Autor: Carsten Marx

16. Juni

Wir wollen die Versammlung der Gemeinde
nicht verlassen, wie es bei einigen üblich geworden ist,
sondern einander mit Zuspruch beistehen.

Hebräer 10,25


Warum bin ich in der Kirche? Der Hauptgrund, warum ich
in der Kirche bin, ist Sehnsucht nach Spiritualität. Meine
Seele braucht Nahrung, die ich mir nicht selbst geben kann.
Gedanken und Symbole. Wort und Abendmahl. Rituale und
Predigt. Nahrung, die beide Hirnhälften anspricht. Die linke,
die mehr für das Fühlen, und die rechte, die für das Nachdenken
zuständig ist.
Gemeinde, Kirche, das ist für mich: das Wort von Gott,
das Herz und Hirn trifft, die segnende Hand, die Hoffnungsträgertasche
mit Lebensmitteln für Bedürftige von der Diakonie,
die vielen ehrenamtlich Mitarbeitenden in meiner
Kirchgemeinde, die Pfarrpersonen – das heisst die Kolleginnen
und Kollegen, die fast rund um die Uhr im Einsatz für
die Menschen sind. Es ist wunderbar, dass sich meine Kirche,
meine Gemeinde engagiert, für andere da ist und öffentlich
Partei ergreift.
Kirche ist nicht nur eine einzelne Gemeinde. Man kann
suchen, ausprobieren, auswählen, finden, auch im Netz auf
Facebook und Instagram.
Mir ist meine Gemeinde, meine Kirche ans Herz gewachsen
und ich bin zu einem Teil von ihr geworden.

Von: Carsten Marx

15. Juni

Der Geist selbst gibt Zeugnis unserm Geist,
dass wir Gottes Kinder sind.
Römer 8,16


Was treibt uns an? Das Gute! Die Neugierde! Der Ehrgeiz!
Die Verantwortung? Die Gier? Die Liebe? Der Mut? Die
Angst? Der Erfolg? Das Geld? Gott?
In den letzten Jahren hat uns das Virus getrieben: Lockdowns,
Maske, Abstand, Hygiene. Die Wissenschaft wurde
angetrieben, innerhalb kürzester Zeit einen Impfstoff zu
entwickeln. Es grenzt an ein Wunder, dass ihr das gelang.
Hoffnung keimte auf.
Der Geist Gottes, von dem der Apostel Paulus in unserem
heutigen Lehrtext spricht, ist kein Sklaventreiber. Zu unserem
Alltagsstress will er uns nicht noch zusätzlichen Stress
machen. Diejenigen, die von Gottes Geist erfüllt sind, die
Gott Raum geben, sind Gottes Kinder.
Der Geist Gottes ist die Energiequelle. Er ist der Treibstoff,
nicht der Antreiber!
Wir sind Gottes Kinder. Mich beruhigt dieser Satz. Ich darf
im Schutzraum Gottes leben. Gott hat seinen Heiligen Geist
in unsere Welt gegeben, der uns zum Glauben befähigt. Er
ist die Kraft Gottes, die in und unter uns wirkt, und ich darf
ein Kind Gottes sein. Darüber freue ich mich. Ich darf die
Schöpfung
Gottes betrachten: den Apfel, den Baum, die
Erde, das Wasser. Schritt für Schritt erkenne ich das grosse
Geheimnis: Gott Vater, Sohn und Heiliger Geist – das ist
eine Familie.

Von: Carsten Marx

16. April

Erhebet den HERRN, unsern Gott, betet an vor
dem Schemel seiner Füsse; denn er ist heilig. Psalm 99,5

