Monat: Februar 2022

18. Februar

Der HERR sprach zu Mose: Mein Angesicht kannst du nicht sehen;
denn kein Mensch wird leben, der mich sieht.
2. Mose 33,20

Kenne ich diese Sehnsucht, Gott zu sehen? Endlich einmal! Die Sehnsucht: Sie, die Unfassbare da, und ich im Kontakt mit ihr – spürbar?Und endlich ist etwas gestillt tief drinnen. Ist das «Gott sehen»?Oder klingt mir das zu schwärmerisch?
Die Unsichtbarkeit Gottes, soll Bonhoeffer einmal gesagt haben, könne einen schier zum Verzweifeln bringen.
Auch Moses, der geschildert wird als grosser Vertrauter Gottes, steht da mit diesem grossen Wunsch: Gott wirklich zu sehen. Und diese Bitte wird ihm abgeschlagen.
Was für harmlose Vorstellungen haben wir oft von Gottesbegegnungen. Als ob es eine Art FaceTime wäre… Immer mal wieder für ein angenehmes Feeling.
Stark, gefährlich sind solche Begegnungen offenbar!
Aber eine Möglichkeit wird in den Sätzen, die folgen, aufgetan (2. Mose 22–23): Dass ich «Gott nachschauen kann». Dass heisst, dass ich im Nachhinein, im Zurückschauen auf mein Leben – Spuren des Glanzes und der Güte Gottes entdecken kann. Und darin sie am Werk – durch und durch lebendig.

Von Ulrike Müller

17. Februar

Wenn ihr bleiben werdet an meinem Wort,
so seid ihr wahrhaftig meine Jünger
und werdet die Wahrheit erkennen,
und die Wahrheit wird euch frei machen.
Johannes 8,31–32

Als wenn es heute wäre, weiss ich, wie mich dieser Satz von der Wahrheit, die frei macht, getroffen hat. In einer intensiven Supervisionsgruppe war es. Als eine sagte, für das, was sie fühle, wie ihr zumute sei, dafür kämen ihr die Worte in den Sinn «und werdet die Wahrheit erkennen und die Wahrheit wird euch frei machen.» Es war ein Seufzer-Glück-Freiheits-Moment. Alles in einem: Seufzen und Glück und frei. So habe ich es wahrgenommen. Und ich wusste, wie wahr es war, weil ich es kannte.

Wie sie sind, solche Momente? Manchmal fast zu schwer. Aber darin fällt etwas ab von mir, und es ist flügelleicht. Oder es hebt heraus aus den glatten Worten, dem Vorzeige- Glauben, dem «Nicht-anders-Können». Manchmal schwemmen die Wahrheits-Trauer-Glücks-Tränen Krustiges weg.

Es sind Augenblicke. Nicht drinbleiben kann ich. Und immer wieder suche ich sie. Jedes Mal, wenn ich Bibelworte lese – in Bolderntexten oder anderswo –, habe ich die Hoffnung, dass sie wie ein Spiegel sein könnten, in dem meine Wahrheit aufleuchtet.

Von Ulrike Müller

16. Februar

Wachet, steht im Glauben,
seid mutig und seid stark!                        
1. Korinther 16,13

Kennen Sie das Hinterherrufen, wenn Eltern ihre Kinder an der Haustür verabschieden? Wenn sie in der Schulzeit zur Klassenfahrt aufbrechen? Oder zu ihrem ersten Vorstellungsgespräch? Eltern rufen ihren Kindern zum Abschied hinterher, was ihnen besonders wichtig ist: Pass auf dich auf! Gute Reise! Viel Glück! Dieses Hinterherrufen finden wir auch bei Paulus am Schluss von Briefen, heute zum Beispiel im Lehrtext.

Mut und Stärke – ja, das hat die Gemeinde in Korinth damals gebraucht. Die Stadt Korinth im ersten Jahrhundert glich in mancher Hinsicht unserer westlichen Kultur heute. Die Gemeinde dort lebte inmitten einer pluralistischen Gesellschaft. Unzählige geistliche Weltanschauungen standen nebeneinander – ein religiöser Supermarkt. Es gab kaum gesellschaftlich verbindliche ethische Werte und Normen. Korinth war eine Stadt im moralischen Chaos.

Mittendrin lebte diese kleine Gemeinde von Christen, die dabei war zu lernen, Jesus im täglichen Leben nachzufolgen. Oft waren sie dabei hingefallen, wieder aufgestanden und immer wieder wurden sie aufgerichtet von Paulus und seinen Worten.

Ich weiss nicht, wohin der heutige Tag Sie führen wird. Ich wünsche Ihnen und mir, dass wir die Worte von Paulus für heute neu hören. Dass wir wachsam sind und unbeirrt am Glauben festhalten und mutig und stark handeln.

Von Carsten Marx

15. Februar

Die Toren sprechen in ihrem Herzen:
«Es ist kein Gott.»                  
Psalm 14,1

Gibt es Gott? Ich glaube: ja. Dabei glaube ich nicht blind, sondern aufgrund von Erfahrungen und Gedanken, die ich mir im Laufe meines Lebens gemacht habe.Am Anfang meines Glaubens steht für mich das Staunen darüber, dass es überhaupt so etwas wie unsere Welt gibt. Die moderne Physik kann zwar erklären, wie sie vor rund 14 Milliarden Jahren mit einem grossen Knall entstanden ist, sie kann auch erklären, was 2 bis 3 Millisekunden nach diesem Urknall alles geschah, aber sie weiss bis heute nicht, warum plötzlich ein ganzes Universum aus Zufall entsteht? Für mich klingt das nicht sehr überzeugend. Für mich ist das Vorhandensein des Universums, ja, dass es so etwas gibt, wie zum Beispiel die Strahlen der Sonne, das Rauschen des Windes in den Blättern oder die Fische im Meer, ein einziges Wunder. Und wenn ich viele dieser Wunder in ihrer Entstehung erklären kann, staune ich darüber. Dieses Staunen ist der Anfang meines Glaubens. Aus diesem Staunen wächst so etwas wie Vertrauen. Das Vertrauen, dass es eine Kraft hinter unserer Welt gibt, von der alles herkommt und die ich Gott nenne.

Mein Glaube hilft mir, zu vertrauen, zu lieben und zu vergeben.

Von Carsten Marx

14. Februar

Mit Freuden sagt Dank dem Vater, der euch tüchtig gemacht hat zu dem Erbteil der Heiligen im Licht. Kolosser 1,11–12

Tüchtig machen, ertüchtigen, im Englischen gibt es den Begriff empowerment, d. h. eine Sache angehen können, sie mit neu gewonnener Stärke bewältigen. Im Text geht es um Dank für die Befähigung, ein Erbe mit Freuden als Treuhänder*in zu verwalten.

Oft nutzt das Neue Testament dabei die Metapher des Lichts als Symbol für Reinheit. Im Kontext des gestrigen Textes, auf den sich der heutige Losungstext wunderbar beziehen lässt, ist es die Reinigung von der Missachtung alt- und neutestamentlicher Werteordnungen wie Gottesglaube, Liebe, Gerechtigkeit, Hoffnung, denn durch sie leben wir als Gemeinde. Unser Glaubensbekenntnis umreisst in der Aussage «eine heilige, allgemeine, christliche Kirche» die Kriterien dieses Lebens.

Jürgen Moltmann hat einmal sehr schön gefragt, warum in der Beschreibung von Kirche (d. h. doch unserer Gemeinschaft) eigentlich der Begriff «arm» fehlt, um zu ergänzen, dass er in «heilig» enthalten ist. Heilig im Licht zu sein, bedeutet somit auch, einen Lebensstil zu führen, der genügsam, die Schöpfung bewahrend, solidarisch, ökumenisch, gemeinwohlorientiert ist. Hierzu hat uns Gott befähigt – ihm sei Dank.

