Du stillst das Brausen des Meeres und das Toben
der Völker. Psalm 65,8

Kein Mensch kann das Meer beruhigen. Es übersteigt seine
Kräfte. Was physikalisch unmöglich ist, macht erst die Metaphysik
möglich. Der Psalmist traut Gott viel zu! Wer ausser
Gott kann einen Sturm stillen? Das Bild hat sich uns Christen
eingeprägt – das Schiff, das sich Gemeinde nennt, vom
Untergang bedroht, der schlafende Jesus, der von den verängstigten
Jüngern geweckt wird, der souveräne Meister,
der den See anherrscht, als ob er ein bockiges Kind vor sich
hätte … Und dann der Friede. Bereitet es mir, dem postmetaphysischen
Wundernörgler, der ich bin, Probleme,
daran zu glauben? Ach wo! Warum soll Gottes Allmacht
mit einem Sturmtief nicht fertigwerden? Schwierigkeiten
macht mir die zweite Bildhälfte. Wer kann die Naturgewalt
der tobenden Völker bändigen? Was bringt sie zur Vernunft?
Wann hört die Schlachterei auf? Wer tritt zwischen uns, um
unserem Wüten ein Ende zu bereiten? Dagegen scheint die
Bändigung von ein paar Wellen ein Kinderspiel. Aber auf
dieses Wunder hofft der Glaube. Nicht aus Naivität, wie
manche ach so klugen Geister uns weismachen, nein, aus der
erschütternden und ernüchternden Einsicht heraus, dass wir
in all den Jahrhunderten, in denen Beterinnen und Beter mit
diesen Worten den Sturm in ihren Herzen stillten, noch nicht
weitergekommen sind – weder beim Wettermachen noch
bei der Erziehung des Menschengeschlechts.

Von: Ralph Kunz