Was ist Ihnen, was ist dir heilig? Ist es das Auto, das Eigenheim
oder der Lieblingssportverein? Auf das, was uns heilig
ist, lassen wir nichts kommen. Das ist uns das Wichtigste
und gibt uns den Takt vor. Jedoch genau hier setzt unser
Losungswort ein. Nur Gott verdient es, heilig genannt und
anerkannt zu werden. Nur Gott ist unüberbietbar. Er ist das
Mass aller Dinge.
Was mich in unserem Losungswort besonders anspricht:
Es ist «unser Gott». «Unser Gott», das ist der, der Abraham
berufen hat, ein Segen für alle Völker zu sein. Das ist der, der
das Volk Israel geduldig durch die Wüste führte bis hinein in
das Land, das er ihm versprochen hat. «Unser Gott», das ist
der, der uns in Jesus Christus ganz nahe gekommen ist, der
unser Leben geteilt und den Tod erlitten hat. Das ist «unser
Gott». Wer ihn kennt und ehrt, ist gut dran.
Es tut gut, wenn ich zu Gott kommen darf. Es tut gut, wenn
ich zu ihm beten darf. Ich kann mein Herz ausschütten.
Im Gebet kann ich mich mit Gott verbinden. Er ist immer
online.
Gott hat uns Menschen einzigartig gemacht und wir können
einen Abdruck seiner Liebe in der Welt hinterlassen. Gehen
wir im Vertrauen auf seine prägende Kraft in diesen Tag. «Gott
loben, das ist unser Amt», so, wie es der Liederdichter David
Denicke im Jahr 1648 auf den Punkt gebracht hat.

Von: Carsten Marx

15. April

Gott ist weise und mächtig; wer stellte sich ihm
entgegen und blieb unversehrt? Hiob 9,4

«Womit habe ich das verdient?» Angesichts einer schweren
Krankheit oder anderer Schicksalsschläge fragt sich das
heute so mancher. Menschen erreicht plötzlich eine Hiobsbotschaft:
die Diagnose Krebs, die plötzliche Arbeitslosigkeit
oder der Tod eines lieben Menschen.
«Womit habe ich das verdient?» Diese Frage stellt auch
Hiob in der Bibel. Hiob hat gelernt und gelehrt: So, wie ich
handle, so wird Gott mich auch behandeln: belohnen oder
bestrafen. Als ihn dann Schicksalsschläge treffen, erforscht
Hiob sein Leben und zermartert sich das Hirn. Er findet
nichts. Ist Gott doch ungerecht? Hiob ist nahe am Verzweifeln.
Was hat er falsch gemacht? Auch wenn er diese Frage
nicht für sich selbst beantworten kann, er gibt nicht auf.
Hiob erkennt: Ich habe in all dem Leid noch einen, an den
ich mich wenden kann. Ich begreife nicht, wieso. Ich verstehe
Gott und seine Wege oft nicht. Damit bin ich aber nicht
allein. Trotzdem gibt Hiob nicht auf. Hiob hat erkannt: Ich
darf mein Leid, meine Klagen und mein Unverständnis herausschreien.
Ich darf Gott zur Rede stellen. Ich darf fragen:
«Gott, warum?»
Hiob bekommt schliesslich eine Antwort. Gott stellt erneut
seine eigene Weisheit und Macht heraus. Gott ist ein gnädiger
Gott. Er wendet sich den Menschen zu. Oft erkennen
wir das nicht sofort. Vieles braucht seine Zeit.

Von: Carsten Marx

16. Februar

Ich rief zu dem HERRN in meiner Angst,
und er antwortete mir.
Jona 2,3

In Jona begegnet uns ein Mensch, der zu sich selbst findet;
der sich bewusst wird, was seine Aufgabe im Leben ist; der
erkennt, dass man Gottes Weg mit uns Menschen nicht
durchkreuzen kann. Jona bekommt von Gott eine Aufgabe
gestellt, der er sich einfach nicht gewachsen fühlt. Der Ausweg,
den er für sich findet, heisst Flucht. So weit weg wie
möglich fliehen – bis ans Ende der damals bekannten Welt.
Jona kommt mir sehr nahe. Denn ich kann nachfühlen,
wie er sich fühlen musste. Auch heute gibt es Aufgaben,
denen man am liebsten aus dem Weg gehen möchte; die
unbequem sind; die einen herausfordern und die einen vielleicht
an den Rand der eigenen Kräfte bringen. Ruhe- und
Auszeiten wären ratsam.
Jona wird eine Zeit der Ruhe geschenkt. Drei Tage und drei
Nächte verbringt er im Bauch eines Fisches. Jona ist für sich
allein mit seinen Gedanken. Er kann in Ruhe nachdenken
und Kräfte sammeln. Heutzutage gehen manche Menschen
dafür in ein Kloster. Weit weg von der Schnelllebigkeit und
Hektik der Welt. Weit weg von Handy und anderen technischen
Geräten. Gott stellt Menschen vor Herausforderungen.
Aber er gibt ihnen auch die Kraft, sie zu meistern und
ihren Weg zu gehen. Ich nehme mir jetzt erst einmal die Zeit
und hole meine alte Kinderbibel hervor. Das Bild von Jona
im Walfisch ist mir seit Kindergottesdienstzeiten vertraut.
Ich gönne mir Lesezeit.

Von: Carsten Marx

15. Februar

Ich werde an diesem Volk weiterhin wundersam
handeln, wundersam und überraschend, und die
Weisheit seiner Weisen wird zunichte werden, und der
Verstand seiner Verständigen wird sich verstecken.

Jesaja 29,14

Alles wird gut! – Kürzer und einfacher könnte man die Botschaft
wohl nicht zusammenfassen, die der Prophet Jesaja
hier an sein Volk Israel richtet.
Alles wird gut! Geht das so schnell und einfach? Die Forscher
sind sich zwar nicht ganz einig, aus welcher Zeit dieser
Vers genau stammt, aber so viel ist klar: Das Volk Israel macht
gerade eine Epoche der Unterdrückung durch. Vermutlich
ist es die Zeit, als die Assyrer Israel beherrschten und unterdrückten.
Es ist also eine brutale und zu tiefsten Depressionen
Anlass gebende Zeit.
Trotzdem erinnert Jesaja uns an den Kern des biblischen
Glaubens: Gott gibt uns nicht auf; er gibt nichts und niemanden
verloren – auch wenn es manchmal danach aussehen
mag. Gott mag sich eine Zeitlang auch einmal verbergen,
aber er ist trotzdem immer da. Er hat sein Volk Israel angenommen
und sein unwiderrufliches Ja zu ihm gesprochen.
Gott handelt wundersam an seinem Volk – manchmal verborgen
– dann wieder gibt er sich zu erkennen. Wir hören
das rauf und runter im Alten Testament und auch im Neuen
Testament – denken wir nur an die Geschichte dessen, nach
dem wir uns nennen: an die Geschichte Jesu Christi.

Von: Carsten Marx

16. Dezember

HERR, du erforschest mich und kennest mich. Ich sitze oder stehe auf, so weisst du es; du verstehst meine Gedanken von ferne.       Psalm 139,1–2

Nicht nur wir Christinnen und Christen fragen aktuell immer wieder, wo wir noch Halt finden, Zuversicht schöpfen, Kraft tanken können. Dahinter verbirgt sich für mich die Frage nach Gott. Für den Psalmbeter ist und bleibt es unbestritten: Gott ist da. Eine Geschichte macht dies wunderbar deutlich: Ein Schüler fragte seinen Meister: «Wie kann ich erfahren, dass Gott hier ist? Wie kann ich sicher sein, dass er mich nicht verlassen hat?» Wortlos drehte sich der Meister um, füllte ein weites Gefäss mit Wasser und gab eine gute Prise Salz dazu; nach einer Weile bat er: «Nun hol mir das Salz, das ich hier hineingetan habe, wieder heraus.» Verständlicherweise war dies dem Schüler nicht möglich, denn das Salz hatte sich bereits aufgelöst.

«Nun, so koste vom Wasser am Rand der Schüssel, wie schmeckt es?» «Salzig», entgegnete der Schüler. «Probiere nun aus der Mitte, wie schmeckt es?»

«Meister, es ist salzig, wie der andere Schluck zuvor.» «Und nun probiere einen Schluck vom Grund.» Der Schüler tat wie ihm gesagt und es war, Sie werden es nicht glauben – salzig.

«Verstehst du nun», sagte der Meister, «so wie mit dem Salz verhält es sich mit Gott in unserem Leben: unsichtbar und doch überall.»

Mit dieser alten Geschichte gehe ich hoffnungsvoll und voller Erwartungen durch den Advent.

Von Carsten Marx

15. Dezember

Siehe, wie fein und lieblich ist’s, wenn Brüder  einträchtig beieinander wohnen! Denn dort verheisst der HERR Segen und Leben bis in Ewigkeit.                                          Psalm 133,1.3

«Teilen, teilen, das macht Spass, wenn man teilt, hat jeder was!» – mit diesem Spruch kamen unsere beiden jüngsten Töchter aus dem Kindergarten nach Hause. Wie oft haben sie mit diesem Spruch ihren Znüni ganz brav geteilt.

Es ist Advent. Wir sitzen in diesen dunklen Dezembertagen wieder an einem Tisch zusammen, lesen gemeinsam Adventsgeschichten, zünden die Kerzen am Adventskranz an, singen die vertrauten Lieder und teilen das Adventsgebäck. Wir denken darüber nach, wie wir Eltern früher Advent gefeiert haben, wann der erste Schnee fiel und wie es ist oder sein könnte, wenn alle Menschen auf der Welt miteinander teilen würden.

