Monat: November 2023

30. November

Euch, die ihr meinen Namen fürchtet, soll aufgehen die Sonne der Gerechtigkeit und Heil unter ihren Flügeln. Maleachi 3,20

Die Sonne der Gerechtigkeit wärmt und verheisst Geborgenheit unter ihren Flügeln, macht heil, was zerbrochen ist. Doch noch leuchtet sie nicht. Das Unrecht des Stärkeren setzt sich durch. Gerissenheit wird belohnt. «Es scheint vergeblich, Gott zu dienen.» (Maleachi 3,14) Die Erfahrung, dass unter die Räder kommt, wer sich dem Frieden und der Versöhnung verschreibt, wendet der biblische Text ins Versprechen, dass Gott nicht vergisst. Und wenn er die Sonne der Gerechtigkeit dann eines Tages aufgehen lässt, wärmt und schützt sie nicht nur die Gerechten, sie versengt auch das Unrecht. Die Unterjochten, die Gott die Treue halten, werden zu Gerichtsvollziehern der Gerechtigkeit: «Und ihr werdet die Ungerechten zertreten, ja sie werden Staub sein unter euren Fusssohlen.» (Maleachi 3,21)
Wird der Begriff der «Ungerechten» nicht auf einzelne Menschen, sondern auf ungerechte Zustände bezogen, erhält die Stelle Aktualität und Brisanz. Mehr noch: Sie wird zur Aufforderung, gegen Ideologien, deren toxischer Kern sich oft
zuerst in einer menschenverachtenden Sprache zeigt, aufzustehen. Die Bibel erzählt davon und nährt die Hoffnung, dass es möglich ist, die Macht der Gewalt zu durchbrechen und Ideologien zu Staub zu zertreten.

von: Felix Reich

29. November

Jesus sprach zu den Zwölfen:
Wollt ihr auch weggehen? Johannes 6,67

Im Taufgespräch verkünden die Eltern, sie schämten sich, ihren Sohn zu taufen. Ihre Bekannten und Freunde verstünden diese Entscheidung nicht. Im Traugespräch wünscht sich die Braut nichts sehnlicher, als von ihrem Vater zum Altar geführt und dort ihrem zukünftigen Mann in die Hand gegeben zu werden. Im Trauergespräch verkünden die Angehörigen, sie bräuchten keine Predigt und keine Gebete – nur einen Lebenslauf, den sie selbst vortragen. Ab und zu ist es schwierig, zu bleiben. Im Johannesevangelium fragt Jesus ohne Umschweife: «Wollt ihr auch weggehen?» Die Direktheit dieser Frage ist für mich ein Grund zu bleiben. Glauben, im möglichen Zweifel am Glauben, ist Hoffnung.

«Herr, wohin sollen wir denn gehen?», fragt Petrus nach. Er weiss, dass es anderswo oder bei jemand anderem ja sowieso nicht besser werden kann. «Du hast Worte des ewigen Lebens.» Davon will Petrus mehr. Und ich auch. Dazu gehört die Zumutung des Bleibens. Das kann ja manchmal eine Provokation sein. Nicht weglaufen, sondern mich stellen. Dem Ärger, den jemand hat. Vielleicht auch auf mich. Den Sorgen und Ängsten. Auch den Vorurteilen und Vorwürfen. Und dann offen sein und darauf vertrauen, dass uns zur rechten Zeit das rechte Wort zufällt.

von: Chatrina Gaudenz und Lars Syring

28. November

Wenn dein Wort offenbar wird, so erleuchtet
es und macht klug die Unverständigen. Psalm 119,130

Auf dem Weg zum ersten Advent. So fühle ich mich heute beim Lesen der Losung. Und die alttestamentlichen Worte klingen in meinen christlichen Ohren. Ich weiss, dass ich sie in einen neuen Rahmen lege, und doch klingen sie dort wie eine Ankündigung dessen, der kommt. Wie ein Hinweis auf das Licht der Welt, erst klein und dann immer grösser werdend. Wie ein Hinweis auf das Wort Gottes, das Fleisch wird, menschlich, wie du und ich.

