Kategorie: Texte

3. Dezember

Der HERR wird Zion wieder trösten. Sacharja 1,17

Erster Advent – und Sacharja, der auch anders kann, gibt einen Friedensgruss von Gott weiter: Meine Städte werden noch überfliessen von Gutem, und der Herr wird Zion noch trösten und Jerusalem noch erwählen! Das «noch» ist die Friedensverheissung. Denn jetzt, so sagt der Prophet, gilt weiterhin der Zorn Gottes über die treulosen Städte in Israels Landen. Aber ihr könnt darauf vertrauen, Gott wird das schon noch ändern. Dann wird das Gute im Überfluss da sein, und zwar schlicht überall!
Ein solches Wort am Anfang der Adventszeit zu hören und zu verinnerlichen, tut gut, damals wie heute. Denn auch heute liegt vieles im Argen und bedrückt viele. Und viele fragen sich mit grosser Sorge, ob das je einmal ein Ende haben wird. Und da kommt dieses Gotteswort und sagt: Ja, es wird! Und es wird ein gutes Ende haben, obwohl es jetzt gerade nicht den Anschein macht. Für Gott aber ist das möglich. Es wird eine neue Zeit kommen, darauf ist Verlass. Sie ist noch nicht da, aber sie ist zugesagt. Damit sind die Sorgen nicht einfach weggewischt und verschwinden wie von selbst. Aber neben ihnen oder hinter ihnen ersteht etwas anderes. Etwas Neues, das noch keine festen Konturen hat – aber das wir hören und in unser Herz hineinnehmen können.
Ein starker Funke Hoffnung, der auf diejenigen überspringen kann, die davon hören. Also heute auf uns!

von: Hans Strub

2. Dezember

HERR, sei mir gnädig, denn mir ist angst! Psalm 31,10

Ja, mir ist angst. Natürlich kann ich es überspielen. Wenn ich in Gesellschaft bin. Ich kann es auch irgendwo verstecken. Möglichst weit weg. In einer Schublade zuoberst zuhinterst. Dort bleibt es, bis wieder Zeit ist dafür. Oder bis ich mit mir allein bin. Ich kann es auch gut rational betrachten. Immerhin gibt es wissenschaftliche Belege. Ich könnte also durchaus beruhigt sein.
Aber nein, mir ist angst. Da gibt es einen kleinen schwarzen Punkt. Man sieht ihn kaum. Doch ich spüre ihn. Er bringt mein Leben durcheinander. Dieser kleine Punkt in meinem Hirn. Er bringt mich aus dem Gleichgewicht. Mehr, als ich will. Mein Wille ist da nicht gefragt. Nur mein Vertrauen. Ich buchstabiere: Sei mir gnädig. Doch ich weiss nicht, was jetzt «gnädig» heisst. Dass meine Angst verschwindet? Dass dieser Punkt verschwindet? Dass dieser Punkt nicht grösser wird? Dass dieser Punkt nicht mein Leben bestimmt?
Sei mir gnädig, denn mir ist angst! Ich versuche es heute einmal so:
«Bitte lass mich die Freude nicht verlieren. Und bitte auch
nicht die Dankbarkeit. Vielleicht hast du noch etwas Weite
für mich. Und ein neues Gleichgewicht.»

Ja, ich glaube, so könnte es gehen.

von: Ruth Näf Bernhard

1. Dezember

Siehe, ich will mein Volk schmelzen und prüfen. Jeremia 9,6

Es gibt Prüfungen, auf die man sich vorbereiten kann. Oder sich vorbereiten muss. Weil sie angekündigt werden. Ort, Zeitpunkt und Dauer sind bekannt. Man lernt darauf und besteht sie. Oder man lernt nicht darauf und besteht sie nicht. Oder man lernt darauf und besteht sie trotzdem nicht. Oder man lernt nicht darauf und besteht sie trotzdem.

