Autor: Barbara Heyse-Schaefer

26. November

Der HERR ist gütig und eine Feste zur Zeit der Not und kennt, die auf ihn trauen. Nahum 1,7

Burgen haben mich als Kind sehr fasziniert. Bei Ausflügen mit meiner Familie zu verlassenen Burgruinen stellten wir Kinder uns das Leben der Ritter und Burgfräulein vor. Was für eine spannende Zeit! «Ein feste Burg ist unser Gott» dichtete Martin Luther, als Burgen noch eine sehr reale Verteidigungs- und Schutzfunktion hatten. Auf der Wartburg hatte ihn sein Kurfürst vor den Nachstellungen des Kaisers in Sicherheit gebracht. Heute geben Versicherungen vor, uns vor allen möglichen Gefahren zu beschützen. Sie verdienen an unserer Furcht: Denn wir wissen, unser Leben ist fragil und zerbrechlich.

Was schützt mich? Was ist für mich eine Feste in der Zeit der Not? Oft sind es Menschen, die mir ein offenes Ohr schenken. Jemand, dem ich meine Unsicherheiten anvertrauen kann. Manchmal ist es ein Ort, an dem ich zu mir selbst finde. Das kann mein Garten sein oder eine Bank auf meinem Lieblingsspaziergang. Dann merke ich: Zuversicht, Stärke und Hilfe liegen nicht im Aussen.
Der Prophet Nahum weist über unsere irdischen Erfahrungen hinaus. Der Name Nahum bedeutet schon «Tröster». Kann ich mich seiner Tröstung stellen? Auf Gott zu vertrauen, ist in Zeiten der Not ein echtes Wagnis. Mich einlassen auf diese einzigartige Liebesgeschichte…

von: Barbara Heyse-Holtmann

26. September

Geh hin in dein Haus zu den Deinen und verkünde
ihnen, welch grosse Dinge der Herr an dir getan und
wie er sich deiner erbarmt hat.
Markus 5,19

«Geh doch nach Hause.» Der Mann, zu dem Jesus diesen
Satz sagt, hat schon lange kein Zuhause. Er kann nicht mit
anderen Menschen zusammenleben, denn er ist oft «ausser
Rand und Band». Man nennt ihn einen «Besessenen», später
wird man den Begriff «Tobsüchtiger» benutzen. Seine
tiefe innere Erregung findet in unkontrollierbaren Wutausbrüchen
eine Entladung. Dieser Mensch lebt nicht nur
äusserlich unbehaust, sondern ist auch nicht Herr in seinem
eigenen Körper.
Wie schwer es uns fällt, mit einem solchen Menschen
umzugehen, wie gross die Angst vor ihm! Erwachsene mit
derlei Tobsuchtsanfällen hat man zur Zeit Jesu in Ketten
gelegt, heute werden sie mit Psychopharmaka «ruhiggestellt
». Jesus lässt sich von all der Angst und Unruhe nicht
anstecken. Er begegnet dem Gepeinigten mit grosser Souveränität.
Plötzlich ändert sich alles. Gerade noch hin und her
gerissen, findet jener nun Ruhe, findet zu sich.
Im Gegensatz zu anderen, die Jesus auffordert, ihm nachzufolgen,
gibt er diesem Mann, der dazu willens wäre, den Auftrag,
nach Hause zu gehen. Daheim im heidnischen Gerasa,
von wo man ihn wegen seiner Krankheit weggewiesen hat,
dort soll dieser Mensch beginnen, von der Macht Gottes
und von seiner Befreiung zu berichten. Was für ein Auftrag:
Geh nach Hause!