Ein langer Weg. Ein langer Psalm, der von der Herrlichkeit, dem Glanz des Wortes Gottes singt. In 176 Versen wird das Wort Gottes besungen, die Gesetze gelobt, die Gebote gepriesen und die Ordnungen von Gottes Gerechtigkeit als der Weg, der zu gehen ist, beschrieben: Dein Wort ist meines Fusses Leuchte und ein Licht auf meinem Wege.

Am Ende des Weges sind wir noch lange nicht angelangt, denn heute ist erst Dienstag und nicht das Ende aller Tage. Noch gibt es Dunkelheit und Unverständnis. Manchmal
kommt es mir vor, als sei beides noch dichter als je zuvor. Noch warten wir und haben doch schon die Hoffnung des Lichtes vor Augen und eine leise Melodie in den Ohren: Wenn dein Wort offenbar wird, so erleuchtet es und macht klug die Unverständigen.

von: Sigrun Welke-Holtmann

27. November

Ihr habt Christus nicht so kennengelernt. Epheser 4,20

Wie? Wie habe ich Christus nicht kennengelernt? Das frage ich mich beim Lesen des Lehrtextes des Tages. Und – wie habe ich ihn überhaupt kennengelernt? Denn das ist ja die grundsätzlichere Frage. Wie kann ich jemanden kennenlernen, der schon ziemlich lange nicht mehr lebt? Also leiblich lebt. Ich habe ihn in Geschichten kennengelernt. In Erzählungen und Gleichnissen, in Worten, die allmählich zu Bildern geworden sind und die aus einem Unbekannten eine vertraute Gestalt gemacht haben, ohne dass ich diese je zu Gesicht bekommen hätte. Eine Lichtgestalt, die mein Leben verändert hat, in ein neues Licht getaucht und mich mit einer neuen Wärme energetisiert hat.
Hat dieses Kennenlernen einen neuen Menschen aus mir gemacht? Einen, um den Paulus im Epheserbrief so ringt? Bin ich wahrhaftig in der Liebe und wachse in allen Stücken zu Christus hin? Das weiss ich nicht. Aber was ich weiss, ist, dass diese Liebe
mich verändert hat und mir jeden Tag die Chance gibt, mich weiter zu verändern, zu wachsen. Manchmal im Wildwuchs und manchmal auch im Negativ-Wachstum. Manchmal nach innen und nach aussen, nach oben und nach unten. Manchmal gemeinsam mit anderen und auch wieder allein. Nicht immer in Gewissheit,
aber meist in der Hoffnung, dass diese Liebe, diese Kraft in und mit mir lebt.
So habe ich Christus kennengelernt.

von: Sigrun Welke-Holtmann

26. November

Der HERR ist gütig und eine Feste zur Zeit der Not und kennt, die auf ihn trauen. Nahum 1,7

Burgen haben mich als Kind sehr fasziniert. Bei Ausflügen mit meiner Familie zu verlassenen Burgruinen stellten wir Kinder uns das Leben der Ritter und Burgfräulein vor. Was für eine spannende Zeit! «Ein feste Burg ist unser Gott» dichtete Martin Luther, als Burgen noch eine sehr reale Verteidigungs- und Schutzfunktion hatten. Auf der Wartburg hatte ihn sein Kurfürst vor den Nachstellungen des Kaisers in Sicherheit gebracht. Heute geben Versicherungen vor, uns vor allen möglichen Gefahren zu beschützen. Sie verdienen an unserer Furcht: Denn wir wissen, unser Leben ist fragil und zerbrechlich.

