24. Januar

Die sich halten an das Nichtige, verlassen ihre Gnade. Jona 2,9

Zwei Grundwörter werden als schroffe Alternativen einander gegenübergestellt. Hier das «Nichtige», dort die «Gnade».
Hier der flüchtige Windhauch, ohne jegliche Substanz. Du kriegst ihn nicht zu fassen; er entzieht sich dir andauernd. Einen Moment lang mag dich bezaubernde Schönheit betören – wie wenn du eine Kerze ausbläst und es steigt eine zarte Rauchskulptur auf, doch im Nu hat sie sich aufgelöst.
Dort die ungeschuldete Solidarität, die grosszügige Zuwendung, mit der du nicht rechnen konntest, weil es eigentlich keinen Grund gab, du kein Recht darauf gehabt hättest. Das Wort «Huld» ist nicht mehr in Gebrauch; früher bot es sich zur Übersetzung an, wo in der Losung heute «Gnade» steht.
Wenn ich die Rauchfahne anschaue, wenn ich meinen Fokus auf das richte, was sich verflüchtigt, dann verpasse ich das, was mir im Leben Halt gäbe. Ich verpasse das, was mich mit dem zurechtkommen lässt, was schiefgelaufen ist und was ich habe schieflaufen lassen, weil es mir einen Neuanfang eröffnet.
Zugegeben, mit solchen Gegenüberstellungen ist im Glauben viel Druck ausgeübt worden. Aber es gibt Momente, da müssen wir uns klar entscheiden zwischen dem, was nichts ist, und Gott, der sich uns zuwendet und uns hält. Davon jedenfalls weiss Jona im Fischbauch sein Lied zu singen.

Von: Benedict Schubert

23. Januar

Meint ihr, dass ihr Gott täuschen werdet,
wie man einen Menschen täuscht?
Hiob 13,9

Einen streitbaren Hiob hören wir da! Er streitet mit seinen Freunden und er will mit Gott streiten. Er will wissen, wieso er so viel erleiden muss: Er hat nacheinander seinen Besitz, seine Kinder und seine Gesundheit verloren. Und er will nicht auf seine Freunde hören, die eine Erklärung dafür zu geben versuchen. Sie sollen nicht anstelle von Gott sprechen, er will diesen Gott selbst hören!
Streitbar – ich bleibe noch ein wenig bei diesem Wort. Ich selbst bin nicht so streitbar. Aber manchmal geht es nicht anders, und das ist auch gut so: Denn wenn mir etwas oder jemand ganz gegen den Strich geht, wenn ich herausgefordert werde, erwacht eine streitlustige Vitalität in mir. Ich muss für mich und für meine Meinung hinstehen, die dadurch auch geschärft wird. Wir alle kennen grosse Beispiele für das Erstreiten neuer Erkenntnisse und Haltungen: dass die Erde sich um die Sonne bewegt oder dass Frauen so wie Männer abstimmen können. Hier haben Menschen an überholten oder schädlichen Ansichten gerüttelt und Neues ermöglicht. – Hiob erfährt in seinem «Rechtsstreit» immerhin, dass Gott ihn nicht durch Leiden erziehen oder bestrafen will. Und er findet Frieden darin, dass er von Gott beachtet wurde.
Die lebenswichtige Kraft der Streitbarkeit – ich sehe Hiob für mich persönlich ab jetzt als den Schutzheiligen dafür!

Von: Katharina Metzger

22. Januar

Paulus schreibt: Ich war früher ein Lästerer und ein Verfolger und ein Frevler; aber mir ist Barmherzigkeit widerfahren. 1. Timotheus 1,13

