Monat: Juli 2022

21. Juli

Du wirst an deine Wege denken und dich schämen, wenn ich dir alles vergeben werde, was du getan hast, spricht Gott der HERR.                      Hesekiel 16,61.63

Gott hat mit dem Volk Israel einen Bund geschlossen: Nie mehr soll eine Sintflut über das Land kommen. Dieser Bund ist ewig und wurde gebrochen. Gott aber erinnert sich an den Bund und wird einen ewigen Bund in Kraft setzen (Vers 60). Dann wird sich das Volk Gedanken machen über seinen Weg und wird sich schämen.

Es sind zwei Dinge, die mich in unserem Text ansprechen: Die Lebendige lässt dem Volk sagen, es werde über seinen Weg nachdenken. In sich gehen, nachdenken, entdecken, was schiefgelaufen ist. Ist das nicht ein Nachdenken, das weiterhilft, das ermutigt, aus Fehlern zu lernen? Ich habe  es nicht so mit der Scham, viel mehr mit dem Nachdenken. Das Zweite: Gott lässt nicht nach. Er setzt sein Vertrauen in das Volk und wird einen ewigen Bund in Kraft setzen. Auf die Lebendige ist Verlass, ohne Wenn und Aber. Auch die Töchter und Schwestern sind in diesen Bund eingeschlossen. Das heisst nichts weniger, als dass der Bund für alle gilt. Lange haben wir in der ökumenischen Bewegung vom Bund für Gerechtigkeit, Frieden und die Bewahrung der Schöpfung gesprochen. Wenn ich über den Weg seit den achtziger Jahren nachdenke, dann wurde es leise um diesen Bund, nicht aber um die Themen. Der ewige Bund Gottes hat Bestand.

Dafür danken wird dir – gerade heute!

Von Madeleine Strub-Jaccoud

20. Juli

Du bist mein Schutz und mein Schild; ich hoffe auf dein Wort.                                        Psalm 119,114

In so vielen Situationen des Lebens hoffen wir auf ein Wort. Wenn etwas schiefläuft, hoffen wir auf einen Zuspruch: «Es kommt schon gut.» Wenn wir etwas ausprobieren, hoffen wir, dass jemand sagt: «Nur weiter so, ist o.k.» Beim heutigen Text aus dem längsten Psalm der Bibel wird nicht ganz klar, auf welches Wort der Schreiber hofft. Ich meine, es geht darum, dass Übeltäter von ihm weichen sollen (Vers 115) und dass er Gottes Weisung liebhat (Vers 113). Hoffen auf das Wort der Lebendigen, hoffen auf ein Zeichen, auf einen Wegweiser, so könnte ich den Vers verstehen. Denn es steht fest, dass Gott Schutz und Schild ist.

Wer weiss, vielleicht ging es dem Schreiber des Verses ähnlich wie uns heute: In den Wirren des Krieges hoffen wir auf ein Wort der Ermutigung und der Kraft für die leidenden Menschen. Es muss in dieser Situation nicht ein Wort sein. Es kann Zuwendung und ganz konkrete Hilfe sein. Und ich hoffe für mich auf viele Zeichen, die mein Vertrauen in das Bei-unsSein Gottes stärken, die Vertrauen in das Leben wiederherstellen, wenn alles wankt. Selber erlebe ich die Lebendige weniger als Schutz und Schild, eher als zuverlässige Begleiterin, die mich an der Hand nimmt, wenn ich sie brauche, die mir Kraft schenkt und mein Herz öffnet für die Menschen.

Danke, dass dein Wort stärkt.

Von Madeleine Strub-Jaccoud

19. Juli

Der Engel des Herrn kam herein und Licht leuchtete auf in dem Raum; und er stiess Petrus in die Seite  und weckte ihn und sprach: Steh schnell auf! Und die Ketten fielen ihm von seinen Händen.           Apostelgeschichte 12,7

Seit Frühling dieses Jahres gibt es in Zürich ein neues Gefängnis. Derzeit hat es 124 Plätze für vorläufig Festgenommene. Während der Polizeihaft treffen die Strafverfolgungsbehörden in der Schweiz während höchstens 48 Stunden die notwendigen Abklärungen, um den Tatverdacht und die weiteren Haftgründe zu erhärten oder zu entkräften. Ergibt sich dann, dass die Haftgründe nicht oder nicht mehr bestehen, so wird die betreffende Person freigelassen. Auch in diesem System passieren Fehler, aber es herrschen Recht und Gesetz. Gewürdigt wird diese menschliche Errungenschaft sehr selten.

