Monat: März 2022

12. März

Der Himmel ist durch das Wort des HERRN gemacht
und all sein Heer durch den Hauch seines Mundes.

Psalm 33,6

Heute und morgen sind wir eingeladen, in den «Jubel der Gerechten» im Psalm 33 einzustimmen. Es ist sicherlich sehr selten, dass in Herrnhut Verse aus demselben Psalm als Texte für zwei aufeinanderfolgende Tage ausgelost werden.

Vers 6 preist die Schöpferkraft Gottes in Wort und Geist-Atem. Gott  bleibt in dieser Welt gegenwärtig in den «Heerscharen der Engel», die alles Geschaffene durchdringen und beleben. Gemäss dem Prolog des Johannesevangeliums ist Gottes Wort in Christus Mensch geworden. Sein Licht scheint in der Finsternis. Mächte und Gewalten dieser Welt können es nicht auslöschen, auch wenn sie versuchen, dieses Licht mit dem eigenen Schatten zu verdunkeln. In solcher Dunkelheit wachsen Zweifel und Verzweiflung. Die Schatten werden übermächtig in Furcht und Verschwörungstheorien. Umso wichtiger ist es, dass wir das Licht nicht aus dem Auge verlieren, dass wir Gottes Stimme mitten im Lärm der Welt hören und dem lebendigen Wort in Christus vertrauen.

Überwinden wir die Furcht mit dem Lob Gottes! Singen wir die Angst aus uns und aus dieser Welt hinaus! Amen.

Von Barbara und Martin Robra

11. März

Der Mensch hat keine Macht über den Tag des Todes.
Prediger 8,8

Was auf das erste Hinhören eine «Binsenwahrheit» ist, soll zum Nachdenken anregen: Was soll ein solcher Satz mitten in einem alten, weisheitlichen Buch, dessen Motto «nichtig und flüchtig» lautet (1,2)? Macht haben wollen über meine Lebenszeit ergibt so wenig Sinn wie Macht haben wollen über den Wind. Oder gar über einen anderen Menschen. Solche Macht kommt einzig Gott zu! Wer das nicht ernst nimmt, überhöht sich, begeht Unrecht und will sich gar zum Entscheider über Leben oder Tod machen. Damit würde eine absolute Grenze überstiegen, kein Mensch hat das Recht dazu.
Beim Nachdenken über den scheinbar «banalen» Satz von heute halte ich ein: Nehme ich mir zuweilen in meinem Alltag, zu Hause, am Arbeitsplatz, im KollegInnenkreis, mehr heraus, als mir zusteht? Unbemerkt vielleicht, durchaus bewusst manchmal? Den Fragen muss ich mich stellen, wenn ich nicht selbst «nichtig und flüchtig» werden will. Meine Antworten aber, das muss ich mir eingestehen, sind nicht immer eindeutig. Und genau das macht mich demütig. Ich kann nicht mit Sicherheit sagen, ob ich mir der Grenzen meiner «Macht» jederzeit bewusst bin. Auch nicht, ob ich mir am Ende eines Tages genügend sorgfältig Rechenschaft gebe über mein eigenes Handeln und Verhalten. Aus dieser Demut kann gesunde Selbstkritik erwachsen, kontrollierteres Zusammenleben. Damit wird die «Binsenwahrheit» zu einem Wegbereiter von «persönlicher Wahrheit und Weisheit» …!

Von Hans Strub

10. März

Ich habe mein Wort in deinen Mund gelegt und habe dich unter dem Schatten meiner Hände geborgen. Jesaja 51,16