Es sind grosse Themen, von denen Paulus schreibt: wie er sich als Sünder erkannt hat, wie er sich von seinem bisherigen Leben abgewendet und in den Dienst von Jesus Christus gestellt hat. Er spricht dabei zwei Dinge an: das Gesetz und die Barmherzigkeit. Das Gesetz sei wichtig für die Gesetzlosen, schreibt er. In seinem eigenen Fall spielt aber die Barmherzigkeit die grössere Rolle. Den Moment, als ihm die Augen geöffnet und ihm seine Sünden bewusst wurden, sieht er als Moment der Barmherzigkeit und des Vertrauens von Jesus Christus in ihn.
Gesetz und Barmherzigkeit – zwischen diesen Polen bewegen wir uns. Zur Barmherzigkeit kommt mir eine Film-
szene aus «Les Choristes» in den Sinn: Der Lehrer und Chorleiter Monsieur Mathieu streicht seinem begabten Schüler Morange nach einem Streich sein Gesangssolo, fordert ihn aber während einer Vorführung dann doch zum Mitsingen auf, eine grosse Geste der Versöhnung. Es scheint, als sei dieses Vertrauen für den Jungen ein Wendepunkt, ein wichtiger Schritt zu einem guten Leben gewesen.
In beiden Geschichten ist es die Barmherzigkeit, die den Betroffenen die Augen über sich selbst geöffnet hat und zum Schlüssel für ein gesetzestreues und gutes Leben geworden ist.

Von: Katharina Metzger

21. Januar

Erhalte mich nach deinem Wort, dass ich lebe,
und lass mich nicht zuschanden werden in meiner Hoffnung.
Psalm 119,116

Seine Psalmen seien keine Lieder, schreibt der Schriftsteller Uwe Kolbe. Und auch keine Gebete, fügt er an. Kolbe nennt seine Dichtungen: «Worte eines Heiden, der Gott verpasste, weil keiner bei dem Kinde ging, der sagte, hörst du die Stimme?» Ein Gedicht trägt die Überschrift «an dich». Es erinnert mich an unsere heutige Losung: «Du hast mich gemacht, du kannst mich zerstören. Du hast mich aufgemacht, du kannst mich wieder schliessen. Es gibt nichts zu murren, nicht dass du das meinst. Lass nur den Weg mich, der noch bleibt, an deiner Hand zu Ende gehen.»


«Lass nur den Weg mich, der noch bleibt, an deiner Hand zu Ende gehen.» Stark! Die Hand Gottes, die uns greifbar ist, ist sein Wort, oder? Das Wort des Lebens. Das Wort, von dem Gott empfiehlt, dass wir es uns zu Herzen nehmen (5. Mose 6,6). Dort entwickelt es seine Kraft. Und dieses Wort sollen wir unseren Kindern weitergeben (5. Mose 6,7). Also weitergeben, was uns selbst so überlebenswichtig ist. Unsere Kinder mit hineinwachsen lassen in die Hoffnungsgemeinschaft, die Gott seinen Kindern eröffnet. Selig ist der Mensch, der in den dürren Zeiten seines Lebens Teil so einer Hoffnungsgemeinschaft ist. Manchmal bleiben nur noch Gott und ich, wir zwei.

Von: Chatrina Gaudenz / Lars Syring

20. Januar

Der HERR wird dein ewiges Licht und dein Gott
wird dein Glanz sein.
Jesaja 60,19

Was für eine überwältigende Zuversicht. Eindringlich kommt mir entgegen: Gott wird dein Licht und dein Glanz sein. Dem Volk Israel vor zweieinhalbtausend Jahren zugesagt. Elementare Worte des Trostes, eine lichte Stimme der Hoffnung. Nach der Verwüstung des Landes durch ein fremdes Heer, der Deportation von Dutzenden, nach der Gefangenschaft die Zusage: Gott wird dein Licht und dein Glanz sein. Magst du dich von diesen starken Worten des Propheten Jesaja anstecken lassen, Lars?