Sie ist aber so gross, dass Petrus nicht einmal davon träumte. Er war auch vorläufig festgenommen worden. Alsbald sollte er dem Volk vorgeführt werden. Ihn erwartete kein korrektes und gerechtes Verfahren, sondern nach den unmenschlichen und willkürlich-populistischen Massstäben des Herodes die Todesstrafe. Aber Petrus ist in Gottes Hand, schon bevor der lichtvolle Engel kommt. Denn als unschuldig Eingekerkerter und Angeketteter kann er tief und fest schlafen. Jedenfalls muss er zu seiner Befreiung erst gerüttelt und geweckt werden. Dieses Vertrauen schenke Gott uns allen, ob wir gefangen sind oder frei.

Von Dörte Gebhard

30. August

Als Mose seine Hand über das Meer reckte, liess es der HERR zurückweichen durch einen starken Ostwind.                                                       2. Mose 14,21

Ich stehe am Strand. Die Wellen geben den glitzernden Sand frei, die schwarz schillernden, mit Muscheln übersäten Felsen, um sie sogleich wieder zu verschlucken. Barfuss im Sand stehen, sich umspülen lassen. Ich spüre, wie ich einsinke. Die Wellen rütteln an mir. Ich halte stand. Den Wind im Gesicht, das Salz auf der Zunge, nichts als die Brandung im Ohr. Manchmal denke ich, Gott wohnt im Meer.

Mir kommt ein Lied der «Einstürzenden Neubauten» in den Sinn: «Und umgekehrt, wenn du bist, wild, und laut und tosend deine Brandung, in deine Wellenberge lausch ich, und aus den höchsten Wellen, aus den Brechern, brechen dann die tausend Stimmen, meine, die von gestern, die ich nicht kannte, die sonst flüstern, und alle anderen auch, und mittendrin der Nazarener; immer wieder die famosen, fünf letzten Worte: Warum hast du mich verlassen? Ich halt dagegen, brüll jede Welle einzeln an: Bleibst du jetzt hier?»

Es gibt Momente, in denen das Meer zurückweicht wie bei Mose. Die Wellen holen Atem und legen den Urgrund des Vertrauens frei jenseits der Worte. In der flüchtigen, unverhofften Euphorie beim Musikhören. Oder in der Getrostheit, gefunden worden zu sein. Sie lassen sich nicht festhalten, aber sie umspülen mich wie Wellen des Glücks.

Von Felix Reich

18. Juli

Jeremia sprach: Mich jammert von Herzen, dass die Tochter meines Volkes so zerschlagen ist. Ist denn keine Salbe in Gilead oder ist kein Arzt  da? Jeremia 8, 21.22

Um Jeremia und die Seinen herrschen Elend und Verzweiflung. Er hat nicht genug Tränen, um alle Erschlagenen zu beweinen. Der Prophet braucht keinen Fernseher und keinen Liveticker für die Bilder von Leid und Not. Er sieht alles mit dem Herzen. Er würde wohl sagen: leider sehr gut. Aber er verzweifelt in diesem Moment nicht, obwohl gerade er dafür anfällig ist. Er ruft gegen seine Hoffnungslosigkeit Gott an – als Arzt und Apotheker.

Die «Salbe von Gilead» ist seit Jahrtausenden berühmt und war damals wohl jedem Kind bekannt. Sie wurde und wird aus dem Baumharz der Balsampappel hergestellt und hilft gegen Ekzeme, Sonnenbrände, Arthritis, Sehnenscheidenentzündungen und viele weitere Leiden. Die Knospen enthalten Salicin, das auch «organisches Aspirin» genannt wird.

Es braucht ein Heilmittel und einen, der es bringt. Zuerst denkt Jeremia an Symptombekämpfung, an Schmerzlinderung. Im zweiten Schritt braucht es einen Arzt, der die weitere Therapie übernimmt. Im grossen, geschichtlichen Rückblick erkennt man, dass Gott als Arzt und Apotheker bis heute gefragt und gebraucht wird, jedoch nicht wegen der zu befürchtenden Risiken und Nebenwirkungen, sondern damit Glaube, Liebe und Hoffnung unter uns nicht sterben.

Von Dörte Gebhard

17. Juli

HERR, behüte meinen Mund und bewahre meine Lippen!                                                                 Psalm 141,3

Gestern habe ich Ihnen von einer «neuen Denksphäre» berichtet. Die Welt und wir Menschen brauchen eine gänzlich neue Art des Denkens und Handelns. Weg mit Macht und Gier, her mit Liebe, Aufrichtigkeit und Glauben.

Vielleicht sogar weg mit Religion im altbekannten Sinne? Beim Konzept «Gott 9.0» von Marion und Werner Küstenmacher geht es um das Durchlaufen von neun Stufen. Die Stufen haben je eigene Farben und verdeutlichen die letzten 100 000 Jahre der Menschheit. Es geht um Gottesbilder, Krisen und Chancen auf dem Weg in die Zukunft – ich präzisiere gerne: auf dem Weg zurück ins Paradies. Eine multireligiöse und multispirituelle Geistkraft, welche alles Bisherige vereint? Kann das ein Weg sein?

Der Psalm 141 trägt die Überschrift «Bitte um Bewahrung». Wir brauchen in der Tat eine Bewahrung unserer Existenz! Wenn der HERR meinen Mund behütet und ich meine Lippen, so haben wir im Zusammenspiel bereits viel Frieden gestiftet. Der Mund ist oft Ausgangspunkt von Unheil; bleibt er einmal mehr zu, können die Lippen einmal mehr schweigen.

HERR, behüte und bewahre uns samt unseren Mündern und Lippen.

Lesen Sie die Bibel doch einmal mit der «multispirituellen Lesebrille», es lohnt sich! Amen!

Von Markus Bürki

16. Juli

HERR, wenn ich mitten in der Angst wandle, so erquickest du mich.                                            Psalm 138,7

Sommerferien. Baden. Sonne. Bier. Gemütlich. Oder noch immer Bomben, Leid, Beklemmung, Tod und Flucht?

Jetzt, wie ich diese Zeilen schreibe, rechne ich persönlich mit dem Schlimmsten. Der Angriffskrieg auf die Ukraine hat die Welt in Kürze drastisch auf den Kopf gestellt. Und es ist noch lange nicht vorbei. Gerade heute habe ich mit einem Mitbewohner unserer Genossenschaft ein tiefgreifendes Gespräch geführt über den Krieg in der Ukraine und die Welt in ihrem aktuellen Zustand. Er meinte, dass die Welt und ihre Menschen eine neue Art der «Denksphäre» brauchen. Weiter mit Macht und Geld bringt uns nicht weiter.

Diese Zeile dient zum Nachdenken und  Innehalten!

Ich frage mich: Wie erquickt unser HERR die Witwe in der Ukraine? Was tröstet die Mutter, welche ihren Sohn im Krieg verloren hat? Wer packt beim Wiederaufbau an? Wo ist der HERR, wenn die Mine explodiert und dem Bauern das Bein abtrennt?

Mein Gott! Warum hast du uns verlassen? Wo bist du? Genau in dieser krassen Schwachheit ist der HERR, weil er das am Kreuz auch erlebt hat. Ja, ich weiss das und kenne die Worte und die Theologie dazu. Aber ich zweifle gerade wieder einmal stark und wandle in der Angst. Und ich hoffe und bete. Amen!

Von Markus Bürki

15. Juli

Gottes Hilfe ist nahe denen, die ihn fürchten, dass Güte und Treue einander begegnen, Gerechtigkeit und Friede sich küssen.           Psalm 85,10.11

Gibt es Güte ohne Treue? Gibt es Treue ohne Güte? Mir kommen Leute in den Sinn, die zwar die Güte in Person sind, freundlich, zuvorkommend, verständnisvoll, aber mit der Treue nehmen sie es nicht so genau. Und andere sind, was die Treue angeht, sich selbst gegenüber streng und auch grundsätzlich konsequent – bis zur Unbarmherzigkeit.