Von Gert Rüppell

13. Februar

Wer wird den Tag seines Kommens ertragen können,
und wer wird bestehen, wenn er erscheint?  
Maleachi 3,2

Die Frage Maleachis scheint bedrohlich, aber im Gesamtzusammenhang des Textes wird deutlich, warum die westliche christliche Tradition dieses Prophetenbuch als Abschlusstext des Alten Bundes betrachtet. Es fasst zusammen und kündigt zugleich Kommendes an. Es ist der Bote, der Gesuchte, den der Herr schicken wird und der zugleich die Frage aufwirft, ob man sein Kommen wird ertragen können. Diese Frage hat mit den Themen zu tun, die für Maleachi zentral sind. Es sind die Grundprinzipien des Bundes – Mitmenschlichkeit, Gemeinwohl –, deren Einhaltung gefordert wird und die den Volksgenossen allzu oft unbedeutend sind. Es geht um Segen, Gerechtigkeit und Sorge um die Armen. Wenn diese Bundesgrundlagen missachtet werden, ist Reinigung gefordert, damit eine Begegnung mit dem Engel des Bundes möglich wird. Es geht darum, die Ordnungen Gottes wiederherzustellen und so erneut Segen zu erwirken. So verweist uns der Text auf die messianische Zukunft. Im Heute wirft er die Frage auf, wie angesichts von Ungerechtigkeit, Krieg, Gewalt gegen Frauen und Kinder solidarische Gemeinschaft gelebt werden kann. Wie in jedem Menschen das Ebenbild und der Segen Gottes erkannt und Nächstenliebe praktiziert werden kann. Die Frage also, wie wir angesichts der in unserem Glauben verankerten Werte in der Praxis bestehen können.

Von Gert Rüppell

12. Februar

Lass meinen Mund deines Ruhmes und
deines Preises voll sein täglich.  Psalm 71,8

Gott rühmen, preisen, loben – mit Worten, mit Musik, mit Tanz, in unseren Gottesdiensten, im persönlichen Gebet: eine Selbstverständlichkeit. Oder am Ende doch nicht? Vor dem Gloria steht in der Messliturgie das Kyrie, und das Gloria schlägt selber den Bogen wieder zurück zur Bitte um Erbarmen. Das «Lob pur» gibt es da nicht, und es kommt auch in der Bibel so kaum vor. Die Lobpsalmen gründen Gottes Ruhm auf Erzählungen von dem, was Gott tut oder getan hat; es ist ein Lob mit Grund, ein «Lob, weil…». Manchmal aber gehen dem Lob Erzählungen von Leid und Not voraus, bis dahin, dass jemand trotz solchen Erfahrungen Gott lobt und preist. So ist es dann ein «Lob trotz …».

«Lob pur» ohne die einen oder die anderen Erzählungen wäre Ausdruck einer realitätsfernen Hurra-Theologie, mit der das wirkliche Leben dröhnend übertönt wird, bei einer Opium-Religion. Das rechte Gotteslob ist eingebettet in einen viel weiteren Horizont, in eine Wirklichkeit, die neben Glück und Erfüllung auch Hindernisse, Enttäuschungen, Widerstände und Ängste kennt. Es ist oft Lob «aus der Tiefe», das wir eigentlich gar nicht zu singen vermögen. So erschliesst sich unsere Tageslosung: Wir bitten Gott, selber unseren Mund mit dem Lob zu erfüllen, zu dem wir von uns aus nicht fähig sind – täglich, an guten wie an schlechten Tagen.

Von Andreas Marti

11. Februar

Achtet ernstlich darauf um eures Lebens willen, dass ihr den HERRN, euren Gott, lieb habt.       Josua 23,11

Gott lieben – wie geht das? Sollen wir ihm Liebeserklärungen zurufen oder zusingen, so wie in manchen Worship-Songs? Sollen wir in der Sprache der exklusiven Liebesbeziehung, im Muster des Just You And Me Emotionen ausdrücken und aufheizen? Solche Gefühlsekstasen sind der Bibel eher fremd. Als König David im Überschwang vor der Bundeslade hertanzte, kam das nicht nur gut an. So wie die Liebe zwischen Menschen, egal ob in der Paarbeziehung, in der Familie, in Freundschaften, nicht nur aus Emotionen besteht, so ist es wohl auch mit der Gottesliebe. Liebe heisst, mit dem Gegenüber zu rechnen, sich mit ihm auszutauschen, das Leben mit ihm in Einklang zu bringen, das Gegenüber zu einem Teil des eigenen Lebens zu machen.