Sehr gerne! Und mich fasziniert auch die erste Hälfte des Verses, den die Losung ausgespart hat: «Nicht mehr wird die Sonne für dich Licht sein am Tag, und nicht der Mond wird als Lichtglanz für dich leuchten.» Das Licht, das Gott uns bringt, ist ein anderes Licht, als wir es im Alltag kennen. So leuchtet auch keine noch so moderne Lampe. Es ist das Licht, das Gott ganz am Anfang gemacht hat (1. Mose 1,3) und das Licht, das in der Verklärungsgeschichte (Markus 9,3) leuchtet. Ich sehne mich nach diesem Licht, das alles verändert und mir die Augen öffnet für Gottes Wirklichkeit, die mich ins Leben ziehen will. Was für Zion gilt, wird doch auch für uns gelten. Das legt die Losung nahe. Gott ist mein ewiges Licht. Gott wird mein Glanz sein.

Von: Chatrina Gaudenz / Lars Syring

19. Januar

Unser Gott hat ein Herz voll Erbarmen. Darum kommt uns das Licht aus der Höhe zu Hilfe. Es leuchtet denen, die im Dunkel und im Schatten des Todes leben. Es lenkt unsere Füsse auf den Weg des Friedens. Lukas 1,78–79

Worte aus dem Lobgesang des Zacharias. Er hat nicht daran geglaubt, dass er in seinem hohen Alter noch Vater werden kann. Es verschlägt ihm die Sprache, als er davon hört. Er bleibt stumm bis über die Geburt seines Sohnes hinaus. Seine Zunge löst sich erst dann wieder, als er dessen Namen auf eine kleine Tafel schreibt: Johannes.
Unser Gott hat ein Herz voll Erbarmen. Zacharias weiss, wovon er spricht. Er hat es am eigenen Leib erlebt, was es bedeutet, wenn das Licht aus der Höhe zu Hilfe kommt. So, dass nach langen Nächten des Schweigens am frühen Morgen Lobgesang wird.
Viele Menschen beten diesen Text des Zacharias jeden Morgen. So sicher und hell soll der Tag beginnen. Wir hüllen uns ein in Gottes Erbarmen. Damit auch wir warmherzig bleiben. Nicht nur dann, wenn wir am Bettchen eines Säuglings stehen. Sondern auch dann, wenn uns Kinder entgegentrotzen. Und erst recht dann, wenn sie alle erwachsen sind. Schreiben wir dann ihre Namen auf eine Tafel. Und spüren wir, wie die Sonne aufgeht.

Von: Ruth Näf Bernhard

18. Januar

Du sollst heute wissen und zu Herzen nehmen,
dass der HERR Gott ist oben im Himmel und unten
auf Erden und sonst keiner.
5. Mose 4,39

die stimme
die
zum himmel schreit
das sehnen
das
vom himmel fällt
der säugling
der
nach himmel duftet
das alles
hat
mit gott zu tun
oder könnte es
jedenfalls
wenn man
so möchte

Von: Ruth Näf Bernhard

17. Januar

Eines jeden Wege liegen offen vor dem HERRN. Sprüche 5,21

«Gott sieht alles von dir!» war ein gern gebrauchter Spruch meiner verehrten Grossmutter. Das ängstigte den kleinen Buben nicht etwa, sondern es schien ihm völlig normal; so wurde ihm von Gott erzählt. In Vers 23 wird in diesem Zusammenhang von fehlender Unterweisung gesprochen, was ein lebensbedrohlicher Mangel sei. Denn um einen alle menschlichen Vorstellungen übersteigenden Gott zu wissen, sei notwendig für einen guten und «richtigen» Lebenswandel. Dazu gehört, wie in den vorangegangenen Versen eindrücklich mit dem Bild vom Fremdgehen (Verse 1–20) illustriert wird, den eigenen Wurzeln und den Quellen der eigenen Kultur treu zu bleiben. Also konkret dem lebendigen Gott, dem Schöpfer allen Lebens. Und dem, welcher über jeden Lebensweg wacht. Nicht mein individuelles Fehlverhalten soll sanktioniert werden: Gott will nicht, dass ich mich an untauglichen Lebenslehren orientiere oder an vermeintlich attraktiven Gottheiten zugrunde gehe. Dadurch, dass Gott jeden Lebensweg kennt, wird keine Drohung aufgerichtet, sondern Gottes Sorge um jedes Menschenleben zum Ausdruck gebracht. Lasst euch nicht verführen von irgendwelchen Weisheiten! Kümmert euch vielmehr, Gottes Weisheit zu erfahren und diese Erkenntnis für eine Lebensgestaltung zu nutzen, die seit ewig gültig ist! So auch für mich und dich und euch! Darin besteht die lebensspendende Unterweisung (Vers 23).

