Volkes sich misst am Wohl der Schwachen», und im deutschen Grundgesetz ist das Recht auf Widerstand festgeschrieben für den Fall, dass Demokratie, Sozialstaat und Rechtsstaat zerstört werden könnten. Das Versprechen auf ein gutes, gerechtes Leben für alle ist da. Die Verfassung erinnert uns daran. Und die Bibel ermutigt uns, auch in dürftigen Zeiten, in denen Mächtige Leben vernichten, den Glauben daran und die Arbeit dafür nicht aufzugeben.

Von: Matthias Hui