Gott, du kennst meine Torheit, und meine Schuld
ist dir nicht verborgen. Psalm 69,6

Die Vorstellung, dass es eine Macht gibt, die einen vollkommen durchschaut, könnte Angst machen. Oder auch Gelassenheit schenken. Was habe ich zu befürchten, wenn
es diese Macht gut meint mit mir, wenn sie mich richtet? Im Gebetsbuch Israels kommen Betende zur Sprache, die darauf hoffen und ihr Leben darauf ausrichten, dass Gott treu ist. In diesem Psalm ist die Stimme, die spricht, die Stimme eines Gerechten, der von seinen Feinden drangsaliert wird, weil er aufrichtig und unbestechlich für Gottes Sache einsteht. Ist es ein Prophet, der spricht? Ein Hiob? Ein Jeremia?

Jedenfalls weiss er, dass er für Gott leidet. «Denn deinetwegen erleide ich Schmach.» (Psalm 69,8) In diesem Licht – oder besser – unter diesem Schatten – ist das Eingeständnis des Beters, dass Gott auch seine Torheit kennt, mehr Seufzer als Bekenntnis. «Ach, du weisst ja, wer ich bin.» Dass Gott mich durch und durch erkennt, ist ein Trost. Wenn es jetzt so scheint, als hätten die Ruchlosen das Sagen, weiss ich doch: Irgendwann wird alles ans Licht kommen, meine Verfehlungen und meine Schmach, mein Versagen und mein kleines Scherflein Gerechtigkeit, das ich zum Schalom der Welt beitragen darf.

von: Ralph Kunz