Ihr kennt die Gnade unseres Herrn Jesus Christus:
Obwohl er reich ist, wurde er doch arm um euretwillen, auf dass ihr durch seine Armut reich würdet. 2. Korinther 8,9

«O du armer Tropf!» Arm dran zu sein, setzt unsere
Umgangssprache oft nicht mit materieller Not gleich. Auch
die Bibel lesen wir gerne auf diese Art: Armut – zum Beispiel
die der «geistig Armen» – und Reichtum – etwa das
«Leben in Fülle» – verlagern wir schwupps auf die symbolische
Ebene. Dann scheinen solche Sätze uns auch etwas
anzugehen, wenn wir nicht von sozialer Ungleichheit und
Prekarität betroffen sind oder auf der anderen Seite nicht im
Luxus schwelgen. Paulus spricht aber im Brief an die Korinther
nicht in schöngeistigen Bildern. Er redet konkret von
Besitz und Überfluss, von Mangel und Ausgleich. Jesus sieht
bei Lukas seine Aufgabe darin, den Armen das Evangelium zu
bringen, die Gefangenen zu befreien und die Zerschlagenen
aufzurichten. Und die lateinamerikanische Kirche traf vor
Jahren ihre biblische Option für die Armen.
Bin ich jetzt doch der arme Tropf, weil ich nicht arm bin
und in diesen Texten scheinbar gar nicht vorkomme? Oder
könnte ich das Leben – auch mein Leben – mit den Augen
der alleinerziehenden Mutter mit ganz wenig Geld in meinem
Quartier, der geflüchteten Familie im Nothilfezentrum
im Nachbardorf besser verstehen? Oder gar gemeinsam verändern
– «auf dass wir alle reich würden»?

Von: Matthias Hui