Güte und Treue zeigen sich im Charakter und im Handeln des Einzelnen, und da in vielen Varianten und Schattierungen. Wer wagt es, deren Wert und Glaubwürdigkeit zu beurteilen?

Bei Gott aber, so stelle ich es mir vor, sind diese Wörter wie Gefässe, die die mangelhaften menschlichen Ausprägungen davon umfassen, würdigen und bewahren, damit sie in unseren menschlichen Gemeinschaften wirksam werden, damit «Gerechtigkeit und Friede einander küssen».

Es ist zwar möglich – und oft schon fast ein Wunder – wenn in einem Konflikt ein Waffenstillstand beschlossen und eingehalten wird. Aber ein dauerhafter Friede kann nur auf dem Fundament der Gerechtigkeit erbaut werden. In der Gegenwart erfahren wir wieder neu, wie viel Einsicht, Ehrlichkeit und Vergebungsbereitschaft es von allen Beteiligten braucht, wenn Friede gestiftet und erhalten werden soll. Und wie viel Vertrauen in Gottes «andere Gerechtigkeit».

Von Käthi Koenig

14. Juli

Er lässt seine Sonne aufgehen über Gute und Böse und lässt regnen über Gerechte und Ungerechte. Matthäus 5,45

So sieht Jesus die Welt, die der Vater im Himmel für seine Menschen geschaffen hat: Sonne und Regen schenken Leben für alle, ohne Ansehen der Person, ohne ihr Verdienst.

Und so sieht die Welt aus, wenn «Gerechte und Ungerechte, Böse und Gute» lange Jahre in ihr Gefüge eingegriffen haben: Die Hitze steigt, an manchen Orten macht sie das Leben fast unmöglich. Und der Regen, wenn er endlich kommt, geht im Übermass nieder, überflutet und zerstört. Unheil trifft Gerechte und Ungerechte, Böse und Gute. Ohne Ansehen der Person.

Wirklich? Die Armen sind ja bekanntlich von Umweltkatastrophen mehr betroffen als die Reichen. Und vielleicht die «Gerechten» mehr als jene, die sich mit List und Einfluss Vorteile ergattern oder, wenn es nötig wird, ihr Domizil in sichereren Gegenden suchen. Vor allem die Länder im Süden tragen die Kosten, die der Reichtum der Menschen im Norden verursacht. Das Besitzerprinzip gilt zwar sehr wohl, das Verursacherprinzip hingegen kaum.

Gott, der du Sonne und Regen erfunden hast – was haben wir, Gerechte und Ungerechte, angerichtet mit unseren Glaubenssätzen, die nicht von dir kommen, nicht zu dir führen?

Von Käthi Koenig

13. Juli

Ich will einige von ihnen, die errettet sind, zu den Völkern senden, wo man nichts von mir gehört hat;   und sie sollen meine Herrlichkeit unter den Völkern verkündigen.            Jesaja 66,19

Jerusalem wird zum Ort des Friedens für die eine Menschheit werden. Herrscher aller Völker werden hinauf zum Berg Zion ziehen, während Boten eines neuen Himmels und einer neuen Erde hinausgehen und in aller Welt Gottes Herrlichkeit verkünden werden.

Darauf hofft der Prophet mitten in der apokalyptischen Wirklichkeit von Krieg und Gewalt, die ihn umgibt. Später wird ein anderer seinen Traum von dem neuen Himmel und der neuen Erde weiterträumen und die Zukunft Gottes im Heute ansagen: der Seher Johannes. Die Vision vom neuen Jerusalem gab vielen Hoffnung und Trost in einer Gegenwart voll bitterer Not und Gewalt.

Wo sind heute die Boten, die Frieden verkündigen auf den Strassen und Plätzen der Hauptstädte dieser Welt? Wer wird die Waffen zum Schweigen bringen, damit wieder Raum für das Leben wird? Wird die Menschheit aufhören, den Krieg zu lernen und dafür Schritte zum Frieden einüben? Wenn das geschieht, wird die Vision vom neuen Himmel und von der neuen Erde Wirklichkeit, auch unter uns.

Von Barbara und Martin Robra