Autor: Katharina Metzger

10. August

Legt ab alle Unsauberkeit und alle Bosheit und
nehmt das Wort an mit Sanftmut, das in euch gepflanzt
ist und Kraft hat, eure Seelen selig zu machen.

Jakobus 1,21

Ich habe als Lehrerin gerade eine Situation mit einem Schüler,
der sich oft danebenbenimmt. Wenn es nicht bessert,
muss er in eine andere Klasse oder eine andere Schule. Vielleicht
ist das eine gute Lösung. Trotzdem ist es nicht schön
für mich, das zu entscheiden. Denn es ist dieses Eingeständnis
damit verbunden: Ich habe es nicht geschafft mit ihm.
Neben diesem etwas kleinlauten Eingeständnis ist da aber
auch der Wunsch, nun einmal Klartext zu reden, eine Grenze
zu ziehen, zu sagen, so, Bürschchen, alles lass ich mir nun
doch nicht bieten, fertig lustig!
Das ist manchmal nötig – und oft genug fällt mir gerade
das eher schwer, bin ich doch nicht so ein Fertig-lustig-Typ!
Und jetzt besteht die hohe Kunst wohl darin, den Fertiglustig-
Typ mit dem Ablegen der Bosheit zu kombinieren.
Nicht meine verletzten Gefühle in einen harten Panzer
umzuwandeln, sondern diese abzulegen. Keinen dicken
Mantel aus meinen Rechtfertigungen zu weben. Sondern
«einfach so» dazustehen.
Der Vers spricht neben dem, was man ablegen soll, auch
von dem Wort, das «in uns gepflanzt ist». Ich deute dies für
mich als eine Art Zusage sowohl an mich wie auch prinzipiell
an alle Menschen – ein kraftvolles, aber auch sanftes Bild.

Von: Katharina Metzger

9. August

Lasst das Wort Christi reichlich unter euch wohnen:
Lehrt und ermahnt einander in aller Weisheit.

Kolosser 3,16

Das Wort Christi: Ist das so etwas wie die Essenz seiner Aussagen,
Gleichnisse und Anweisungen, die es weiterzugeben
gilt? Bei mir taucht da als Erstes auf: Liebe deinen Nächsten
wie dich selbst. Ich weiss nicht, ob das wirklich damit gemeint
ist, aber ich überlege mir jetzt einmal, wie ich diesem Wort
bewusst eine «Wohnstätte» bei mir einrichten könnte:

  1. Ich wasche mir jeden Morgen bewusst Augen, Ohren und
    Hände, mit denen ich die Menschen um mich herum
    wahrnehme.
  2. Ich versuche, mehr zu hören und weniger zu sprechen.
  3. Ich versuche aber, meiner Meinung dort mehr Gewicht
    zu geben, wo sie etwas Gutes bewirken kann.
  4. Ich versuche, Konflikten nicht aus dem Weg zu gehen.
  5. Ich denke im Gottesdienst am Sonntag an Leute, denen
    es nicht so gut geht.
  6. Ich freue mich an schönen, innigen, lustigen Momenten
    mit meiner Familie.
  7. Ich freue mich an der Musik, an der Natur, an schönen
    Dingen – sie öffnen mich für das Gute, für das Wunder des
    Lebens und lassen mich Schwieriges mit anderen besser
    aushalten.

Haben Sie weitere Vorschläge?

Von: Katharina Metzger

10. Juni

Selig sind, die da geistlich arm sind;
denn ihrer ist das Himmelreich.
Matthäus 5,3


Ich habe wegen des «geistlich arm» nach einer anderen
Übersetzung gesucht und in der «Volxbibel» folgende
gefunden: «Herzlichen Glückwunsch! Hart feiern können
die Leute, die nicht so gut checken, wo es spirituell langgeht.
Die nichts haben, mit dem sie Gott beeindrucken könnten.
Sie werden mit Gott dort leben, wo er der Chef ist.»
Geistlich arm würde ich nach dieser Übersetzung so verstehen:
weder vertieftes Wissen noch felsenfeste Überzeugungen
von einer Glaubenspraxis zu haben. Würde das auf
mich zutreffen? Ja, und auch nein: Ich bin nicht arm. Weder
materiell noch – behaupte ich – geistlich. Deswegen kann
ich nicht über Armut schreiben. Denn ich kann mich auf
vieles verlassen: auf meinen Monatslohn, auf mein Haus,
auf die medizinische Versorgung, auf die Ausbildung meiner
Kinder, auf die Ferien … Ich kann mich verlassen auf die
Liebe meiner Nächsten, auf das Äussern und Diskutieren von
Gedanken, auf Tätigkeiten, die mich erfüllen, auf ein Leben
voller Möglichkeiten. Ich verlasse mich auch darauf, dass
es nicht schlimm ist, wenn ich im Glauben zweifelnd und
fragend bin, ich darf trotzdem in spirituellen Gruppen mit
dabei sein. Aber wenn ich all diese Gewissheiten loslassen
müsste? Irgendwo fremd, unverstanden und womöglich arm
sein müsste? Würde ich dann verzweifeln oder durch diese
Armut gerade für Neues, Unerwartetes offen werden?

Von: Katharina Metzger

9. Juni

Der HERR, dein Gott, wandelte dir den Fluch in
Segen um, weil dich der HERR, dein Gott, lieb hatte.
5. Mose 23,6

Fluch und Segen. Beim heutigen Text ist es Bileam, der das
Volk Israel verflucht haben soll. Weiter heisst es, wie Gott
auf diesen Fluch reagierte: «Aber der Herr, dein Gott, wollte
nicht auf Bileam hören …», und dann folgt obiger Vers.
Hier stehen also menschliche Wünsche und Verwünschungen
und göttliche Kräfte in Verbindung miteinander. Und es
kommt mir so vor, als ob es dem Volk Israel erst hinterher
bewusst geworden wäre, dass es inmitten dieser guten und
schlechten «Sendungen» stand.
Als Wesen, das Fluch oder Segen empfängt, ist man also
immer irgendwie ausgeliefert. Können wir da nicht auch
selbst etwas in die Hand nehmen? Vielleicht das: Vor ein paar
Tagen hat mir eine Nachbarin, die nicht sonderlich religiös
ist, erzählt, sie habe ihren Kindern immer gesagt, sie dürften
nicht «Gopferdammi» sagen. Und ich erinnerte mich,
dass meine Mutter uns Kindern das auch so beigebracht
hatte. «Warum denn? Was heisst das überhaupt?», hatten
wir damals zurückgefragt. «Das heisst: Der Liebgott sell mi
nümm gärn ha», hatte meine Mutter erwidert. Ich übersetze
noch etwas weiter: Das würde heissen, sich selbst dem Fluch
und nur dem Fluch auszusetzen und jegliche Verbindung zur
Liebe zu kappen.

Von: Katharina Metzger

10. April

Gott sei Dank, der uns den Sieg gibt durch unsern Herrn Jesus Christus! 1. Korinther 15,57

Es geht um den Sieg über den Tod. Zwei Verse zuvor stehen
die berühmten Worte: Verschlungen ist der Tod in den Sieg.
Tod, wo ist dein Sieg? Tod, wo ist dein Stachel?
«Ich möchte jetzt gehen.» «Es reicht mit dem Leben, ich
bin müde.» «Es geht nur noch abwärts.» Solche Worte
hört man ab und zu von Menschen, die «ihr Leben gelebt
haben». Da kommt der Tod als sanfter Erlöser. Vielleicht als
«Ablöser» von dieser Welt. In meiner Umgebung ist dies –
zum Glück – häufig der Fall.
Braucht es da Jesus Christus, der uns eine neue Wirklichkeit,
ein ewiges Leben erschlossen hat?
Ich selbst bin sehr mit dem Leben beschäftigt und habe
kaum Gedanken an ein Leben für mich als «ich» nach dem
Tod oder nach einer endzeitlichen Auferstehung.
Aber ich glaube andererseits, dass der Tod eines mir sehr
nahestehenden Menschen mich grundlegend verändern
und aus der Bahn werfen könnte. Und ich glaube weiter, dass
dann dieser Gedanke ein neues Gewicht für mich bekommen
könnte: dass dieser Jesus Christus, dieser Mann am
Kreuz, dessen Leben und dessen Gedächtnis das Kirchenjahr
und ein Stück weit auch mein Leben prägen, die Todeserfahrung
machen musste, die auch meine Nächsten, ich selbst
und überhaupt alle machen werden. Dass wir damit nicht
allein sind.

