Monat: März 2024

31. März

Ich will die Finsternis vor ihnen her zum Licht machen und das Höckrige zur Ebene. Jesaja 42,16

Ostern! Kein Tag im christlichen Kalenderjahr ist von so wuchtiger Bedeutung. Die Auferstehung Jesu ist die Essenz unseres Glaubens. Und jedes Jahr habe ich das Gefühl, die barocken Fanfaren des Oster-Oratoriums ein wenig auch in unserer säkularen Welt klingen zu hören. Ich empfinde an diesem Tag jeweils eine festliche Verbundenheit mit meiner christlichen Identität. Die ganze Fülle ist da: Erlösung, Verwandlung, Glück, Liebe. Finsternis wird zu Licht. Höckriges wird zur Ebene. Jedes Leid hat ein Ende. Alles wird gut!

Doch schleichen sich in diesen wundervollen österlichen Lobgesang auf all die kraftvollen Dinge unseres Glaubens auch Wolken voller Rätsel. Wie die ratlosen Angehörigen vor dem leeren Grab frage ich mich angetrieben von unserer glaubensfernen Vernunft: Vielleicht war die Folterung am Kreuz gar nicht das Lebensende von Jesus von Nazareth? Waren da nicht doch heimliche Retter im Spiel, die den vermeintlichen Messias lebend ins Ausland schmuggelten? Das leere Grab nur eine raffinierte Inszenierung?

Anerkenne ich Ostern als Moment, in dem ich ganz bewusst meinen christlichen Glauben feiern möchte, so lege ich an diesem Tag all diese Fragen für einmal in ein symbolisches Grab. Ich probiere es, dieses Wunder der Auferstehung auf mich wirken zu lassen, sodass Unerkanntes und Verborgenes aufleben kann. Das tolle Jesajawort ebnet dafür den Weg, um finstere Wolken und höckrige Böden zu passieren und diese Verwandlung zu neuem Sein in uns zu feiern.

Von: Esther Hürlimann

30. März

Der Herr macht sich auf, dass er sich euer erbarme. Jesaja 30,18

Gott rettet, die aufs falsche Pferd setzten. Gott erbarmt sich über die, die lieber eine Versicherung zu viel abschliessen. Er erbarmt sich über jene, die Vertrauen durch Kontrolle ersetzen, Gutmütigkeit mit erhöhter Alarmbereitschaft vertauschen und ihren eigenen Lebensraum beschneiden, um sich sicherer zu fühlen.

Noch ist Gott nicht da. Er ist erst daran, sich aufzumachen. Es braucht noch ein wenig Geduld, bis sein Erbarmen Früchte trägt in meinem bedrohten Alltag.

Sein Erbarmen brauche ich in der Tat, in meinem hasenfüssigen Leben und meiner Unfähigkeit, zu wissen, was übermorgen ist. Jesaja schreibt, als zöge mir Gott meinen schönen Teppich unter den Füssen weg, der mir Sicherheit gibt und den Bereich abgrenzt, den ich gerade noch so zu überschauen vermag. Gott lockt mich ins Weite, indem er mir die Vergeblichkeit meiner Bemühungen vor Augen führt, das, was zählt, wirklich im Griff zu haben. Selbstverständlich hoffe ich, die mir anvertrauten beruflichen Aufgaben zur Zufriedenheit der Auftraggeberin zu erfüllen. