Lehre uns bedenken, dass wir sterben müssen,
auf dass wir klug werden.
Psalm 90,12

Wovon ist hier eigentlich die Rede und was ist die Bitte des Beters an Gott? «Bedenken, dass ich sterben muss» – ich bin sterblich, habe eine begrenzte Lebenszeit und kenne nicht das Mass der mir zugedachten Tage. Seit meinem ersten Atemzug gilt: Ich muss sterben! Es kann morgen sein oder erst in fünfzig Jahren. So oder so: Ich werde nichts mitnehmen, werde nackt davongehen, wie ich einst gekommen bin. Wird mich das klug machen, dass ich nichts mitnehmen werde, weise im Umgang mit den Dingen, dem Geld, dem Besitz, der Gier nach Ansehen und Geltung? Vielleicht könnte anderen fehlen, was ich viel zu viel habe, verwahre, verwalte, horte und staple?
In seiner unnachahmlichen und launigen Weise formuliert es der Dichter Joseph von Eichendorff:
Schnapp Austern, Dukaten, musst dennoch sterben!
Dann tafeln die Maden und lachen die Erben.

«Bedenken, dass ich sterben muss» lässt mich ganz selbstverständlich begreifen: Ich bin begrenzt, als Sterblicher gemacht und geschaffen. Ich bin wertvoll, obwohl ich vieles nicht kann. Und: Ich bin trotzdem geliebt von Gott. Welch eine Freiheit, dass ich dies denken und annehmen kann.

Von: Carsten Marx