Von: Barbara Heyse-Schaefer

26. Juli

Adam versteckte sich mit seiner Frau vor dem
Angesicht Gottes des HERRN.
1. Mose 3,8

Wussten Sie, dass der Vogel Strauss 2,50 m gross ist und
mit einer Geschwindigkeit von 50 km/h bis zu einer halben
Stunde laufen kann? Er ist in der Lage, sich durch gezielte
Tritte gegen Löwen und Geparden zu verteidigen. Woher
also die Legende stammt, dass er bei Gefahr den Kopf in den
Sand steckt, ist eigentlich unverständlich.
Tatsächlich entspricht die Redensart von der Vogel-Strauss-
Taktik mehr unserer menschlichen Reaktion auf störende
oder überfordernde Situationen.
Am häufigsten ignoriere ich E-Mails, auf die ich reagieren
sollte. Kurz gelesen, auf später verschoben, und schon sind
sie im unteren Bereich meines Postfachs verschwunden.
Ich ignoriere auch Eingebungen, und das ist schlimmer: Bei
XY sollte ich mich dringend melden. Dies oder das sollte ich
in Ordnung bringen. Seit meiner Krebserkrankung vor ein
paar Jahren mache ich das seltener. Ich greife schneller zum
Handy, wenn ich an jemanden denke …
Vor dem Angesicht Gottes können und brauchen wir uns
nicht zu verstecken. «Ich sitze oder stehe auf, so weisst du
es; du verstehst meine Gedanken von ferne» heisst es im
Psalm 139. Er kennt unser Herz. Wir können aufhören, den
Kopf in den Sand zu stecken, und dürfen uns auf die Suche
nach neuen Wegen machen!

Von: Barbara Heyse-Schaefer

26. Mai

Der HERR, unser Gott, ist gerecht in allen seinen
Werken, die er tut.
Daniel 9,14


Daniel ist nicht nur ein Prophet in schwierigen Zeiten, sondern
auch ein Mann des Gebets. Er fleht zu Gott mit hoher
Emotionalität – für sein Volk und für die Stadt Jerusalem. Er
betet unter Fasten, in Sack und Asche und findet Gott nicht
nur gerecht, sondern auch gross und schrecklich. Scham und
Versündigung seines Volkes beschäftigen ihn sehr.
Diese Themen hören wir heute gar nicht gerne. Es ist unmodern
geworden, von Schuld zu sprechen. Scham ist in unserem
Sprachgebrauch fast ausgestorben.
Und dennoch, auch wir versuchen die Zeit und ihre Schrecken
zu deuten: Wir fragen nach den Ursachen von Krieg
und Klimakrise. Aber anders als Daniel erwarten wir, dass
Gott über unser Unglück gütig wacht und seine Gerechtigkeit
gnädiger ist, als es menschliche Massstäbe befürchten
lassen.
Von Daniel möchte ich das emotionale Beten (wieder) lernen.
«Neige deine Ohren, mein Gott, und höre, tu deine
Augen auf und sieh an unsere Trümmer …»
Mir fällt das tägliche Abendgebet meiner Grossmutter ein.
Es war so voller Leidenschaft und Intensität – und oft unter
Tränen. Eine tiefe Übung des Vertrauens und der Hingabe!

Von: Barbara Heyse-Schaefer

26. März

Salomo sprach bei der Einweihung des Tempels:
Sollte Gott wirklich auf Erden wohnen? 1. Könige 8,27

Mehrere Reisen in den Orient öffneten mir die Augen, welche
unterschiedlichen Ortserfahrungen hinter biblischen
Texten stehen, die von Gottesbegegnungen erzählen:
Beim Betreten der gewaltigen Tempelanlage von Luxor
hatte ich erstmals eine Ahnung, welche Vorstellung eines
Gotteshauses die Israeliten aus Ägypten mitgebracht hatten.
Die tragbaren Barken, mit denen die Götterstatuen transportiert
wurden, erinnerten mich an die Bundeslade. Ich
war beeindruckt.
Eine mehrtägige Wüstenwanderung liess mich begreifen,
welche Bedeutung ein Begegnungszelt hat. Während wir
nachts in kleinen Igluzelten schliefen, trafen wir uns zu den
Mahlzeiten im äusserst wohnlichen Gemeinschaftszelt. Täglich
wurde dieses Zelt ab- und wieder aufgebaut. Es war für
diese Tage unser Zuhause.
Eine weitere Reise liess mich in den faszinierenden Felsformationen
in und um Petra plötzlich erahnen, warum Jakob
in einem Stein den Ort sehen konnte, wo die Himmelsleiter
den Boden berührt.
Die Bibel ist keinesfalls einengend oder beschränkend mit
ihren Vorstellungen, wo Gott wohnt. Der Tempel ist ein Ort,
wo sein Name angerufen werden kann. Doch ist auch dieser
Ort nur ein Abglanz, ein Platz, wo allenfalls Gottes Füsse
die Erde berühren – um ein menschliches Vergleichsbild für
Gott zu benutzen.

