Monat: Juli 2022

12. Juli

Der HERR ist meine Kraft.                                Habakuk 3,19

Habakuk erlebt, wie die Chaldäer die Assyrer überrennen und selbst die Herrschaft übernehmen. Geschichte – das heisst für Habakuk: Reiche steigen auf, bis sie unter dem Druck einer neuen Macht zusammenbrechen. Ein Reich folgt dem anderen mit immer weiter entwickelter Kriegstechnik und neuen Waffen: Assyrer, Chaldäer, Perser, Seleukiden, Römer … und heute?

Doch Habakuk lernt, in allem Chaos und Leid Spuren der Gegenwart und heilenden Schöpferkraft Gottes zu entdecken. Ohne Wenn und Aber erklärt er am Ende seines Buches: «Der Herr ist meine Kraft.»

Eines Tages, Gott, werden wir deiner Liebe gewiss sein und deine Herrlichkeit schauen. Eines Tages werden Frieden und Gerechtigkeit sich umarmen. Eines Tages wird das Leben über den Tod triumphieren. Denn in der Mitte der Nacht hat dein neuer Tag schon begonnen.

Herr, du bist unsere Kraft. Lass uns Boten deiner neuen Welt sein. Amen.

Von Barbara und Martin Robra

11. Juli

HERR, du bist meine Stärke und Kraft und meine Zuflucht in der Not!                                Jeremia 16,19

Die Verse 19–21 hören sich an wie der Zwischenruf eines Menschen, der mit seinem Bekenntnis die Rede des Propheten vom kommenden Unheil unterbricht. Trotz allem, was dieser Gott dem Volk an Schlimmem vorhersagt, weil es sich von ihm abgewendet hat und Zuflucht bei «nichtigen Göttern» gesucht hat – trotz allem vertraue ich dir und setze alle meine Hoffnung in dich, unseren Gott, meinen Gott. Mitten in eine laute und zornige Rede hinein erhebt sich eine Stimme und sagt dieses bedingungslose Bekenntnis. Mitten in eine hochgradig gespannte Situation hinein drückt jemand sein Vertrauen in Gott aus. Es ist bloss eine kurze Unterbrechung, aber sie gibt auch Gelegenheit zum Atemholen. Das ist an dieser Stelle mehr als nötig, denn das Urteil Gottes über sein Volk scheint definitiv beschlossen. Wir wis- sen aus der Fortsetzung der Geschichte, dass es neue Möglichkeiten geben wird (siehe gestern!). Die Unterbrechung aber – im vorliegenden Text wohl ein späterer Einschub – verschafft einen Moment Luft. Was heute für Sitzungen oder Reden als wichtiger Tipp ausgegeben wird, wird hier vor gut zweieinhalbtausend Jahren bereits angewandt. Und kann auch dazu führen, einen neuen Gedanken zu fassen und dem, was in immer neue Beschimpfungen führt, etwas Druck wegzunehmen. Das kann Glauben bewirken …

Von Hans Strub

10. Juli

Siehe, wie der Ton in des Töpfers  Hand, so seid auch ihr in meiner Hand.                  Jeremia 18,6

Sie ist wirklich mehr als sprechend und eingängig, diese sogenannte Zeichenhandlung der Propheten im Auftrag von Gott: So wie es für jeden Töpfer selbstverständlich ist, dass er aus einem missratenen Gefäss ein neues, besseres macht, so müsste es Gott eigentlich auch machen mit seinem Volk, das sich von ihm abwendet. Er lässt Jeremia auch sagen: Kann ich mit euch nicht verfahren wie dieser Töpfer, Haus Israel? Dann folgt die unheilvolle Drohung im heutigen Satz. Dieser Satz scheint nun über der ganzen Zukunft Israels zu hängen, und da wir solche Gottesworte auch für uns gelten lassen, sähen wir uns ständig diesem Gott ausgeliefert, der mit uns machen kann, was ihm beliebt. Aber zu ihrem und zu unse- rem Zutrauen in Gott endet die Rede des Jeremia, resp. die Rede Gottes, hier nicht. Vielmehr heisst es kurze Zeit später (Vers 8): Kehrt aber jenes Volk, über das ich geredet habe, zurück von seiner Bosheit, so bereue ich das Unheil, das ich ihnen anzutun geplant habe. So ist Gott: klar und eindeutig – aber er lässt die berühmte «zweite Chance». Diese kann oft und oft zur dritten, vierten oder x-ten werden – Gott lässt die Menschen nicht und nie fallen. Damals nicht und heute nicht! Dieses stets erneuerte Zutrauen in Gottes Barmherzigkeit und Nachsicht ermöglicht Leben, für das Volk damals, für uns heute, für mich persönlich zu jeder Zeit. Denn Gott hat Zutrauen in seine Menschen, in uns!