Es gibt Prüfungen, auf die man sich nicht vorbereiten kann. Erst während der Prüfung realisiert man, dass man geprüft wird. Erst während der Prüfung beginnt man zu lernen. Erst während der Prüfung beginnt man zu verstehen, was damit vielleicht gemeint sein könnte. Was daraus vielleicht gelernt werden müsste. Was wir für unser Leben lernen sollten. Was uns das Leben lehren will. Oder was Gott uns vielleicht sagen möchte.

Wir werden geprüft. Von Zeit zu Zeit. Plötzlich stecken wir mittendrin. Wir wissen nicht, wie lange es dauert. Auch nicht, ob wir schliesslich bestehen werden. Nicht einmal, ob wir bestehen müssen. Vielleicht genügt es bereits, geprüft zu werden. Sich nicht dagegen zu wehren. Sich durch diese Prüfung verändern zu lassen. Und sie nicht als Strafe Gottes zu sehen. Um Gottes willen, nein! Auf den ersten Blick wäre das zwar einfach. Mit Blick auf Gott aber allzu einfach.

von: Ruth Näf Bernhard

30. November

Euch, die ihr meinen Namen fürchtet, soll aufgehen die Sonne der Gerechtigkeit und Heil unter ihren Flügeln. Maleachi 3,20

Die Sonne der Gerechtigkeit wärmt und verheisst Geborgenheit unter ihren Flügeln, macht heil, was zerbrochen ist. Doch noch leuchtet sie nicht. Das Unrecht des Stärkeren setzt sich durch. Gerissenheit wird belohnt. «Es scheint vergeblich, Gott zu dienen.» (Maleachi 3,14) Die Erfahrung, dass unter die Räder kommt, wer sich dem Frieden und der Versöhnung verschreibt, wendet der biblische Text ins Versprechen, dass Gott nicht vergisst. Und wenn er die Sonne der Gerechtigkeit dann eines Tages aufgehen lässt, wärmt und schützt sie nicht nur die Gerechten, sie versengt auch das Unrecht. Die Unterjochten, die Gott die Treue halten, werden zu Gerichtsvollziehern der Gerechtigkeit: «Und ihr werdet die Ungerechten zertreten, ja sie werden Staub sein unter euren Fusssohlen.» (Maleachi 3,21)
Wird der Begriff der «Ungerechten» nicht auf einzelne Menschen, sondern auf ungerechte Zustände bezogen, erhält die Stelle Aktualität und Brisanz. Mehr noch: Sie wird zur Aufforderung, gegen Ideologien, deren toxischer Kern sich oft
zuerst in einer menschenverachtenden Sprache zeigt, aufzustehen. Die Bibel erzählt davon und nährt die Hoffnung, dass es möglich ist, die Macht der Gewalt zu durchbrechen und Ideologien zu Staub zu zertreten.

von: Felix Reich

29. November

Jesus sprach zu den Zwölfen:
Wollt ihr auch weggehen? Johannes 6,67

Im Taufgespräch verkünden die Eltern, sie schämten sich, ihren Sohn zu taufen. Ihre Bekannten und Freunde verstünden diese Entscheidung nicht. Im Traugespräch wünscht sich die Braut nichts sehnlicher, als von ihrem Vater zum Altar geführt und dort ihrem zukünftigen Mann in die Hand gegeben zu werden. Im Trauergespräch verkünden die Angehörigen, sie bräuchten keine Predigt und keine Gebete – nur einen Lebenslauf, den sie selbst vortragen. Ab und zu ist es schwierig, zu bleiben. Im Johannesevangelium fragt Jesus ohne Umschweife: «Wollt ihr auch weggehen?» Die Direktheit dieser Frage ist für mich ein Grund zu bleiben. Glauben, im möglichen Zweifel am Glauben, ist Hoffnung.