Von: Barbara Heyse-Schäfer

26. Januar

Du erfreust mein Herz mehr als zur Zeit,
da es Korn und Wein gibt in Fülle.
Psalm 4,8

Die Fülle des Lebens ist schwer zu erhaschen. Meist erleben
wir nur kurze Momente des Glücks: in den Armen eines
geliebten Menschen, beim ausgelassenen Spiel mit Kindern,
nach einer schmackhaften Mahlzeit.
Auch die Bibel beschreibt solche Augenblicke der grossen
Freude, die die Betroffenen jedoch kaum glauben können:
wie Sarah zum Beispiel, als sie erfährt, dass sie ein Kind
bekommt und «ungläubig» lacht, oder die Emmaus-Jünger,
die trotz brennendem Herzen den Herrn nicht erkennen.
Man muss das Glück glauben, wenn man es erfährt! Voller
Dankbarkeit! Aber es lässt sich nicht festhalten. Wir sehen
darin nur ein Gleichnis, einen Hinweis auf das völlige Angenommensein
bei Gott, auf die bedingungslose Liebe.
In diesem Leben bleibt das Glück wie ein tiefes Sehnen nach
Gott in unserem Herzen, wie es ein Lied von Anne Quigley
(There is a longing in our hearts, deutsche Übersetzung
Eugen Eckert) so treffend beschreibt:
Ein Durst nach Glück, nach Liebe. Ein Hoffen auf Frieden,
auf Freiheit. Eine Bitte um Heilung, um Ganzheit und
Zukunft.

Von: Barbara Heyse-Schäfer

26. November

Gott aber ist nicht ein Gott der Toten, sondern der Lebenden; denn ihm leben sie alle.   Lukas 20,38

«Gott ist nicht ein Gott der Toten, sondern der Lebenden. Er ist es, der das Leben schafft, erhält und der das Leben über alles in der Welt liebt. In der Hoffnung auf diesen Gott sagen wir: Dies ist nicht das Ende.» So spreche ich oft bei Beerdigungen.

Doch wie dieses Leben aussieht, da gehen die Ansichten weit auseinander, selbst unter den Christinnen und Christen. Bei Gesprächen versuche ich mich ganz auf die jeweiligen Jenseitsvorstellungen meines Gegenübers einzulassen.

Gerne würde ich auch mit Ihnen in einen Dialog eintreten: Was denken Sie über das Leib-Seele-Verhältnis? Gibt es in einer jenseitigen Welt ein individuelles Dasein oder haben wir Anteil an dem Alles-in-Allem, an der Unio mystica? Der heutige Text spricht davon, dass wir «in Gott» leben werden. Wie stellen Sie sich das vor? Wie ist das mit der Zeit? Gibt es jenseits unserer irdischen Welt noch zeitliche Abläufe? Wie wird unser irdisches Leben beurteilt werden? Und von wem? Von Jesus Christus oder gar von mir selbst, im Wissen, ein geliebtes Kind Gottes zu sein?

Einen Tag vor dem ersten Advent denke ich darüber nach: Welche zukünftige Welt erhoffe ich? Bin ich offen für das, was mich da erwartet? Verändert es mein Leben hier?

Von Barbara Heyse-Schaefer

26. September

Bekehre du mich, so will ich mich bekehren; denn du, HERR, bist mein Gott! Jeremia 31,18

Manchmal scheint es unmöglich, das Leben alleine zu meistern. Ich bin müde und erschöpft. Keine Energie mehr! Meine Füsse sind schleppend, das Herz ist schwer und der Kopf dumpf.

Ein Anstoss von aussen; eine Person, die mir die Hand reicht
– das könnte helfen!

Jeremia hat sich abgekämpft für seinen Gott. Er hat alles gegeben. Nun ist er ausgebrannt. Jetzt bleibt nur sein verzweifelter Notruf: «Hilf mir, Gott, wende meinen Blick. Ich kann es nicht allein! Ja, selbst zum Drehen des Kopfes fehlt mir die Kraft.»

