Autor: Carsten Marx

16. Februar

Ich rief zu dem HERRN in meiner Angst,
und er antwortete mir.
Jona 2,3

In Jona begegnet uns ein Mensch, der zu sich selbst findet;
der sich bewusst wird, was seine Aufgabe im Leben ist; der
erkennt, dass man Gottes Weg mit uns Menschen nicht
durchkreuzen kann. Jona bekommt von Gott eine Aufgabe
gestellt, der er sich einfach nicht gewachsen fühlt. Der Ausweg,
den er für sich findet, heisst Flucht. So weit weg wie
möglich fliehen – bis ans Ende der damals bekannten Welt.
Jona kommt mir sehr nahe. Denn ich kann nachfühlen,
wie er sich fühlen musste. Auch heute gibt es Aufgaben,
denen man am liebsten aus dem Weg gehen möchte; die
unbequem sind; die einen herausfordern und die einen vielleicht
an den Rand der eigenen Kräfte bringen. Ruhe- und
Auszeiten wären ratsam.
Jona wird eine Zeit der Ruhe geschenkt. Drei Tage und drei
Nächte verbringt er im Bauch eines Fisches. Jona ist für sich
allein mit seinen Gedanken. Er kann in Ruhe nachdenken
und Kräfte sammeln. Heutzutage gehen manche Menschen
dafür in ein Kloster. Weit weg von der Schnelllebigkeit und
Hektik der Welt. Weit weg von Handy und anderen technischen
Geräten. Gott stellt Menschen vor Herausforderungen.
Aber er gibt ihnen auch die Kraft, sie zu meistern und
ihren Weg zu gehen. Ich nehme mir jetzt erst einmal die Zeit
und hole meine alte Kinderbibel hervor. Das Bild von Jona
im Walfisch ist mir seit Kindergottesdienstzeiten vertraut.
Ich gönne mir Lesezeit.

Von: Carsten Marx

15. Februar

Ich werde an diesem Volk weiterhin wundersam
handeln, wundersam und überraschend, und die
Weisheit seiner Weisen wird zunichte werden, und der
Verstand seiner Verständigen wird sich verstecken.

Jesaja 29,14

Alles wird gut! – Kürzer und einfacher könnte man die Botschaft
wohl nicht zusammenfassen, die der Prophet Jesaja
hier an sein Volk Israel richtet.
Alles wird gut! Geht das so schnell und einfach? Die Forscher
sind sich zwar nicht ganz einig, aus welcher Zeit dieser
Vers genau stammt, aber so viel ist klar: Das Volk Israel macht
gerade eine Epoche der Unterdrückung durch. Vermutlich
ist es die Zeit, als die Assyrer Israel beherrschten und unterdrückten.
Es ist also eine brutale und zu tiefsten Depressionen
Anlass gebende Zeit.
Trotzdem erinnert Jesaja uns an den Kern des biblischen
Glaubens: Gott gibt uns nicht auf; er gibt nichts und niemanden
verloren – auch wenn es manchmal danach aussehen
mag. Gott mag sich eine Zeitlang auch einmal verbergen,
aber er ist trotzdem immer da. Er hat sein Volk Israel angenommen
und sein unwiderrufliches Ja zu ihm gesprochen.
Gott handelt wundersam an seinem Volk – manchmal verborgen
– dann wieder gibt er sich zu erkennen. Wir hören
das rauf und runter im Alten Testament und auch im Neuen
Testament – denken wir nur an die Geschichte dessen, nach
dem wir uns nennen: an die Geschichte Jesu Christi.

Von: Carsten Marx

16. Dezember

HERR, du erforschest mich und kennest mich. Ich sitze oder stehe auf, so weisst du es; du verstehst meine Gedanken von ferne.       Psalm 139,1–2

Nicht nur wir Christinnen und Christen fragen aktuell immer wieder, wo wir noch Halt finden, Zuversicht schöpfen, Kraft tanken können. Dahinter verbirgt sich für mich die Frage nach Gott. Für den Psalmbeter ist und bleibt es unbestritten: Gott ist da. Eine Geschichte macht dies wunderbar deutlich: Ein Schüler fragte seinen Meister: «Wie kann ich erfahren, dass Gott hier ist? Wie kann ich sicher sein, dass er mich nicht verlassen hat?» Wortlos drehte sich der Meister um, füllte ein weites Gefäss mit Wasser und gab eine gute Prise Salz dazu; nach einer Weile bat er: «Nun hol mir das Salz, das ich hier hineingetan habe, wieder heraus.» Verständlicherweise war dies dem Schüler nicht möglich, denn das Salz hatte sich bereits aufgelöst.

