Fürchte dich nicht, du kleine Herde! Denn es hat eurem
Vater wohlgefallen, euch das Reich zu geben. Lukas 12,32

Einer meiner Lieblingsverse aus dem Evangelium … Vielleicht,
weil ich in meiner Familie zu den «Kleinen» zählte?
Meine Mutter kam auf die grandiose Idee, ihre vier Jungs in
Zweierteams zu gruppieren. Vielleicht, weil sie auf das Prinzip
«teile und herrsche» hoffte? Auf jeden Fall musste ich
als Zweitjüngster mit dem Trauma fertigwerden, nicht zu
den Grossen zu gehören. Wir Kleinen durften gewisse Filme
nicht schauen, hatten weniger Sackgeld und waren von
hochattraktiven väterlichen Aktivitäten (Herbstwettkampf
des Unteroffiziersvereins Tösstal!) ausgeschlossen. Natürlich
wiegen diese kleinen Benachteiligungen nichts gegen die
grossen Ungerechtigkeiten, unter denen verfolgte Minderheiten
leiden. Aber es sind die harmlosen Verletzungen und
Minitraumata, die uns für grössere Not sensibel machen.
Hätten wir nie ein Unrecht erlitten, wären wir nicht der
Empathie fähig. Das Evangelium sagt noch etwas anderes,
Radikaleres. Es kehrt den Spiess um. Wer jetzt unten durch
muss, kommt einmal hoch hinaus; wer jetzt den Kürzeren
zieht, wird in Zukunft zu den Siegern gehören. Was immer
dazu führt, mich jetzt zu den Benachteiligten zu zählen, wird
einmal keine Bedeutung mehr haben. Das ist grossartig für
die Kleinen und eine bittere Pille für grosse Tiere. Es würde
allen besser gehen, wenn sie diese schon jetzt schlucken.

Von: Ralph Kunz