Was schützt mich? Was ist für mich eine Feste in der Zeit der Not? Oft sind es Menschen, die mir ein offenes Ohr schenken. Jemand, dem ich meine Unsicherheiten anvertrauen kann. Manchmal ist es ein Ort, an dem ich zu mir selbst finde. Das kann mein Garten sein oder eine Bank auf meinem Lieblingsspaziergang. Dann merke ich: Zuversicht, Stärke und Hilfe liegen nicht im Aussen.
Der Prophet Nahum weist über unsere irdischen Erfahrungen hinaus. Der Name Nahum bedeutet schon «Tröster». Kann ich mich seiner Tröstung stellen? Auf Gott zu vertrauen, ist in Zeiten der Not ein echtes Wagnis. Mich einlassen auf diese einzigartige Liebesgeschichte…

von: Barbara Heyse-Holtmann

25. November

Seid Täter des Worts und nicht Hörer allein;
sonst betrügt ihr euch selbst. Jakobus 1,22

Wenn wir – zum Beispiel –
die Bergpredigt hören,
ist es die reine Überforderung!
Niemand kann das alles umsetzen.
Es ist schlicht eine Zumutung.
Der Rabbi aus Nazareth allerdings
mutet uns genau dies zu.

Nicht weil er uns auf Leistung
trimmen will, sondern weil er
uns ermutigt, mitzuwirken
an einer heileren Welt.
Wir sind eben nicht nur
Empfängerinnen und Empfänger
göttlicher Gnade,
sondern – ganz bescheiden
und höchst unvollkommen –
Beteiligte, Mitwerkelnde
an dem, was Glaubende
das Reich Gottes nennen.
Dieses Reich ist nämlich
eine Kooperative: Es braucht
uns alle, um zu versuchen,
das zu tun, was gut ist.
Für uns und für die ganze Welt.

von: Heidi Berner

24. November

Gott wird bei ihnen wohnen, und sie werden seine Völker sein, und er selbst, Gott mit ihnen, wird ihr Gott sein; und Gott wird abwischen alle Tränen von ihren Augen. Offenbarung 21,3–4

Manchmal sind sie auf Plakaten, die Tränen.
Am wirkungsvollsten auf einem Kindergesicht.
Denn wir sind darauf programmiert,
Tränen abzuwischen, Not zu lindern,
insbesondere bei Kindern.
Auf den Plakaten aber ist es oft nur
eine billige Masche, um an Geld zu kommen.

Am 8. September bebte die Erde in Marokko,
Häuser stürzten ein, viele Menschen starben.
Ein Zeitungsbild zeigt einige Frauen und Kinder
auf Wolldecken, inmitten von Trümmern.
Die Frauen sitzen da, mit gesenktem Kopf, apathisch.
Ein kleines Mädchen in der Mitte aber
blickt fröhlich zu zwei anderen Kindern hin.
Ich staune. Es hätte allen Grund zum Weinen.
Doch es lächelt.
Das Bild scheint nicht gestellt, ist keine Masche.
Es ist eine irritierende Momentaufnahme
voller Hoffnung in unvorstellbar grosser Not.
Diese Kinder wirken so lebendig und so stark.
Mag sein, dass sie später ihren Müttern, Vätern
die Tränen von den Augen wischen werden.

von: Heidi Berner

23. November

Gott, du kennst meine Torheit, und meine Schuld
ist dir nicht verborgen. Psalm 69,6

Die Vorstellung, dass es eine Macht gibt, die einen vollkommen durchschaut, könnte Angst machen. Oder auch Gelassenheit schenken. Was habe ich zu befürchten, wenn
es diese Macht gut meint mit mir, wenn sie mich richtet? Im Gebetsbuch Israels kommen Betende zur Sprache, die darauf hoffen und ihr Leben darauf ausrichten, dass Gott treu ist. In diesem Psalm ist die Stimme, die spricht, die Stimme eines Gerechten, der von seinen Feinden drangsaliert wird, weil er aufrichtig und unbestechlich für Gottes Sache einsteht. Ist es ein Prophet, der spricht? Ein Hiob? Ein Jeremia?