Eben noch wurde Jerusalem angeklagt, seinen Gott vergessen und sich an Menschen orientiert, sterbliche Menschen gefürchtet zu haben. Und plötzlich dreht die Gottesrede. Keine Schelte, keine Drohung, sondern Zuwendung: «Ich habe dich unter dem Schatten meiner Hände geborgen» – ein wunderschönes, geradezu liebevolles Sprachbild, eine Liebeserklärung an Menschen, die sich sehr ambivalent verhalten. Eine wundersame Wendung: Gott ist ein Gott, der schützt und birgt. Gott ist es, der aufrichten kann, der Fehlverhalten nicht anrechnet, der vergibt, der neue Anfänge möglich macht, der Leben will, nicht Tod! Und der das bedingungslos macht. Wo man eine Forderung erwarten könnte, kommt dieses «Du bist mein Volk»! Die Menschen in der Stadt sind die, die Gott zu seinen Boten machen will: «Ich habe mein Wort in deinen Mund gelegt.» Alle sind gemeint, wie sie auch sind! Und seit Jesus hören und wissen wir: Das «alle» gilt weltweit. Bis zu uns. Wir hier, die wir diesen alten Text von Gott lesen, sind mitgemeint. Wir sind mitbeschützt, ebenfalls geborgen im Schatten von Gottes Hand. Alle. Jederzeit, heute und morgen. Der Gott, dem wir hier begegnen, will Zukunft für die Welt. Was zu Zion gesagt wurde, ist zu uns gesagt. Wir dürfen (und können) es sehr persönlich nehmen. Wenn Gott «alle» sagt, meint er auch mich, so, wie ich bin!

Von Hans Strub

9. März

Wir sind sein Werk, geschaffen in Christus Jesus zu guten Werken.
Epheser 2,10

«Sein Gebilde sind wir» lautet die präzise Übersetzung des ersten Versteils: Gott steht betont am Anfang, und der Ausdruck «Gebilde» spielt die Metaphorik der Schöpfung ein, um die es hier geht. Der Autor des Epheserbriefs ist inspiriert von der Vorstellung, dass Gott im Ursprung, ehe er Adam und Eva schuf, einen Urmenschen bildete. Er war vollkommen, von «unversehrter Heiligkeit» (H. Schlier).In diesen Ursprung kehren wir «in Christus» zurück.

In diesem Ursprung – in der «Vor-Zeitlichkeit» (G. Sellin) – sind auch die «guten Werke» schon vobereitet. So lautet die Fortsetzung des Verses, die einen originalen Gedanken des Autors zur Sprache bringt: Die guten Werke hat Gott «zuvor bereitet, dass wir in ihnen wandeln». Es gibt also nichts zu leisten, nichts zu erreichen. Es gilt zurückzukehren in jenes ursprüngliche Gutsein, wo die «guten Werke» Teil meiner Natur, meines Wesens sind, gleich meinem Atem, meinen Augen, meinen Händen und Füssen. (E. F. Scott)

Meister Eckehart sagt: Nicht durch Zufügen, sondern durch Abtun wird Gott in der Seele gefunden. Deshalb heisst es: Die Herrlichkeit wird enthüllt werden. Gott ist nämlich zuinnerst in der Seele, und das Wirken des Geschöpfes kann hierzu nur beitragen durch Reinigung und Bereitung.
Von Andreas Fischer

8. März

Einen andern Grund kann niemand legen ausser dem,
der gelegt ist, welcher ist Jesus Christus.

1. Korinther 3,11

Der frühere St. Galler Kirchenratspräsident Dölf Weder beginnt eine Predigt über den heutigen Lehrtext – die Präambel der St. Galler Kantonalkirche – mit der Frage: «Welches ist das wirkliche Fundament Ihres Lebens?» Als mögliche Antworten vermutet er: Familie, finanzielle Absicherung, Sich-auf-sich-selber-Verlassen.

Die Antwort, die Paulus gibt, lautet: Jesus Christus. Die Antwort ist nur scheinbar «fundamentalistisch». Denn das Fundament trägt nicht. Der Christus, der das Fundament bilden soll, ist der gekreuzigte. Und dies, sagt Paulus, ist ein «Skandal» (1. Korinther 1,23). Das griechische Wort skandalon  bedeutet: «Falle». Wer in die Falle tappt, stürzt ab, seine Seele befindet sich im freien Fall. Ebendiese Fallenden, schreibt der zeitgenössische deutsche Schriftsteller und Theologe Christian Lehnert in seinen «Korinthischen Brocken», sind gemäss Paulus die «Berufenen» (vgl. 1,24).


