Monat: März 2023

31. März

Die Israeliten schrien zu dem HERRN, und der HERR
erweckte ihnen einen Retter, der sie errettete. Richter 3,9

Immer wieder im Leben kommen wir an persönliche Grenzen,
die uns eine Rettung herbeisehnen lassen: Eine Erkrankung,
ein Schicksalsschlag, eine ausweglos erscheinende
Situation im Alltag vermitteln uns das Gefühl von Ohnmacht
und Verzweiflung. Uns fehlt die Kraft oder einfach
alles in unseren eigenen Möglichkeiten Liegende, um uns
aus dieser Lage selbst rausmanövrieren zu können. Plötzlich
hören wir uns dann ein Stossgebet sagen – einen Hilferuf,
eine Klage – wenn auch mehr zu uns selbst als in Richtung
einer metaphysischen Kraft. Wir, die wir den Glauben an
eine göttliche Rettung ersetzt haben durch Leitsätze wie
«für jedes Problem gibt es eine Lösung», begeben uns dann
reflexartig in eine vernunftgesteuerte Handlungsspirale, die
uns in unserer Gewissheit festigt, selbst Herr der Lage zu sein.
Wir gehen zum Arzt, wir holen uns Hilfe oder Trost bei Menschen,
die uns dafür geeignet scheinen. Wir schicken uns
sozusagen unseren eigenen Retter, der uns Rettung bringt.
Zur Zeit, als das Buch der Richter geschrieben wurde, sahen
die Menschen in Gottes rettender Hand ein Zeichen, dass sie
sich seiner Gunst wieder zuwenden sollen. Vielleicht können
wir diese heute noch in uns wohnende irrationale Hoffnung
auf Rettung in schweren Momenten als ein Zeichen annehmen,
dass nicht alles in unseren Händen liegt. Dass wir die
Dinge ihrem Lauf überlassen müssen, ohne die Hoffnung auf
eine überraschende positive Wendung aufzugeben. Dass wir,
statt in einen Aktivismus zu verfallen, etwas einfach ruhen
lassen. Ist das nicht auch eine Entlastung?

Von: Esther Hürlimann

30. März

Jesus nahm zu sich die Zwölf und sprach zu ihnen:
Seht, wir gehen hinauf nach Jerusalem, und es wird
alles vollendet werden, was geschrieben ist durch
die Propheten von dem Menschensohn. Lukas 18,31

Lukas gestaltet sein Evangelium als langen Weg ins Unvermeidliche.
Zum dritten Mal kündet Jesus an, was ihm angetan
werden wird. Die Zwölf verstehen nichts; sie können es
nicht verstehen, sagt Lukas, und ich frage mich, ob sie es
überhaupt verstehen wollen. Jesus ist ja ziemlich klar mit
seinen Ansagen. Oh, wie ich das aus meinem eigenen Leben
kenne: lieber den Kopf in den Sand zu stecken, als mich der
bitteren Wahrheit zu stellen. Ohne all die zum Kopfreinstecken
einladenden Sandhaufen könnte ich gar nicht überleben.
Ich muss mich auf das konzentrieren, was mir zu tun
möglich ist, und bei vielem anderem das Wegsehen üben,
sonst möchte ich verzweifeln. Jesus hoffte, dass sie ihm endlich
einmal zuhören. Darum wiederholt er sich. Aber seine
Leute sind noch nicht bereit dazu. Als es zur Katastrophe
kommt, rennen die meisten weg und der Einzige, der wagt,
in der Nähe zu bleiben, sagt: «Ich kenne diesen Menschen
nicht.» Nur dank Gottes Kraft, die vom Himmel kommt, lernen
die Zwölf, und all die anderen Männer und Frauen mit
ihnen, das Hinschauen und Handeln. Das erzählt die Pfingstgeschichte.
Danach sind sie wie verwandelt und scheuen
weder Tod noch Teufel. Auch das ist eine Lebenserfahrung:
dass durch mein Zutun sich doch tatsächlich auch mal etwas
bewegt. Mit Gottes Hilfe.