Jedenfalls weiss er, dass er für Gott leidet. «Denn deinetwegen erleide ich Schmach.» (Psalm 69,8) In diesem Licht – oder besser – unter diesem Schatten – ist das Eingeständnis des Beters, dass Gott auch seine Torheit kennt, mehr Seufzer als Bekenntnis. «Ach, du weisst ja, wer ich bin.» Dass Gott mich durch und durch erkennt, ist ein Trost. Wenn es jetzt so scheint, als hätten die Ruchlosen das Sagen, weiss ich doch: Irgendwann wird alles ans Licht kommen, meine Verfehlungen und meine Schmach, mein Versagen und mein kleines Scherflein Gerechtigkeit, das ich zum Schalom der Welt beitragen darf.

von: Ralph Kunz

22. November

Wie könnte ein Mensch recht behalten gegen Gott. Hat er Lust, mit ihm zu streiten, so kann er ihm auf tausend nicht eines antworten. Hiob 9,2–3

An englischen Unis gibt es Debattierclubs. Man übt sich in rednerischen Wettkämpfen. Ziel ist es, ein Gegenüber mit Argumenten zu «schlagen». Ich habe das nie in echt erlebt, aber denke, dass es bei einem solchen Schlagabtausch zur Sache geht. Natürlich mindert es die Streitlust erheblich, wenn man als Fliegengewicht gegen einen stärkeren Gegner antreten soll. Das ist bei Gott definitiv der Fall. Gott ist nicht nur Weltmeister, Gott ist der Meister der Welt. Was gibt es da noch zu debattieren? Hiob meint bitter: «Geht es um Macht und Gewalt: Er hat sie. Geht es um Recht: Wer will ihn vorladen?» (Vers 19) Das sind rhetorische Fragen. An wen gerichtet? Hiob debattiert ja nicht mit Gott, sondern mit seinen Freunden, aber er lamentiert, dass Gott sich der Debatte entzieht! Seine Freunde verteidigen Gott und decken Hiob mit Ratschlägen ein. Wer hat recht?
Das Buch Hiob ist von A bis Z im Stil einer Debatte konzipiert, bei der Gott zuerst lange schweigt und dann lange spricht. Im entscheidenden Satz richtet sich Gott an Hiobs Freunde. Er sagt ihnen: «Ihr habt nicht recht von mir geredet wie mein Knecht Hiob.» (Hiob 42,7) Gut zu wissen – Gott antwortet auf die Klage!

von: Ralph Kunz

21. November

Bis hierher hat uns der HERR geholfen. Samuel 7,12

Es herrschte Krieg zwischen den Israeliten und den Philistern. Samuel wurde gebeten, zum HERRN zu schreien, damit er den Israeliten beisteht. Zuerst aber wurden sie versammelt, gossen Wasser aus und sprachen davon, dass sie gesündigt hatten, denn sie hatten anderen Göttern vertraut. Und dann kam es zur Auseinandersetzung, ja zum Krieg gegen die Philister. Gott aber stand auf der Seite seines Volkes. Und dazu sprach Samuel, dass der HERR bis hierher geholfen hatte.
Immer wieder berichtet die Bibel über die Hilfe, die von
Gott, der Lebendigen, ausgeht. Es ist die Hilfe, die Leben ermöglicht, die den Menschen einen guten Weg zeigt, es ist die Hilfe, die auf der Seite der Menschen steht. Daran zu glauben, ja festzuhalten, ist nicht immer einfach. Gerade jetzt, wo der Krieg in der Ukraine intensiviert wird, wo Menschen dort und anderswo, wie in Niger, leiden, frage ich mich, weshalb ihnen keine Hilfe zuteilwird. Gewiss, die Israeliten haben sich schuldig bekannt. Aber an einem Schuldbekenntnis kann es in meinen Augen nicht liegen. Es leiden unzählige Menschen, denen keine Schuld vorgeworfen werden kann. Und eben genau da frage ich: Wo ist Gottes Hilfe? Aber diese Frage ist offensichtlich sinnlos. Vielmehr tue ich gut daran, eben gerade jetzt festzuhalten an der Überzeugung, dass die Lebendige mit allen Menschen auf ihrem Weg unterwegs ist. Schenke du allen leidenden Menschen deine Hilfe, jetzt.

von: Madeleine Strub-Jaccoud