Von Hans Strub

9. Juli

Jesus spricht: Wen da dürstet, der komme zu  mir und trinke!                                                                    Johannes 7,37

Der zeitgenössische Theologe und Psychoanalytiker Eugen Drewermann bezeichnet in seinem Kommentar zur Stelle Religion als «Gespür eines Durstes, der nie aufhören wird».

In diesem Zusammenhang sei auf ein Detail im Lehrtext hingewiesen: Man kann den Punkt auch an einer anderen Stelle setzen. Dann heisst es: «Wenn jemand Durst hat, komme er zu mir, und es trinke, wer an mich glaubt.» Wenn man den Punkt so setzt, entsteht eine überraschende Parallele: «Wer an mich glaubt» ist dann gleichgesetzt mit «Wer Durst hat». Das heisst: Die Glaubenden sind die Dürstenden!

Das ist nicht das übliche Bild, das man vom Glaubenden hat als dem, der etwas besitzt, irgendeine Gewissheit, dass Jesus ihn erlöst hat, dass er errettet ist, dass er nach seinem Tod ins Ewige Leben eintreten wird. Nicht das ist der Glaubende, sondern der, dessen Durst nie aufhören wird. Der weiss, dass er arm ist, angewiesen auf Christus, der seinen Durst löscht, angewiesen auf den göttlichen Geist, die Ruach, die uns Leben einhaucht, Atemzug für Atemzug.

Der Glaubende ist, so gesehen, der, welcher den Durst zulässt und ihm folgt, hin zur Quelle.

Von Andreas Fischer

8. Juli

Lasst uns Gutes tun und nicht müde werden;  denn zu seiner Zeit werden wir auch ernten, wenn wir nicht nachlassen.                                                Galater 6,9

Albert Schweitzer stellt in aller Schärfe fest: Zwischen   der «Rechtfertigung allein aus Glauben» des Apostels   Paulus – d. h. der Botschaft vom bedingungslosen Geliebtsein von uns Menschenkindern mit all unseren Abgründen – und seiner Ethik gebe es eine «Schlucht». Und da sei keine Brücke, die die eine Seite mit der anderen verbinde. – Der heutige Lehrtext scheint diese Analyse zu bestätigen: Was hat der ethische Gemeinplatz, man solle «Gutes tun», mit der paulinischen Durchbruchserfahrung zu tun, dass Gottes Zuneigung gilt, immer, überall, absolut unabhängig von unseren Leistungen und Verdiensten?

Vielleicht sind es ja verschiedene Bewusstseinsebenen, die bei Paulus nah beieinander waren: Nach ekstatischen Augenblicken sank er wieder auf niedrigere Niveaus. – Indessen scheint mir eine andere Überlegung ebenfalls bedenkenswert zu sein: So wie das bedingungslose Geliebtsein allen Menschenkindern gilt, betrifft uns auch die Ethik unterschiedslos. Der deutsche Neutestamentler Michael Wolter schreibt nicht ohne Humor: «Gutes tun tut jeder menschlichen Gemeinschaft gut, nicht nur der christlichen.» Es gäbe sie also doch, die Brücke über die Schlucht – für uns alle!

Von Andreas Fischer

7. Juli

In deiner Hand, HERR, steht es, jedermann gross und stark zu machen.                                       1. Chronik 29,12

Hier geht es um den sehr teuren Tempelbau und Davids Dankbarkeit.