Von: Heiner Schubert

29. März

Die Menschen sprachen am Pfingsttag:
Wir hören sie in unsern Sprachen die grossen Taten
Gottes verkünden. Apostelgeschichte 2,11

Es gab und es gibt sie immer noch, die Megakirchen. Billy
Graham reiste aus Amerika an und erweckte die Schweiz. In
seinem Heimatland konnten und können Christen die Frohe
Botschaft konsumieren, ohne einen Schritt tun zu müssen.
Drive-ins machen es möglich. In den USA bestimmen heute
religiöse Überzeugungen die Politik. In Lateinamerika überholen
Freikirchen die katholische Kirche. Wenn Frau Bolsonaro
ihre Buben nach den Weisungen ihrer Kirche erzogen
hat, macht mich das allerdings skeptisch gegenüber deren
froher Botschaft.
Von den «grossen Taten Gottes» haben die Zeugen der
ersten Gemeinde damals an Pfingsten gepredigt. Was meinten
sie damit? Sie bezeugten Christus, den Auferstandenen.
Ihn, Jesus, den sie auf seinen Wegen und bei seinen Taten
begleitet, dessen Leben sie geteilt hatten und der ihnen
später
als der Lebendige wieder erschienen war. «Auferstanden
». Aber vorher waren sie vor seinem Leiden geflüchtet.
Sie wissen es jetzt: Das Leiden gehörte dazu. Machtlosigkeit,
Demütigungen, Schmerz gehörten dazu. Auferstehung ist
offenbar nicht anders zu haben.
Die zum erbaulichen Zuhören Versammelten auf den Parkplätzen
der Drive-ins, die Lobpreisenden in den Hallen der
Megakirchen, die Bolsonaros, beim Frühstück vereint – wissen
sie es auch?

Von: Käthi Koenig

28. März

Er weiss, was für ein Gebilde wir sind;
er gedenkt daran, dass wir Staub sind. Psalm 103,14

Manchmal glaube ich, dass wir es vergessen haben, oder auf
jeden Fall immer wieder erfolgreich verdrängen. Wir denken
uns, dass das ewige Leben eigentlich eine Versicherungsleistung
sein sollte, und mit der richtigen Tagespflege sollte auch
ewige Jugend drin sein. Da schert uns doch Gott nicht und
woran er sich erinnert.
Einmal im Jahr gehe ich mit meinem Kurs von angehenden
Pfarrerinnen und Pfarrern ins Krematorium. Okay, da geht
das Zu-Staub-Werden innerhalb weniger Stunden und mit
einem hohen Energieaufwand vor sich, aber es stellt uns
immer wieder sehr drastisch vor Augen, woraus wir sind
und zu was wir werden. Was bleibt, ist eine Schale voll grauer
Asche und feuerfester Ersatzteile, wie eine künstliche Hüfte
etwa. Aber auch die wird noch kleingesägt und in die Urne
mit hineingegeben.
Im Angesicht dessen, was übrigbleibt, ist das Leben einfach
wunderbar, bunt und blühend, und dass sich Gott unser
erbarmt, ja selbst Mensch geworden ist, um uns nahe zu
sein, ein einziges Wunder. Etwas, worüber wir den ganzen
Tag singen könnten:
Lobe den Herrn, meine Seele,
und seinen heiligen Namen.
Was er dir Gutes getan hat,
Seele, vergiss es nicht. Amen.
(Lied nach Psalm 103 von Norbert Kissel)

Von: Sigrun Welke-Holtmann

27. März

Geht und predigt und sprecht:
Das Himmelreich ist nahe herbeigekommen. Matthäus 10,7