Von: Hans Strub

16. Januar

Alle hoffärtigen Augen werden erniedrigt, und
die stolzen Männer müssen sich beugen; der HERR
aber wird allein hoch sein an jenem Tage.
Jesaja 2,11

«Warte nur – es kommt der Tag, an dem sie büssen müssen für alle Ungerechtigkeit!» So sagte meine Grossmutter, wenn ich ihr klagte, wie böse eben wieder einige Schulkameraden mit dem Beat vom Talhof umgegangen waren. Ich stellte mir diesen Tag damals in schrecklichen Farben vor. Und durchaus mit gemischten Gefühlen, neben Angst war da auch eine gewisse Schadenfreude …
Von einem solchen Tag, dem «Tag des Herrn», ist hier und an etlichen Stellen in der Bibel die Rede. «Sich beugen» müssen sich dann nicht unflätige Schüler, sondern all jene, die ihren Halt im Leben bei Götter- oder Gottesbildern suchen, die sie selbst geschaffen haben – weil sie ihnen dienlich sind und sie in ihrem selbstgefälligen Lebenswandel unterstützen und rechtfertigen. Es ist eine heftige Drohung, die hier gleich am Anfang des langen Jesajabuchs formuliert ist. Und es folgt keine rasche Beruhigung, im Gegenteil: «Vergib ihnen nicht», bittet der Prophet (Vers 9b). Deutlicher kann er die Unbedingtheit seiner Verkündigung nicht ausdrücken. Es ist der dringliche Ruf nach Umkehr, nach Zuwendung zum lebendigen und Leben schenkenden Gott, weg von allen mir selbst genehmen Vorstellungen und Prinzipien. Gott will nicht nur der Grösste und Einzige sein – er ist es auch und verschafft sich Nachachtung!
Noch können wir uns besinnen.

Von: Hans Strub

15. Januar

Der Mann soll seine Frau nicht vernachlässigen,
ebenso nicht die Frau ihren Mann.
1. Korinther 7,3

Was hier mit «nicht vernachlässigen» übersetzt ist, bedeutet gemäss dem griechischen Urtext eigentlich: «die Pflicht erfüllen». Dies wiederum ist Euphemismus, beschönigende Rede für den Geschlechtsverkehr. Im nächsten Vers wird diese Pflicht zur Pflichterfüllung begründet: «Die Frau verfügt nicht über ihren Körper, sondern der Mann; ebenso verfügt auch der Mann nicht über seinen Körper, sondern die Frau.» Man denkt – umso mehr, als in der Zeit, in der ich diesen Text schreibe, in Frankreich der Pélicot-Prozess stattfindet – dass solchen Behauptungen ein klares «Nein ist Nein» oder auch «Ja ist Ja» vorzuziehen sei.
Immerhin fällt die «partnerschaftliche Argumentation» (Luise Schottroff) bei Paulus auf. Sie ist im Frauen diskriminierenden antiken Umfeld ungewöhnlich und ein Hinweis darauf, dass es Paulus nicht um Missbrauch und Ausbeutung geht. Wenn die unverbrüchliche Selbstbestimmung über den eigenen Körper vorausgesetzt ist, werden die Überlegungen des Paulus für einen mystischen Weg interessant. Denn dieser besteht seinem Wesen nach in der Hingabe des eigenen Ich. Dorothee Sölle schreibt in ihrem Buch «Mystik und Widerstand»: «Die Entmachtung des Ich, die die Mystik braucht, setzt das selbständige, entscheidungsfähige Ich voraus. Es muss ein Ich da sein, wo ein Ich-los-Werden versucht wird.»

Von: Andreas Fischer