Die Mittelbeschaffung für den Tempelbau und seine Errichtung ist mit grosser Wahrscheinlichkeit durch die Arbeit der einfachen Bevölkerung geschehen. Die von David ausgedrückte Dankbarkeit Gott gegenüber muss wohl eher verstanden werden als Davids Dankbarkeit gegenüber den Wohlhabenden aus den Versen davor. Denn die haben ihm sein Projekt finanziert aus ihren Reichtümern.

Ich bin zutiefst davon überzeugt, dass der Chronist hier auf dem falschen Weg ist und eine sehr einfache Lösung gewählt hat.

Es Gott zu überlassen, wer als gross und stark gesehen wird, ist schon interessant. Die Zuschreibung von Grösse, Stärke und Einfluss ist immer abhängig von dem Mass an Grösse, Stärke und Einfluss, die jeder Einzelne jemand anderem zubilligt.

Der Chronist sieht David als dankbar und bescheiden, aber auch als machtvoll und durchsetzungsstark.

Macht in der realpolitischen Welt durchsetzen hat eigentlich immer mit mehr oder weniger rationalen Zielen zu tun. Dies können wir uns bei dem Überfall Russlands auf die Ukraine anschauen. Auch hier wird Gott instrumentalisiert und den eigenen Zielen zugeordnet. Also – prüfe den Chronisten auf seine Ziele, bevor du vertraust!

Von Rolf Bielefeld

6. Juli

Das ist die Botschaft, die wir von ihm gehört haben und euch verkündigen: Gott ist Licht, und in ihm ist keine Finsternis.                            1. Johannes 1,5

Wenn man den Johannesbrief auf eine Kurzformel bringen wollte, würde man hier landen: Gemeinschaft mit Gott = Liebe; das nun wieder unter der Überschrift: So sieht der richtige Glaube aus!

Natürlich haben wir inzwischen gelernt, dass Kurzformeln keine Antwort auf komplexe Zusammenhänge sind.

In Jesus haben wir einen Mann gefunden, der Grundlegendes verstanden hat von dem, was wir von Gott sagen wollen. Jesus ging seinen Weg durch seine dreissigjährige Geschichte und tat dies aufrecht und ohne Kompromisse. Er lebte die Feindesliebe, die religiöse und soziale Gerechtigkeit, ein freies Leben, ein Leben gegen einige wichtige politische und religiöse Konventionen.

Dafür bezahlte er den ultimativen Preis – mit seinem Leben auf der Hinrichtungsstätte. Genau bis hierhin hat er gesagt und gelebt, dass Gott ihn niemals fallen lässt.

Diese Konsequenz hat dazu geführt, dass viele Menschen von ihm inspiriert waren und sind. Wer konsequent die Liebe und die Gerechtigkeit lebt, fällt nicht aus Gottes Hand. Das beschreibt mir «Auferstehung» – das nicht aufhörende Engagement von unzählig vielen sich verbunden fühlenden Menschen für eine versöhnte Welt.

Von Rolf Bielefeld

5. Juli

Abram glaubte dem HERRN, und das rechnete er ihm zur Gerechtigkeit. 1. Mose 15,6

Wie kann Vertrauen wachsen? Darum geht es im komplizierten Dialog, der sich zwischen Abram (Abraham) und Gott abspielt. Bei Abram herrscht am Anfang ein Misstrauen gegenüber der Zusage, dass Gott ihm einen Nachkommen geben wird. Bei Gott besteht ein Unverständnis darüber, dass Abram die Zusage nicht annimmt. Abram macht einen wichtigen Schritt, indem er seine Zweifel in Worte fasst. Er rechnet mit ganz kleinen Zahlen: Ein Sohn oder kein Sohn, das ist für ihn die Frage. Wenn er keinen Sohn bekommt, wird sein Erbe in fremde Hände kommen. Gott lässt sich auf den Zweifel ein und versucht, etwas in Bewegung zu bringen. Er lädt Abram ein, seine Augen für eine neue Perspektive zu öffnen. Bei den Sternen ist eine sehr grosse Zahl zu sehen, die nach oben offen ist. Könnte dies mit Abrams Nachkommen – und mit dem späteren Volk Israel – nicht auch möglich sein? Im gegenseitigen Verhältnis geschieht eine Annäherung. Am Ende des Gesprächs passt es zusammen, wie jeder über den anderen denkt. Man könnte den Losungsvers wie folgt umschreiben. Glaube bedeutet, dass Abram denkt: «Jetzt kann ich mich auf Gott verlassen.» Gerechtigkeit bedeutet, dass Gott denkt: «Jetzt ist Abram ins rechte Verhältnis mit mir gekommen.» Später wird erzählt, dass Abram zwei Söhne hatte, von denen zwei Völker abstammten.