Walk your talk ermutigt Dölf Weder uns Christenmenschen gegen Ende seiner Predigt mit einem amerikanischen Slogan: Lebe, was du vertrittst!  Ich schreibe diesen Text unterwegs nach St. Gallen, wo ich Dölf treffe. Ich werde ihn fragen, was Walk your talk unter den genannten «skandalösen» Bedingungen zu bedeuten hat.

Von Andreas Fischer

7. März

Richtet euch auf und erhebt eure Häupter, denn eure Erlösung naht.
Lukas 21,28

Es gibt so unfassbar grosse Worte, die mich entweder sofort abhängen oder auf eine Gedankenreise schicken – dazu gehört «Erlösung»! Nun, heute lassen wir uns nicht abhängen.
Wir haben uns so an den liturgischen Satz «erlöse uns von dem Bösen» gewöhnt, dass er eigentlich kaum noch eine Bedeutung hat.
Erlöst werden bedeutet ja eigentlich befreit werden. Die einen möchten von Schulden befreit werden, die anderen von ihrem schlechten Gewissen, die Dritten vom Partner oder von der Partnerin.

Als Glaubende gilt unsere Bitte um Befreiung in erster Linie der Befreiung von den Handlungen und Vorstellungen, die uns daran hindern, dem Wohl der Schöpfung als Ganzes und unseren Mitmenschen als Teil davon zu dienen. Aber wovon sollen wir denn nun befreit werden? Ich bin zutiefst davon überzeugt, dass wir nur darum bitten können, die Lethargie loszuwerden, die Bequemlichkeit zu überwinden, Energie freizumachen. Denn wir wissen genau, dass wir auf den Zustand einer versöhnten Schöpfung hinleben sollen. Es sind die individuellen und kollektiven Schritte, die so wahnsinnig schwer sind. Aber es wird sie keiner gehen, wenn wir nicht anfangen und weitergehen – als Einzelne und als Gesellschaft. Das ist Erlösung!

Von Rolf Bielefeld

6. März

Der HERR ist seinem heiligen Tempel. Es sei stille vor ihm alle Welt!
Habakuk 2,20

«Sei still und tu was man dir sagt», das hat wahrscheinlich jede/r schon einmal in seiner/ihrer Kindheit gehört. Dieser Satz könnte auch von dem das Übel ankündigenden Gerichtspropheten Habakuk stammen.
Irgendwie passt das gerade in unsere Zeit, mit den vielen – manchmal sich widersprechenden – Ankündigungen. Der grösste Teil der Bevölkerung folgt, Gott sei Dank, den vernünftigen Ankündigungen der Regierenden in der grassierenden Pandemie. Aber eine sehr laute Minderheit macht das Leben dann doch kompliziert
Das ist der Moment, wo ich mich nach Stille sehne; nach einem Moment, wo alles stillsteht und alle nachdenken. Dann haben alle eine vernünftige Entscheidung getroffen und verhalten sich so, dass es für alle das beste Ergebnis gibt. Eine sehr schöne Vision und doch so weit weg von unseren täglichen Erfahrungen. Aber es lässt mich verstehen, warum Habakuk Gott in «seinem heiligen Tempel» sieht und sich Stille um ihn herum wünscht. Das Anhalten und Stillwerden ist einfach eine gute Voraussetzung, um zuhören zu können und gute Entscheidungen zu treffen.

Von Rolf Bielefeld

5. März

Du machst fröhlich, was da lebet im Osten wie im Westen.
Psalm 65,9

Beim Gottesdienst im Tempel von Jerusalem wurde der biblische Gott gefeiert. Auf dem Berg Zion konnten die Israeliten Vergebung finden. Dort dankten sie Gott dafür, dass er dem Land Regen und Fruchtbarkeit geschenkt hatte. Der Psalm ist ein Abbild dieses Gottesdienstes. Man könnte denken, er habe einen verengten Blick, der nur das eigene Land sieht. Aber der mittlere Teil des Psalms öffnet die Perspektive weit, sodass die ganze Welt miteinbezogen wird. Es geht um den Gott, der die Schöpfung begründet hat, der das Chaos in die Schranken weist, der die Erde zu einem «Lebenshaus» macht. Zu ihm finden auch «die Enden der Erde» Vertrauen. An der Freude über ihn haben auch all jene Anteil, die weit weg wohnen: ganz im Osten, wo die Morgendämmerung aufgeht, und ganz im Westen, wo die Abenddämmerung am längsten zu sehen ist. «Die an den Enden der Erde wohnen, haben Ehrfurcht vor deinen Zeichen. Du machst, dass die Orte jubeln, wo der Morgen und der Abend herkommen.»