«Herr, wohin sollen wir denn gehen?», fragt Petrus nach. Er weiss, dass es anderswo oder bei jemand anderem ja sowieso nicht besser werden kann. «Du hast Worte des ewigen Lebens.» Davon will Petrus mehr. Und ich auch. Dazu gehört die Zumutung des Bleibens. Das kann ja manchmal eine Provokation sein. Nicht weglaufen, sondern mich stellen. Dem Ärger, den jemand hat. Vielleicht auch auf mich. Den Sorgen und Ängsten. Auch den Vorurteilen und Vorwürfen. Und dann offen sein und darauf vertrauen, dass uns zur rechten Zeit das rechte Wort zufällt.

von: Chatrina Gaudenz und Lars Syring

28. November

Wenn dein Wort offenbar wird, so erleuchtet
es und macht klug die Unverständigen. Psalm 119,130

Auf dem Weg zum ersten Advent. So fühle ich mich heute beim Lesen der Losung. Und die alttestamentlichen Worte klingen in meinen christlichen Ohren. Ich weiss, dass ich sie in einen neuen Rahmen lege, und doch klingen sie dort wie eine Ankündigung dessen, der kommt. Wie ein Hinweis auf das Licht der Welt, erst klein und dann immer grösser werdend. Wie ein Hinweis auf das Wort Gottes, das Fleisch wird, menschlich, wie du und ich.

Ein langer Weg. Ein langer Psalm, der von der Herrlichkeit, dem Glanz des Wortes Gottes singt. In 176 Versen wird das Wort Gottes besungen, die Gesetze gelobt, die Gebote gepriesen und die Ordnungen von Gottes Gerechtigkeit als der Weg, der zu gehen ist, beschrieben: Dein Wort ist meines Fusses Leuchte und ein Licht auf meinem Wege.

Am Ende des Weges sind wir noch lange nicht angelangt, denn heute ist erst Dienstag und nicht das Ende aller Tage. Noch gibt es Dunkelheit und Unverständnis. Manchmal
kommt es mir vor, als sei beides noch dichter als je zuvor. Noch warten wir und haben doch schon die Hoffnung des Lichtes vor Augen und eine leise Melodie in den Ohren: Wenn dein Wort offenbar wird, so erleuchtet es und macht klug die Unverständigen.

von: Sigrun Welke-Holtmann

27. November

Ihr habt Christus nicht so kennengelernt. Epheser 4,20

Wie? Wie habe ich Christus nicht kennengelernt? Das frage ich mich beim Lesen des Lehrtextes des Tages. Und – wie habe ich ihn überhaupt kennengelernt? Denn das ist ja die grundsätzlichere Frage. Wie kann ich jemanden kennenlernen, der schon ziemlich lange nicht mehr lebt? Also leiblich lebt. Ich habe ihn in Geschichten kennengelernt. In Erzählungen und Gleichnissen, in Worten, die allmählich zu Bildern geworden sind und die aus einem Unbekannten eine vertraute Gestalt gemacht haben, ohne dass ich diese je zu Gesicht bekommen hätte. Eine Lichtgestalt, die mein Leben verändert hat, in ein neues Licht getaucht und mich mit einer neuen Wärme energetisiert hat.
Hat dieses Kennenlernen einen neuen Menschen aus mir gemacht? Einen, um den Paulus im Epheserbrief so ringt? Bin ich wahrhaftig in der Liebe und wachse in allen Stücken zu Christus hin? Das weiss ich nicht. Aber was ich weiss, ist, dass diese Liebe
mich verändert hat und mir jeden Tag die Chance gibt, mich weiter zu verändern, zu wachsen. Manchmal im Wildwuchs und manchmal auch im Negativ-Wachstum. Manchmal nach innen und nach aussen, nach oben und nach unten. Manchmal gemeinsam mit anderen und auch wieder allein. Nicht immer in Gewissheit,
aber meist in der Hoffnung, dass diese Liebe, diese Kraft in und mit mir lebt.
So habe ich Christus kennengelernt.

von: Sigrun Welke-Holtmann

26. November

Der HERR ist gütig und eine Feste zur Zeit der Not und kennt, die auf ihn trauen. Nahum 1,7

