Gott sende seine Güte und Treue.
Psalm 57,4

Auch wenn sich das psychotherapeutische Gespräch vom seelsorgerlichen Gespräch unterscheidet, werde ich als Psychotherapeutin am Ende einer Behandlung ab und an um einen Segen gebeten, etwas, das an sich unabdingbar zum seelsorgerlichen Gespräch gehört. Dem komme ich gerne nach, entweder mit einem Gedicht von Hilde Domin oder dem Psalm 23, begleitet von guten Wünschen für den weiteren Lebensweg, der Bitte um Segen und Wohlbefinden.

«Gott sende seine Güte und Treue», bittet David im Psalm, in dem es durchwegs um die Bedrohung seines Lebens durch Feinde geht. Wir wünschen uns alle, dass jemand bei uns sei, wenn es uns schlecht geht, dass wir im «Schatten seiner Flügel» geborgen sein mögen und die Treue und Güte Gottes tief empfinden dürfen.

Wenn es um äussere Feinde geht, raten wir heute zu Selbstbesinnung auf eigene Anteile am Konflikt, ermuntern zum Gespräch mit dem Angreifer, setzen auf Diplomatie und Kompromiss. Damit jemand aber auf den Feind zugehen kann, braucht er in der Tiefe das Gefühl, angenommen und sicher geortet zu sein in Gottes Güte und Treue.

Begegnung mit dem Feind setzt voraus, dass ich an mich glaube und vertraue, das heisst daran glaube, dass Gott bei mir ist. Nicht dass ich gewinne im Konflikt, ich kann auch scheitern, wichtig ist indes, dass ich weiterhin vertraue und an Gottes Güte und Treue glaube.

Von Kathrin Asper