Von Andreas Egli

4. Juli

Meine Hand hat alles gemacht, was da ist,  spricht der HERR. Ich sehe aber auf den Elenden und auf den, der zerbrochenen Geistes ist und der  erzittert vor meinem Wort.                Jesaja 66,2

Wohin richtet Gott seine Aufmerksamkeit? Nach dem babylonischen Exil wurde in Jerusalem wieder ein neuer Tempel gebaut. Differenziert denkt der Text über die Bedeutung des Heiligtums nach. Ist es der Ort, an dem Gott wohnt? Nein, er hat ja die ganze Schöpfung geschaffen und ist in ihr gegenwärtig. Könnte ein prachtvoll gebautes Gotteshaus wenigstens dazu dienen, dass Gott seine Blicke in besonderer Weise auf diesen Ort richtet? Eigentlich auch nicht. Denn Gottes Aufmerksamkeit gilt den Menschen. Und zwar besonders denjenigen, die verletzlich und bedürftig sind: arm, deprimiert, besorgt. Der Tempel soll ein Ort sein, an dem sie willkommen sind. Sie dürfen kommen, so, wie sie sind. «So spricht der HERR: Der Himmel ist der Thron, auf dem ich sitze. Und die Erde ist der Schemel, auf dem meine Füsse ruhen. Was ist das für ein Haus, das ihr mir bauen wollt? Was ist das für ein Ort, an dem ich wohnen soll? Alle diese Dinge hat meine Hand gemacht, und so sind alle diese Dinge geworden. Spruch des HERRN. Und auf diesen Menschen werde ich hinblicken: auf den, der arm ist; auf den, der deprimiert ist; auf den, der besorgt ist über mein Wort.»

Von Andreas Egli

3. Juli

Kommt her, höret zu alle, die ihr Gott fürchtet; ich will erzählen, was er an mir getan hat.       Psalm 66,16

Und was hat er getan? Es ist der Gott, «der mein Gebet nicht abgewiesen und seine Gnade mir nicht entzogen hat». So lautet der Schlussvers des Psalms, der ein einziges Lob auf den Allerhöchsten ist. Der Psalmist wird nicht müde aufzufordern: «Jauchzet, singt, sprecht, kommt und seht, preist, kommt, hört.»

Nun machen wir aber die Erfahrung, dass unsere Gebete meist nicht erhört wurden und alles erdenklich Schlimme sich trotz Gebeten ereignet. Nun, Gott lässt sich auf unser enges und krämerisches Wenn–Dann nicht ein.

Die Gebete halten mich indes in der Beziehung zu Gott. Mit ihnen öffnen wir uns und lassen uns auf Gott ein, auf ihn, der sich von allem Anfang an und noch vor unserer Geburt auf uns einliess.

Ausserdem braucht die Beziehung zu Gott Zeit. Nach langer Zeit, nach Jahren, erfahren wir bisweilen, dass unsere Gebete uns an einen Ort führten, den wir nicht voraussehen kon ten, dass sie uns Einverständnis und Akzeptanz schenkten, also zu etwas ganz anderem als zu dem, was wir mit unseren Gebeten herbeizuzwingen versucht haben.

Das hat auch mit Gnade zu tun, Gott hat sich nicht entzogen, er ist in Beziehung geblieben.

Von Kathrin Asper