«Nun, so koste vom Wasser am Rand der Schüssel, wie schmeckt es?» «Salzig», entgegnete der Schüler. «Probiere nun aus der Mitte, wie schmeckt es?»

«Meister, es ist salzig, wie der andere Schluck zuvor.» «Und nun probiere einen Schluck vom Grund.» Der Schüler tat wie ihm gesagt und es war, Sie werden es nicht glauben – salzig.

«Verstehst du nun», sagte der Meister, «so wie mit dem Salz verhält es sich mit Gott in unserem Leben: unsichtbar und doch überall.»

Mit dieser alten Geschichte gehe ich hoffnungsvoll und voller Erwartungen durch den Advent.

Von Carsten Marx

15. Dezember

Siehe, wie fein und lieblich ist’s, wenn Brüder  einträchtig beieinander wohnen! Denn dort verheisst der HERR Segen und Leben bis in Ewigkeit.                                          Psalm 133,1.3

«Teilen, teilen, das macht Spass, wenn man teilt, hat jeder was!» – mit diesem Spruch kamen unsere beiden jüngsten Töchter aus dem Kindergarten nach Hause. Wie oft haben sie mit diesem Spruch ihren Znüni ganz brav geteilt.

Es ist Advent. Wir sitzen in diesen dunklen Dezembertagen wieder an einem Tisch zusammen, lesen gemeinsam Adventsgeschichten, zünden die Kerzen am Adventskranz an, singen die vertrauten Lieder und teilen das Adventsgebäck. Wir denken darüber nach, wie wir Eltern früher Advent gefeiert haben, wann der erste Schnee fiel und wie es ist oder sein könnte, wenn alle Menschen auf der Welt miteinander teilen würden.

Bei  uns  im  Burgenland  gibt  es  im  Advent  (ab dem Dezember) die katholische Tradition der Herbergssuche. Der Brauch erinnert an die einst erfolglose Quartiersuche von Maria und Josef in Bethlehem. Zunächst stutzte ich über diese Tradition. Dennoch finde ich sie bereichernd. Man besucht in der Adventszeit hauptsächlich die nächsten Nachbarn, erkundigt sich, wie es ihnen geht, teilt mit ihnen ein mitgebrachtes Adventsgebäck und hält Gemeinschaft. Wie wunderbar ist es, wenn wir zusammensitzen. Mitten in der dunklen Dezemberzeit ist das ein Segen: das Teilen, das Leben mit den Nächsten in der Nachbarschaft.

Von Carsten Marx

16. Oktober

Du sollst das Recht nicht beugen und sollst auch die Person nicht ansehen und keine Geschenke nehmen. Denn Geschenke machen die Weisen blind und verdrehen die Sache der Gerechten. 5. Mose 16,19

Na bumm! Was für eine Miesmacherei? Darf ich mir denn nichts mehr leisten? Muss ich denn auf alles verzichten? So höre ich schon die Stimmen im Hintergrund. Wer es sich leisten kann, leistet sich alles – alles Mögliche und Unmögliche. Alles nur eine Preisfrage, oder wie der Volksmund spricht:
«Geld regiert die Welt.»
Stopp! Es geht nicht darum, auf alles zu verzichten, alles aufzugeben. Es geht darum, nicht gierig zu werden und das Recht einzuhalten. Wer Gott und seine Gebote vergisst, der vergisst auch schnell seine Nächsten.

Für mich ist die heutige Losung ein Ordnungsruf. Oft genug erkenne ich keine Grenze mehr zwischen Recht und Unrecht oder Wahrheit und Lüge. Im Zusammenleben mit anderen Menschen brauchen wir Regeln. Regeln engen nicht ein. Regeln geben der Freiheit einen Raum. Ich brauche Regeln als Angebot und Orientierung für ein gelingendes Miteinander im Leben. Für mich sind diese Regeln die Gebote Gottes. Jesus von Nazaret hat im Neuen Testament die Gebote auf einen kurzen Nenner gebracht: «Du sollst den Herrn, deinen Gott, lieben von ganzem Herzen, von ganzer Seele und von ganzem Gemüt. Dies ist das höchste und grösste Gebot.»