Bei  uns  im  Burgenland  gibt  es  im  Advent  (ab dem Dezember) die katholische Tradition der Herbergssuche. Der Brauch erinnert an die einst erfolglose Quartiersuche von Maria und Josef in Bethlehem. Zunächst stutzte ich über diese Tradition. Dennoch finde ich sie bereichernd. Man besucht in der Adventszeit hauptsächlich die nächsten Nachbarn, erkundigt sich, wie es ihnen geht, teilt mit ihnen ein mitgebrachtes Adventsgebäck und hält Gemeinschaft. Wie wunderbar ist es, wenn wir zusammensitzen. Mitten in der dunklen Dezemberzeit ist das ein Segen: das Teilen, das Leben mit den Nächsten in der Nachbarschaft.

Von Carsten Marx

16. Oktober

Du sollst das Recht nicht beugen und sollst auch die Person nicht ansehen und keine Geschenke nehmen. Denn Geschenke machen die Weisen blind und verdrehen die Sache der Gerechten. 5. Mose 16,19

Na bumm! Was für eine Miesmacherei? Darf ich mir denn nichts mehr leisten? Muss ich denn auf alles verzichten? So höre ich schon die Stimmen im Hintergrund. Wer es sich leisten kann, leistet sich alles – alles Mögliche und Unmögliche. Alles nur eine Preisfrage, oder wie der Volksmund spricht:
«Geld regiert die Welt.»
Stopp! Es geht nicht darum, auf alles zu verzichten, alles aufzugeben. Es geht darum, nicht gierig zu werden und das Recht einzuhalten. Wer Gott und seine Gebote vergisst, der vergisst auch schnell seine Nächsten.

Für mich ist die heutige Losung ein Ordnungsruf. Oft genug erkenne ich keine Grenze mehr zwischen Recht und Unrecht oder Wahrheit und Lüge. Im Zusammenleben mit anderen Menschen brauchen wir Regeln. Regeln engen nicht ein. Regeln geben der Freiheit einen Raum. Ich brauche Regeln als Angebot und Orientierung für ein gelingendes Miteinander im Leben. Für mich sind diese Regeln die Gebote Gottes. Jesus von Nazaret hat im Neuen Testament die Gebote auf einen kurzen Nenner gebracht: «Du sollst den Herrn, deinen Gott, lieben von ganzem Herzen, von ganzer Seele und von ganzem Gemüt. Dies ist das höchste und grösste Gebot.»

Von Carsten Marx

15. Oktober

Ich will auf den HERRN schauen und harren auf den Gott meines Heils; mein Gott wird mich erhören. Micha 7,7

Heute bekommen wir eine wunderbare Zusage geschenkt! Wir werden nicht auf unsere Fehler reduziert, auf das, was wir nicht geschafft haben. Wir dürfen aufatmen. Wir bekommen neue Hoffnung und die Kraft, neu zu beginnen.
Wir gehen zwar manchmal verloren, verlieren den Ko takt zu uns selbst oder zu anderen Menschen, wir verlieren uns in Sorgen oder im Alltag, aber – so die Botschaft des heutigen Tages – diese Verlorenheit wird nicht für immer andauern. Gott geht uns nach, und er findet uns; Gott wird mich erhören.
Darauf dürfen wir auf der Spur des Propheten Micha und auf der Spur Jesu von Nazaret hoffen und uns ermutigen lassen, es weiter mit dem Leben aufzunehmen, gerade auch dann, wenn ich Menschen ganz real etwas an Fürsorge und Zuwendung schuldig geblieben bin und nichts mehr zu ändern ist. Ich kann es weiter mit dem Leben aufnehmen, wenn ich bei allem Einsatz für Gerechtigkeit, Frieden und Bewahrung der Schöpfung merke, dass ich selbst weit hinter den Zielen zurückbleibe, obwohl mir die notwendige Umkehr längst völlig klar ist. Was hätte ich nicht schon alles tun müssen?
Wenn wir uns – dem allem zum Trotz – dem barmherzigen Gott anvertrauen, dann erwächst Hoffnung. Eine Hoffnung im Blick auf mich selbst und auch im Blick auf die politische Realität in der Nähe und in der Ferne.

Von Carsten Marx