«Geh nicht über Los (nach Schweizer Spielregeln «Geh nicht
über Start»), ziehe nicht 200 Euro ein.» Seit langem spielten
wir als Familie mal wieder Monopoly. Ich wusste gar nicht,
dass wir ein Spiel mit Euro-Spielgeld haben, es muss also neueren
Datums sein. Ereigniskarten und Gemeinschaftskarten
machen dieses Spiel abwechslungsreich, neben all dem Strassenkaufen
und Häuserbauen. «Geh zurück zur Badstrasse!»
Er spielt kein Spiel mit seinen Jüngerinnen und Jüngern,
und doch klingen die Aufforderungen in der Aussendungsrede
des Matthäusevangeliums ähnlich. «Geht nicht den
Weg zu den Heiden … Ihr sollt weder Gold noch Silber noch
Kupfer in euren Gürteln haben.»
Sehr konkret wird ihr Auftrag beschrieben, werden die
Zwölf ausgesendet in viele fremde Städte. Durch fremde
Strassen werden sie gehen und nicht immer willkommen
sein. Aber eines soll überall gleich sein: ihre Rede vom kommenden,
ja nahe herbeigekommenen Himmelreich.
Aber sie sollen nicht nur davon reden, sondern es auch
sichtbar machen: «Macht Kranke gesund, weckt Tote auf,
macht Aussätzige rein, treibt Dämonen aus.»
Ob die Jüngerinnen und Jünger wohl auf solche Anforderungen
vorbereitet waren?
Hätten sie sich dem Nazarener auch angeschlossen, wenn
sie die Spielanleitung vorher gelesen hätten?

Von: Sigrun Welke-Holtmann

26. März

Salomo sprach bei der Einweihung des Tempels:
Sollte Gott wirklich auf Erden wohnen? 1. Könige 8,27

Mehrere Reisen in den Orient öffneten mir die Augen, welche
unterschiedlichen Ortserfahrungen hinter biblischen
Texten stehen, die von Gottesbegegnungen erzählen:
Beim Betreten der gewaltigen Tempelanlage von Luxor
hatte ich erstmals eine Ahnung, welche Vorstellung eines
Gotteshauses die Israeliten aus Ägypten mitgebracht hatten.
Die tragbaren Barken, mit denen die Götterstatuen transportiert
wurden, erinnerten mich an die Bundeslade. Ich
war beeindruckt.
Eine mehrtägige Wüstenwanderung liess mich begreifen,
welche Bedeutung ein Begegnungszelt hat. Während wir
nachts in kleinen Igluzelten schliefen, trafen wir uns zu den
Mahlzeiten im äusserst wohnlichen Gemeinschaftszelt. Täglich
wurde dieses Zelt ab- und wieder aufgebaut. Es war für
diese Tage unser Zuhause.
Eine weitere Reise liess mich in den faszinierenden Felsformationen
in und um Petra plötzlich erahnen, warum Jakob
in einem Stein den Ort sehen konnte, wo die Himmelsleiter
den Boden berührt.
Die Bibel ist keinesfalls einengend oder beschränkend mit
ihren Vorstellungen, wo Gott wohnt. Der Tempel ist ein Ort,
wo sein Name angerufen werden kann. Doch ist auch dieser
Ort nur ein Abglanz, ein Platz, wo allenfalls Gottes Füsse
die Erde berühren – um ein menschliches Vergleichsbild für
Gott zu benutzen.

Von: Barbara Heyse-Schäfer

25. März

Selig sind, die Frieden stiften;
denn sie werden Gottes Kinder heissen. Matthäus 5,9

Meine Mutter war Deutsche,
erlebte den Krieg hautnah,
als Kind und Jugendliche.
Die aktuellen Meldungen lassen
vieles hochkommen von damals,
zum Beispiel vom Kriegsende.
Ihre Mutter sei damals beherzt
den Soldaten der Wehrmacht entgegengetreten,
habe ihnen alle Schande
gesagt, als sie sich auf der Strasse
verbarrikadiert hatten –
die Umgebung beschossen.
Auf der Strasse, durch die Tage zuvor
Flüchtlingsströme zogen.
Es sei klar gewesen, dass
Deutschland am Boden ist.
Sie und ihre kleine Schwester
hätten die Mutter am Schürzenzipfel zurückgezerrt,
hätten Angst gehabt.
Und die Mutter war im Schussfeld
eines Soldaten. Ja, dieses Bild
mit der Schürze, das bleibe immer
in ihrem Kopf.
Meine Oma – ein Kind Gottes.