Gott wartet auf diesen Seufzer. Er ist nie weiter als diesen Seufzer von uns entfernt. Und er schickt «seinen Engel», der uns den Kopf dreht, den Wendepunkt herbeiführt, der uns den Weg zurück zum Leben und zur Lebendigkeit zeigt.

In meiner dunkelsten Stunde war da plötzlich eine Stimme in meinem Herzen: «Ich werde nicht sterben, sondern leben und des Herrn Werke verkündigen.» Das war mein Wendepunkt! Da wusste ich, ich bin nicht allein. Gott wird alles zum Guten wenden, aber ich muss mich auch bewegen, vom falschen Leben und seinen Gewohnheiten umkehren.

Von Barabara Heyse-Schaefer

26. Juli

Machet kund unter den Völkern sein Tun, verkündiget, wie sein Name so hoch ist!   Jesaja 12,4

Als das fromme Gretchen dem Dr. Faust die berühmte Frage nach der Religion stellt, gibt dieser die ausweichende Antwort: «Nenn es dann, wie du willst, nenn’s Glück! Herz! Liebe! Gott! Ich habe keinen Namen dafür! Gefühl ist alles; Name ist Schall und Rauch, umnebelnd Himmelsglut.»

Ist der Name, die genaue Bezeichnung für Gott und Glaube, unwichtig, «Schall und Rauch»?

Anders sieht es das Märchen «Rumpelstilzchen», wo die Müllerstochter innerhalb von drei Tagen den Namen des Männchens herausfinden muss, das ihr geholfen hat. Als ihr dies gelingt, kann sie mit dem Aussprechen des Namens das grausame Versprechen aufheben, ihm ihr erstes Kind zu geben. Denn im Namen liegt ein grosses Potential.

Auch Gott enthüllt in seinem Namen sein Wesen. In seinem Namen lässt Gott sich von seinem Volk finden und bindet sich an den Rufer. Daher soll der Name nicht missbraucht werden. Dennoch: Der Name «Ich bin, der ich bin» ist eine Aussage, die die Auskunft über Gottes Sein verweigert. Wer Gott wirklich ist, wird man an seinem Tun erkennen.

Was sind eigentlich Gottes Werke an mir und in mir, die ich anderen kundtun soll? Wo hat Gott mich verändert?

Gottes Sein und mit ihm auch mein Sein sind im Werden.

Von Barbra Heyse-Schaefer

26. März

Der HERR wird seinen Engel vor dir her senden.
1.   Mose 24,7

Ein Engel soll dem Knecht Abrahams helfen, die richtige Frau für Isaak zu finden. Ganz schön dreist, denke ich, einen Engel für Liebesdinge zu bemühen. Dabei war die Liebe bei der Partnerwahl in damaliger Zeit gar nicht im Vordergrund, sondern wirtschaftliche Überlegungen oder, wie hier, der Wunsch Abrahams, eine Frau von ähnlicher Herkunft für seinen Sohn zu finden.

Wir halten ja nicht mehr so viel von arrangierten Ehen, wie sie in manchen Teilen der Welt durchaus noch üblich sind. Lieber verlassen wir uns auf den Algorithmus von Parship oder anderen Dating-Plattformen.

Wer aber kommt auf die Idee einen Engel zu beauftragen? Mir erzählte unlängst eine Frau, dass sie nach dem plötzlichen Tod ihres Mannes in eine tiefe Depression verfiel. In einem Museum vor van Goghs «Sternennacht» stehend, empfand sie seit langem wieder so etwas wie ein Glücksgefühl. Einige Zeit später bemühte sich ein Mann um sie. Als sie bei ihm zuhause, in seinem Schlafzimmer eine Reproduktion von van Goghs «Sternennacht» entdeckte, wusste sie ganz tief drinnen, sie war wieder zurück in der Liebe und im Leben.

Vielleicht hat doch Gott seinen Engel gesandt, den Weg für das Lebensglück dieser Frau zu bereiten – durch eine dunkle Zeit hindurch, hin zu einer leuchtenden Sternennacht! .

Von Barbara Heyse-Schaefer