Die wohnen in den fernsten Reichen am Auf- und Niedergang,
die preisen deine Wunderzeichen  mit Furcht und Jubelklang.

(RG 40,4)

Von Andreas Egli

4. März

Auf dich, HERR, sehen meine Augen; ich traue auf dich,
gib mich nicht in den Tod dahin.

Psalm 141,8

In einer religiösen Not bittet der Psalmsänger um Hilfe. In der damaligen Zeit wurde es modern, die griechische Kultur und ihre Lebensweise zu übernehmen. Aber der Beter will dem biblischen Glauben treu bleiben, der ihm überliefert worden ist. Er redet von sich als Mensch, wie es die hebräische Bibel tut – da gehört der Körper dazu. Mit seiner Stimme ruft er zu Gott, und  Gott soll ihn hören. Seine offenen Hände hebt er beim Beten in die Höhe.
Die Bitten im mittleren Teil kommen aus der Angst: Schlechte Freunde könnten ihn dazu verleiten, etwas Falsches zu denken, zu reden und schliesslich zu tun. Deshalb bittet er, vor seinem Mund soll Gott eine Wache einrichten. Vor der Türe seiner Lippen soll Gott wachen. Dass sein Herz sich zu schlechten Gedanken neigt, soll Gott nicht zulassen. Dagegen ist er froh um gute Freunde, mit denen er seinen Glauben teilt. Sie machen ihn darauf aufmerksam, wenn er auf einem falschen Weg ist. Wie wohlriechendes Öl für den Kopf ist es, wenn ein Gerechter ihn korrigiert.
Im dritten Teil geht es wieder um den Bezug zu Gott. Die Augen des Beters sind auf Gott gerichtet. Seine Kehle  ist in Sicherheit, Gott wird sein Leben nicht ausgiessen. «Ja, zu dir, HERR, sind meine Augen ausgerichtet. Bei dir finde ich Schutz. Giesse meine Kehle nicht aus.»

Von Andreas Egli

3. März

Gott sende seine Güte und Treue.
Psalm 57,4

Auch wenn sich das psychotherapeutische Gespräch vom seelsorgerlichen Gespräch unterscheidet, werde ich als Psychotherapeutin am Ende einer Behandlung ab und an um einen Segen gebeten, etwas, das an sich unabdingbar zum seelsorgerlichen Gespräch gehört. Dem komme ich gerne nach, entweder mit einem Gedicht von Hilde Domin oder dem Psalm 23, begleitet von guten Wünschen für den weiteren Lebensweg, der Bitte um Segen und Wohlbefinden.

«Gott sende seine Güte und Treue», bittet David im Psalm, in dem es durchwegs um die Bedrohung seines Lebens durch Feinde geht. Wir wünschen uns alle, dass jemand bei uns sei, wenn es uns schlecht geht, dass wir im «Schatten seiner Flügel» geborgen sein mögen und die Treue und Güte Gottes tief empfinden dürfen.

Wenn es um äussere Feinde geht, raten wir heute zu Selbstbesinnung auf eigene Anteile am Konflikt, ermuntern zum Gespräch mit dem Angreifer, setzen auf Diplomatie und Kompromiss. Damit jemand aber auf den Feind zugehen kann, braucht er in der Tiefe das Gefühl, angenommen und sicher geortet zu sein in Gottes Güte und Treue.

Begegnung mit dem Feind setzt voraus, dass ich an mich glaube und vertraue, das heisst daran glaube, dass Gott bei mir ist. Nicht dass ich gewinne im Konflikt, ich kann auch scheitern, wichtig ist indes, dass ich weiterhin vertraue und an Gottes Güte und Treue glaube.

Von Kathrin Asper