Von: Katharina Metzger

9. April

Als Jesus auferstanden war früh am ersten Tag der Woche, erschien er zuerst Maria Magdalena, von der er sieben Dämonen ausgetrieben hatte. Und sie ging hin und verkündete es denen, die mit ihm gewesen waren, die da Leid trugen und weinten. Markus, 16,9–10

Heute ist Ostersonntag! Auferstehung. Jahr für Jahr schauen
wir in dieser Zeit der Natur bei ihrem erneuten Aufblühen
zu, eine wundersame Wandlung, die nie von ihrem Zauber
verliert.
Doch nun kommt ein Blick zurück in die Adventszeit, zu
einem Adventsfenster, das mir in Erinnerung geblieben ist:
Man konnte in eine Kiste reinschauen, in der Stroh war, und
darin stand das Foto einer Skulpturengruppe: Die Figuren,
alles Frauen, betrachten in einer Art Höhle den gekreuzigten
Jesus, der, noch am Kreuz, auf der Erde liegt. Die Frauen
reissen entsetzt den Mund auf, weinen, haben bestürzte
Gesichtsausdrücke. Es ist also nicht – wie wir es überliefert
kennen – das leere Grab, an dem sie sind, sondern ein «volles
» Grab. Der Gekreuzigte ist ganz am unteren Bildrand,
und nun sah es in diesem Adventsfenster so aus, als ob er,
am Ende seines Lebens, im Stroh seiner Krippe liegen würde.
Der Wunsch nach Ungeschehenmachen dieses Todes,
nach Ausbruch aus diesem Käfig, nach dem Öffnen der
Höhle, dem Wegrollen des Steins – wie spürbar wurde er in
diesem Adventsfenster!

Von: Katharina Metzger

10. Februar

Tragt an euren Füssen als Schuhwerk die Bereitschaft
für das Evangelium des Friedens.
Epheser 6,15

Am Ende des Epheserbriefes spricht der Verfasser von der
«Waffenrüstung Gottes»: dem Panzer der Gerechtigkeit,
dem Schild des Glaubens, dem Helm des Heils, dem Schwert
des Geistes. Er ruft die Gemeinde auf, diese Ausrüstung zu
tragen, um gegen «die Geister des Bösen in den Himmeln»
zu kämpfen.
Und eben: die «Friedensschuhe». So zumindest habe ich
mir diesen Vers etwas abgekürzt gemerkt. Dabei habe ich
mich automatisch gefragt, wie dieses Schuhwerk wohl aussehen
würde. Und es ist mir – ganz unbiblisch – ein Schuhladen
in Luzern in den Sinn gekommen, in dem ich kürzlich
per Zufall war und wo es ganz wunderbare, lustige, ausgefallene
Schuhe gab. Schuhe, die ein Zeichen setzen gegen
Uniformität und für Kreativität, Lust und Qualität. Ich habe
mir ein Paar geleistet und fühle mich richtig gut darin.
Es gibt die Auffassung, dass man, um jemanden zu verstehen,
in seinen Schuhen gehen müsse. Ich habe das tatsächlich
noch nie gemacht, nur in die Gartenschuhe meines
Partners schlüpfe ich manchmal, und schon das fühlt sich
seltsam an und ist ein gutes Lehrstück, um einen anderen
Standpunkt zu spüren. Nach all diesen Schuhgedanken frage
ich mich, ob wir nicht überhaupt bereiter wären für «das
Evangelium des Friedens», wenn wir gar keine Schuhe trügen
und barfuss durch die Welt gingen?

Von: Katharina Metzger

9. Februar

Darum seid auch ihr bereit! Denn der Menschensohn
kommt zu einer Stunde, da ihr’s nicht meint.