Gott lieben heisst, Gott zu einem Teil unseres Lebens zu machen, auch und gerade dann, wenn wir ihn als Geheimnis, als die ganz andere Wirklichkeit jenseits unserer Horizonte wahrnehmen. Die Geschichten in der Bibel, allen voran diejenigen über Jesus von Nazareth, erzählen uns, dass wir damit rechnen dürfen, geliebt zu sein, wie immer wir uns Gott vorstellen mögen – als persönliches Gegenüber, als Kraft hinter allem, was ist, als alles umgreifende Wirklichkeit. Gott lieben heisst, mit dem Geliebtsein zu rechnen. Das ermöglicht ein Leben im Einklang mit dem guten Willen Gottes – Gott lieben um des Lebens willen. Das ist sein Wort, und dieses Wort wollen wir halten.

Von Andreas Marti

10. Februar

Der Himmel ist der Himmel des HERRN; aber die Erde hat er den Menschenkindern  gegeben. Psalm 115,16

Beim obigen Vers macht sich Empörung in mir breit: Was bin ich denn, ein kleines Kind, das im Spielparadies, aber nicht bei den Grossen sein darf? Vor einer grossen Türe, hinter der sich ein grosses Geheimnis verbirgt? Und sich lüften liesse? Ich komme mir auch vor wie ein Kind, das von den Eltern allein auf dem Spielplatz gelassen wird, zusammen mit anderen Kindern, die vielleicht nicht nur nett sind.

Im Psalm selbst hört es sich etwas anders an: Da wird vor allem ein Unterschied gemacht zwischen dem HERRN, den man nicht anfassen kann, und den Götzen aus Silber und Gold, die von den anderen Völkern verehrt werden, obwohl sie doch «Machwerk aus Menschenhand» sind. Vom HERRN im Himmel kommen hingegen Segen und Schutz.

Aber da ist diese Trennlinie: hier Gott – da Mensch. Sie kann bewirken, dass ich mich von Gott losgelöst, abgetrennt fühle. Oder aber sie kann mir meine menschlichen Grenzen aufzeigen: dass ich zum Leben auf der Erde bestimmt bin und meine Wahrnehmung der ganzen Schöpfung, des Woher und Wohin und Wozu, begrenzt ist. Diese Begrenzung zu spüren, kann mich auch demütig machen, demütig und staunend über das Geheimnis des Lebens.

Von Katharina Metzger

9. Februar

Seine Herrschaft wird sein von einem Meer
bis zum andern und bis an die Enden der Erde.                                                                                                 Sacharja 9,10

«Oh, schön», dachte ich, als ich den obigen Vers las, «da wird wieder einmal Gottes Wirken in seiner Schöpfung beschrieben». Ich erinnerte mich an einen Kanon, den ich in der dritten Klasse gelernt hatte: «Ein heller Morgen oh-ho- ne-he Sorgen …» Vielleicht kennen Sie ihn. Er endet    mit: «… des Herren Macht hat Licht gebracht.»
So eindeutig schön ist das Wirken des «Herrn» in diesem Kapitel nun aber nicht beschrieben. Da geht es vielmehr auch um «Herrschaft».

«Immer dieser Herr, immer diese Herrschaft», denke ich. Aber anstatt den «Herrn» zu verbannen und nach alternativen Beschreibungen zu suchen, möchte ich nun versuchen, aus den Bildern, die zum «Herrn» in mir sind, ein grosses Bild mit Worten zu malen. Was sehe ich?

Da geht ein riesiger Mann über die Erde, den einen Fuss hat er auf einer Landmasse, mit dem anderen hat er das angrenzende Meer schon überquert. Er trägt einen weiten, weichen Mantel, der hinter ihm herweht und die Erdteile darunter in Schutz und Dunkelheit hüllt. Vor sich her sendet er das Licht. Er kennt alle Lebewesen, durch die er hindurchgeht. Er hat einen Stab, mit dem er Verlorenes aufspüren und zurück- holen kann. Er hat riesige Hände, die alles umfassen. Wo er geht, wird Schweres leichter und Verhärtetes biegsamer. Er spricht nicht mit Worten. Er ist da.

Von Katharina Metzger