Von Carsten Marx

15. Oktober

Ich will auf den HERRN schauen und harren auf den Gott meines Heils; mein Gott wird mich erhören. Micha 7,7

Heute bekommen wir eine wunderbare Zusage geschenkt! Wir werden nicht auf unsere Fehler reduziert, auf das, was wir nicht geschafft haben. Wir dürfen aufatmen. Wir bekommen neue Hoffnung und die Kraft, neu zu beginnen.
Wir gehen zwar manchmal verloren, verlieren den Ko takt zu uns selbst oder zu anderen Menschen, wir verlieren uns in Sorgen oder im Alltag, aber – so die Botschaft des heutigen Tages – diese Verlorenheit wird nicht für immer andauern. Gott geht uns nach, und er findet uns; Gott wird mich erhören.
Darauf dürfen wir auf der Spur des Propheten Micha und auf der Spur Jesu von Nazaret hoffen und uns ermutigen lassen, es weiter mit dem Leben aufzunehmen, gerade auch dann, wenn ich Menschen ganz real etwas an Fürsorge und Zuwendung schuldig geblieben bin und nichts mehr zu ändern ist. Ich kann es weiter mit dem Leben aufnehmen, wenn ich bei allem Einsatz für Gerechtigkeit, Frieden und Bewahrung der Schöpfung merke, dass ich selbst weit hinter den Zielen zurückbleibe, obwohl mir die notwendige Umkehr längst völlig klar ist. Was hätte ich nicht schon alles tun müssen?
Wenn wir uns – dem allem zum Trotz – dem barmherzigen Gott anvertrauen, dann erwächst Hoffnung. Eine Hoffnung im Blick auf mich selbst und auch im Blick auf die politische Realität in der Nähe und in der Ferne.

Von Carsten Marx

16. August

Man zündet auch nicht ein Licht an und setzt es unter einen Scheffel, sondern auf einen  Leuchter; so leuchtet es allen, die im Hause sind.         Matthäus 5,15

Licht, Leuchten, Leuchtfeuer. Ich wohne mit meiner Familie seit vielen Jahren für einige Wochen als Urlaubsseelsorger neben dem alten Leuchtturm auf der Nordseeinsel Wangerooge – auch heute, am 16. August. Früher diente dieser alte Leuchtturm als Seezeichen. Durch sein Lichtsignal wies er den Seeleuten auf den Schiffen ihren Weg. Die Lichtsignale ermöglichten die Navigation und das Umfahren gefährlicher Stellen im Gewässer. Die Seeleute waren angewiesen auf solche Zeichen, die in bedrohlichen Situationen Rettung bedeuten konnten.

Ohne Licht kann kein Mensch leben, ohne Licht wächst keine Pflanze, gedeiht keine Blume. Licht brauchen wir, wie die Luft zum Atmen. Ohne Licht kein Leben, ohne Licht ist nur Finsternis.

Ein Leuchtturm steht auf einem erhobenen Platz. Je höher der Leuchtturm, desto weiter reicht sein Licht, desto mehr Seeleute können es wahrnehmen.

Es gibt Menschen, die verbergen ihre Lichter und Leuchtfeuer. Sie sind vielleicht zu bescheiden oder erkennen nicht, dass sie Licht bedeuten für ihre Umgebung, so, wie sie sind. Der Blick aus der Urlaubsseelsorger-Wohnung sagt mir: Wir brauchen Lichtträger mit ganz viel Glauben, Liebe und Hoffnung. Wir brauchen Lichtträger dringender denn je.

Von Carsten Marx

15. August

Man singt mit Freuden vom Sieg in den Hütten der Gerechten: Die Rechte des HERRN ist  erhöht; die Rechte des HERRN behält den Sieg!      Psalm 118,15.16

Hört Gott mein Gebet? Diese Frage stellt sich wohl jeder betende Mensch irgendwann einmal. Diese Frage ist akut. Gebetet wird viel auf der Welt. Als Dank. Als Klage. Als Lob. Als Bitte. Aus Verzweiflung. Aus Glück. Für andere. Für mich. Mit Worten. Mit Gesang. Im Schweigen. Doch hört uns jemand zu, wenn wir beten? Und: Werden unsere Gebete auch erhört?

