Lass meinen Mund deines Ruhmes und
deines Preises voll sein täglich.  Psalm 71,8

Gott rühmen, preisen, loben – mit Worten, mit Musik, mit Tanz, in unseren Gottesdiensten, im persönlichen Gebet: eine Selbstverständlichkeit. Oder am Ende doch nicht? Vor dem Gloria steht in der Messliturgie das Kyrie, und das Gloria schlägt selber den Bogen wieder zurück zur Bitte um Erbarmen. Das «Lob pur» gibt es da nicht, und es kommt auch in der Bibel so kaum vor. Die Lobpsalmen gründen Gottes Ruhm auf Erzählungen von dem, was Gott tut oder getan hat; es ist ein Lob mit Grund, ein «Lob, weil…». Manchmal aber gehen dem Lob Erzählungen von Leid und Not voraus, bis dahin, dass jemand trotz solchen Erfahrungen Gott lobt und preist. So ist es dann ein «Lob trotz …».

«Lob pur» ohne die einen oder die anderen Erzählungen wäre Ausdruck einer realitätsfernen Hurra-Theologie, mit der das wirkliche Leben dröhnend übertönt wird, bei einer Opium-Religion. Das rechte Gotteslob ist eingebettet in einen viel weiteren Horizont, in eine Wirklichkeit, die neben Glück und Erfüllung auch Hindernisse, Enttäuschungen, Widerstände und Ängste kennt. Es ist oft Lob «aus der Tiefe», das wir eigentlich gar nicht zu singen vermögen. So erschliesst sich unsere Tageslosung: Wir bitten Gott, selber unseren Mund mit dem Lob zu erfüllen, zu dem wir von uns aus nicht fähig sind – täglich, an guten wie an schlechten Tagen.

Von Andreas Marti