Ich habe den HERRN allezeit vor Augen. Psalm 16,8

Erst auf einen zweiten Blick fällt auf, dass es sich bei diesem
Jubelpsalm um den Dank eines Menschen handelt, der
unter dem schweren Vorwurf stand, vom Glauben abgefallen
zu sein und der gar von einem Todesurteil bedroht war
(Vers 10). Weil er seinen Gott «allezeit» vor Augen hat und
hatte und weil dieser Gott ihn nicht im Stich liess («mir zur
Rechten steht», Vers 8b), steht er heute wieder aufrecht
da. Und kann er seinen Gott loben und ihm dankbar sein.
Er muss erfahren haben, dass sein Leben und sein Schicksal
(sein «Los», Vers 5) nicht mehr in seiner Hand lagen, dass
er also dem Urteil anderer ausgeliefert war. Aber da habe er,
so bekennt er, gespürt, wie dieses «Los» in Gottes Händen
lag. Wie er darauf vertrauen musste und durfte, dass Gott
ihn nicht aus seinen Händen fallen lässt. Auch wenn es zum
Glück nicht immer gleich um Weiterleben oder Sterben
geht, ist mir die Erfahrung sehr bekannt, dass plötzlich eine
Situation eintreten kann, in der ich nicht mehr selbst über
meine Zukunft entscheiden kann. In der ich auf die Hilfe von
Gott und seinen Schutz existentiell angewiesen bin. Als sie
dann kam, habe ich im Gebet «Danke» gesagt. Aber laut
und gar in einer gewissen Öffentlichkeit, wie es der Psalmsänger
hier tut, machte ich dies kaum je. Für ein nächstes Mal
nehme ich mir die Abwandlung eines bekannten Bonmots
vor: «Erfahre Gutes und rede davon!» Gott laut danken
und seine/ihre Güte preisen (Vers 7) – das sollten wir tun …

Von: Hans Strub