Im Psalm 118 kommt uns ein grosser Optimismus entgegen. Ich nenne es Hoffnung. Ja, Gott hört uns, sagt der Psalm. Und nicht nur das: Gott greift sogar zu unseren Gunsten ein. Gott rettet. Aus Not und Dunkelheit befreit Gott.

Im Leben gibt es nicht nur schöne Tage. Wir erfahren Widerstand. Für viele Menschen ist das Leben oftmals ein regelrechter Kampf. Dennoch: Gott rettet. Gott hilft. Und wir können von dieser Hilfe und Rettung singen. Hier im Psalm hat das jemand erfahren, und wir können versuchen, dieser Glaubens- und Gotteserfahrung zu vertrauen. Da ist jemand, der seinen Glauben, seinen Gott genau so versteht, dass er unser Gebet hört, dass Gott uns erhört. Wir brauchen dieses Gefühl gerade in Krisenzeiten.

Von Carsten Marx

16. Juni

Darum sollt ihr nicht sorgen und sagen: Was werden wir essen? Was werden wir trinken? Womit werden wir uns kleiden? Denn euer himmlischer Vater weiss, dass ihr all dessen bedürft.      Matthäus 6,31.32

Wenn Jesus vom «sorgen» redet, dann meint er damit, dass sich Menschen abhängig machen und dadurch unfrei werden. Ein sich stets sorgender Mensch ist in sich gekehrt und kreist um sich selbst, sieht nicht, was um ihn herum geschieht. Jesu Forderung, sich keine Sorgen zu machen, gründet in dem Vertrauen auf Gott, der wie ein Vater für seine Kinder sorgt und ihnen das zum Leben schenkt, was sie brauchen.

Gott sorgt für Essen, Trinken und Kleidung. Gott sorgt dafür, dass die Grundbedürfnisse unseres menschlichen Lebens gestillt werden. Diese Zusage und Fürsorge galt nicht nur den Hörenden von damals vor gut 2000 Jahren. Sie gilt und betrifft uns auch heute noch. Auch wenn sich der Inhalt der Sorgen immer wieder verändert haben mag, so ist die Tatsache, dass sich Menschen Sorgen machen und Menschen Sorgen haben, geblieben.

Der heutige Lehrtext will uns Mut machen, dass wir uns einsetzen gegen unsere Sorgen, dass wir uns nicht erdrücken lassen. Suchen wir nach Gottes Reich und seiner Gerechtigkeit.

Von Carsten Marx

15. Juni

Der HERR behüte deinen Ausgang und Eingang von nun an bis in Ewigkeit!                                 Psalm 121,8

Ich bete ihn gern, diesen Psalm. Viele Erlebnisse im Zusammenhang mit Leben und Sterben sind für mich untrennbar mit ihm verbunden. Im Laufe meiner Dienstjahre als Pfarrer kann ich ihn auswendig beten. Das hilft an einem Krankenbett, wenn mir gleichzeitig verschiedenste Gedanken durch den Kopf gehen. Ausgang und Eingang, Ende und Anfang des Lebens – und die vielen Jahre dazwischen. Immer wenn ich auf Friedhöfen zu Beerdigungen unterwegs bin, gehen mir diese Gedanken durch den Kopf.

Wir Menschen sind die einzigen Lebewesen, die wissen, dass wir sterben müssen. Aber wir glauben es nicht. Wir denken nicht daran, dass unser Leben begrenzt ist. Oft genug leben wir so, als hätten wir unendlich viel Zeit. Zeit mit einem geliebten Menschen, Zeit, um Freundschaften zu pflegen, unendlich viel Zeit, etwas Neues zu beginnen. Dennoch: Alles hat seinen Ausgang und Eingang, seinen Anfang und sein Ende.

Der heutige Losungsvers schenkt mir unendliches Vertrauen. Ich darf Gott vertrauen. Er ist bei mir. Er verlässt mich nicht. Er behütet mich. Am Ausgang und Eingang und darüber hinaus und mittendrin. Das passt wunderbar.

Von Carsten Marx