Der Mensch hat keine Macht über den Tag des Todes.
Prediger 8,8

Was auf das erste Hinhören eine «Binsenwahrheit» ist, soll zum Nachdenken anregen: Was soll ein solcher Satz mitten in einem alten, weisheitlichen Buch, dessen Motto «nichtig und flüchtig» lautet (1,2)? Macht haben wollen über meine Lebenszeit ergibt so wenig Sinn wie Macht haben wollen über den Wind. Oder gar über einen anderen Menschen. Solche Macht kommt einzig Gott zu! Wer das nicht ernst nimmt, überhöht sich, begeht Unrecht und will sich gar zum Entscheider über Leben oder Tod machen. Damit würde eine absolute Grenze überstiegen, kein Mensch hat das Recht dazu.
Beim Nachdenken über den scheinbar «banalen» Satz von heute halte ich ein: Nehme ich mir zuweilen in meinem Alltag, zu Hause, am Arbeitsplatz, im KollegInnenkreis, mehr heraus, als mir zusteht? Unbemerkt vielleicht, durchaus bewusst manchmal? Den Fragen muss ich mich stellen, wenn ich nicht selbst «nichtig und flüchtig» werden will. Meine Antworten aber, das muss ich mir eingestehen, sind nicht immer eindeutig. Und genau das macht mich demütig. Ich kann nicht mit Sicherheit sagen, ob ich mir der Grenzen meiner «Macht» jederzeit bewusst bin. Auch nicht, ob ich mir am Ende eines Tages genügend sorgfältig Rechenschaft gebe über mein eigenes Handeln und Verhalten. Aus dieser Demut kann gesunde Selbstkritik erwachsen, kontrollierteres Zusammenleben. Damit wird die «Binsenwahrheit» zu einem Wegbereiter von «persönlicher Wahrheit und Weisheit» …!

Von Hans Strub