Matthäus 24,44

Ein Aufruf zur Wachsamkeit! Denn mit dem wiederkommenden
Menschensohn kommt das Weltgericht.
Ich füge an dieser Stelle wieder mal einen Blick in mein
Schulzimmer ein: Siebte Klasse, wir nehmen die Reformation
durch. Ich schreibe an die Tafel «Was kommt nach
dem Tod?» und denke, das sei in einer halben Minute erledigt.
Wahrscheinlich werden alle sagen: «Das kann man
nicht wissen.» Aber nein, es entwickelt sich eine wunderbare
Stunde mit Offenbarungen aus einigen Schülerseelen. Einige
glauben an so etwas wie ein Gericht. Ein Junge sagt, er frage
sich jeden Abend vor dem Einschlafen, ob er «gut» gewesen
sei. Ob es denn für alle einen Weg in diesen sogenannten
Himmel gebe oder nur für die Guten, frage ich weiter. Es
entsteht ein Konsens darüber, dass man seine «Sünden»
schon bereuen müsse. Und vor Gott verbergen könne man
sowieso nichts. Aber: «Gott ist ja ein guter Mensch, äh, Gott.
Er spürt, ob du bereust, und das ist das Wichtigste», sagt ein
Mädchen. – Interessant: Die Diskussion wird von den Muslimen
und Musliminnen geführt, die anderen schweigen und
machen ein wenig grosse Augen.
Aber wahrscheinlich würden alle das teilen, was der
Menschensohn laut Matthäus beim Weltgericht über die
«Guten» sagt: «Was ihr einem dieser meiner geringsten
Brüder getan habt, das habt ihr mir getan.»

Von: Katharina Metzger

10. Dezember

Viele werden kommen von Osten und von Westen und mit Abraham und Isaak und Jakob im Himmelreich zu Tisch sitzen.           Matthäus 8,11

Jetzt habe ich gerade dreimal die Wundergeschichte «Der Hauptmann von Kafarnaum» gelesen, aus der obiger Vers stammt. Dreimal, bis ich als Nicht-Theologin ein wenig verstanden habe, worum es da geht.

Dies ist ein schönes Beispiel dafür, wie friedlich ein aus dem Kontext gelöster Vers klingen kann, der aber eigentlich in einer Geschichte vorkommt, die eher eine Rüge ist.

Es geht um die Kraft des Glaubens. Jesus rühmt den Hauptmann von Kafarnaum, der glaubt, dass auch nur ein Wort von Jesus den zuhause krank liegenden Knecht schon heilen könne. Der Hauptmann ist ein Römer, erfahre ich, als ich ein wenig nachfrage, und diejenigen, die Jesus vertrauen und an ihn glauben, sind laut Erzähler oft solche von weit weg, von Osten und Westen, während die heimischen Juden sich schwer mit Jesus tun und ihn oft ablehnen.

Hm. Wir sprechen in meiner Kirche, wenn wir zur Eucharistie gehen, auch immer, leicht abgewandelt, diese Worte des Hauptmanns von Kafarnaum: «Herr, ich bin nicht würdig, dass du eingehst unter mein Dach, aber sprich nur ein Wort, so wird meine Seele gesund.» Aber eigentlich denke ich:

«Herr – willst du überhaupt so genannt werden? Ich glaube, ihr konntet da ganz einfach eine Brücke schlagen, du, dieser Hauptmann und dieser kranke Knecht. Wie ging das?»

Von Katharina Metzger

9. Dezember

Gedenkt an den, der so viel Widerspruch  gegen sich von den Sündern erduldet hat, dass ihr nicht matt werdet und den Mut nicht sinken lasst.          Hebräer 12,3

In diesen Tagen werden wieder die Krippen hervorgeholt, vom Estrich, aus dem Keller, aus dem Schopf, Krippenfiguren werden aus Haushaltspapier gewickelt, Schafe gruppiert und das hölzerne Jesuskind ins Kripplein gelegt. Das kleine, schlafende, friedliche Zentrum. Das Kindlein tut nichts, ausser da zu sein.

Widerspruch und Sünder fehlen an der Krippe. Was werden sie später gegen dieses Kind sagen?

Vielleicht: «Er ist gar nicht der Sohn Gottes!» Oder: «Er ist ein gefährlicher Aufwiegler!» Oder: «Er hat meinen Mann mitgenommen. Jetzt muss ich allein schauen, wie ich alle Mäuler gestopft kriege!» – Ich weiss es nicht. Der Text ist weit weg von mir.

Wir sehnen uns alle nach Momenten an der Krippe, dann, wenn es nichts zu sagen, nichts zu streiten, nichts auszulachen und nichts zu verteidigen gibt, dann, wenn alles möglich scheint, wenn wir nur auf den stillen Atem des Lebens hören.

Das Kind wird der Krippe entwachsen, und auch wir werden wieder von der Krippe weggehen, Widerspruch leisten, Widerspruch erfahren, Widerspruch erdulden müssen. Dass wir dabei nur nicht hart werden und uns immer wieder erinnern, an das Kind, das atmende Leben in der Krippe.

Von Katharina Metzger