Von: Heidi Berner

24. März

Jesus spricht: Selig sind, die das Wort Gottes hören
und bewahren. Lukas 11,28

Selig, glücklich seien wir,
wenn wir es hören,
das Wort, und es bewahren.
Wie erkennen wir es,
das Wort Gottes?
Tönt es anders
als unsere Worte?
Wahrhaftiger, edler?
Und wie sollen wir
dieses Wort bewahren?
Ich denke, es ist das Besondere
an diesem Wort,
dass es nicht lebenslang
in unserem Herzen
eingeschlossen und
verwahrt werden will.
Denn es ist keimfähig,
will in uns Wurzeln schlagen,
wachsen und Früchte tragen.
Ganz verschiedene Früchte!
Wie erkennen wir sie?
Sie sind bekömmlich
für uns und andere –
sie sind Lebensmittel.

Von: Heidi Berner

23. März

Du stillst das Brausen des Meeres und das Toben
der Völker. Psalm 65,8

Kein Mensch kann das Meer beruhigen. Es übersteigt seine
Kräfte. Was physikalisch unmöglich ist, macht erst die Metaphysik
möglich. Der Psalmist traut Gott viel zu! Wer ausser
Gott kann einen Sturm stillen? Das Bild hat sich uns Christen
eingeprägt – das Schiff, das sich Gemeinde nennt, vom
Untergang bedroht, der schlafende Jesus, der von den verängstigten
Jüngern geweckt wird, der souveräne Meister,
der den See anherrscht, als ob er ein bockiges Kind vor sich
hätte … Und dann der Friede. Bereitet es mir, dem postmetaphysischen
Wundernörgler, der ich bin, Probleme,
daran zu glauben? Ach wo! Warum soll Gottes Allmacht
mit einem Sturmtief nicht fertigwerden? Schwierigkeiten
macht mir die zweite Bildhälfte. Wer kann die Naturgewalt
der tobenden Völker bändigen? Was bringt sie zur Vernunft?
Wann hört die Schlachterei auf? Wer tritt zwischen uns, um
unserem Wüten ein Ende zu bereiten? Dagegen scheint die
Bändigung von ein paar Wellen ein Kinderspiel. Aber auf
dieses Wunder hofft der Glaube. Nicht aus Naivität, wie
manche ach so klugen Geister uns weismachen, nein, aus der
erschütternden und ernüchternden Einsicht heraus, dass wir
in all den Jahrhunderten, in denen Beterinnen und Beter mit
diesen Worten den Sturm in ihren Herzen stillten, noch nicht
weitergekommen sind – weder beim Wettermachen noch
bei der Erziehung des Menschengeschlechts.

Von: Ralph Kunz

22. März

Ich will das Verlorene wieder suchen und das Verirrte
zurückbringen und das Verwundete verbinden und
das Schwache stärken. Hesekiel 34,16

Gewisse Berufe kennen eine Selbstverpflichtung. Das kann so
aussehen: Die Berufsleute formulieren als Verein oder Gilde
ihr Ethos, bekunden ihre Absicht, bekennen sich zu ihren
Werten und leisten einen Eid. Daran erinnert die Losung.
Sie enthält als Kernaussage ein göttliches Berufsethos. Gott
kleidet seine Willenskundgebung in ein berufliches Sprachgewand
und verpflichtet sich, seine Regentschaft wie ein
guter Hirte zu versehen. Das Gotteswort verwendet ein Bild,
das im Alten Orient gerne für Regenten verwendet wurde.
Warum gerade dieser Beruf? Warum ausgerechnet dieses
Bild? Damit die ersten Hörerinnen und Hörer verstehen. Sie
sind nämlich keine Herde mehr, sehen keine grüne Aue und
keinen frischen Quell vor sich. Sie sind buchstäblich zerstreut
und damit, als vereinzelte Schafe, tödlichen Gefahren
ausgesetzt. Hat der göttliche Hirte seinen Job nicht getan?
Schwierige Frage! Die Antwort ist kompliziert. Sie führt uns
hinein in die Geschichte der Selbstverirrung Israels und das
Versagen seiner menschlichen Hirten. Was unweigerlich
neue Fragen aufwirft: Hat denn der göttliche Oberhirte die
menschlichen Berufshirten nicht im Griff? Darüber könnte
man durchaus ins Grübeln kommen. Oder sich darauf verlassen,
was der Wille Gottes ist. Schliesslich hat er einen Eid
geleistet.

Von: Ralph Kunz