Burgen haben mich als Kind sehr fasziniert. Bei Ausflügen mit meiner Familie zu verlassenen Burgruinen stellten wir Kinder uns das Leben der Ritter und Burgfräulein vor. Was für eine spannende Zeit! «Ein feste Burg ist unser Gott» dichtete Martin Luther, als Burgen noch eine sehr reale Verteidigungs- und Schutzfunktion hatten. Auf der Wartburg hatte ihn sein Kurfürst vor den Nachstellungen des Kaisers in Sicherheit gebracht. Heute geben Versicherungen vor, uns vor allen möglichen Gefahren zu beschützen. Sie verdienen an unserer Furcht: Denn wir wissen, unser Leben ist fragil und zerbrechlich.

Was schützt mich? Was ist für mich eine Feste in der Zeit der Not? Oft sind es Menschen, die mir ein offenes Ohr schenken. Jemand, dem ich meine Unsicherheiten anvertrauen kann. Manchmal ist es ein Ort, an dem ich zu mir selbst finde. Das kann mein Garten sein oder eine Bank auf meinem Lieblingsspaziergang. Dann merke ich: Zuversicht, Stärke und Hilfe liegen nicht im Aussen.
Der Prophet Nahum weist über unsere irdischen Erfahrungen hinaus. Der Name Nahum bedeutet schon «Tröster». Kann ich mich seiner Tröstung stellen? Auf Gott zu vertrauen, ist in Zeiten der Not ein echtes Wagnis. Mich einlassen auf diese einzigartige Liebesgeschichte…

von: Barbara Heyse-Holtmann

25. November

Seid Täter des Worts und nicht Hörer allein;
sonst betrügt ihr euch selbst. Jakobus 1,22

Wenn wir – zum Beispiel –
die Bergpredigt hören,
ist es die reine Überforderung!
Niemand kann das alles umsetzen.
Es ist schlicht eine Zumutung.
Der Rabbi aus Nazareth allerdings
mutet uns genau dies zu.

Nicht weil er uns auf Leistung
trimmen will, sondern weil er
uns ermutigt, mitzuwirken
an einer heileren Welt.
Wir sind eben nicht nur
Empfängerinnen und Empfänger
göttlicher Gnade,
sondern – ganz bescheiden
und höchst unvollkommen –
Beteiligte, Mitwerkelnde
an dem, was Glaubende
das Reich Gottes nennen.
Dieses Reich ist nämlich
eine Kooperative: Es braucht
uns alle, um zu versuchen,
das zu tun, was gut ist.
Für uns und für die ganze Welt.

von: Heidi Berner

24. November

Gott wird bei ihnen wohnen, und sie werden seine Völker sein, und er selbst, Gott mit ihnen, wird ihr Gott sein; und Gott wird abwischen alle Tränen von ihren Augen. Offenbarung 21,3–4

Manchmal sind sie auf Plakaten, die Tränen.
Am wirkungsvollsten auf einem Kindergesicht.
Denn wir sind darauf programmiert,
Tränen abzuwischen, Not zu lindern,
insbesondere bei Kindern.
Auf den Plakaten aber ist es oft nur
eine billige Masche, um an Geld zu kommen.

Am 8. September bebte die Erde in Marokko,
Häuser stürzten ein, viele Menschen starben.
Ein Zeitungsbild zeigt einige Frauen und Kinder
auf Wolldecken, inmitten von Trümmern.
Die Frauen sitzen da, mit gesenktem Kopf, apathisch.
Ein kleines Mädchen in der Mitte aber
blickt fröhlich zu zwei anderen Kindern hin.
Ich staune. Es hätte allen Grund zum Weinen.
Doch es lächelt.
Das Bild scheint nicht gestellt, ist keine Masche.
Es ist eine irritierende Momentaufnahme
voller Hoffnung in unvorstellbar grosser Not.
Diese Kinder wirken so lebendig und so stark.
Mag sein, dass sie später ihren Müttern, Vätern
die Tränen von den Augen wischen werden.

von: Heidi Berner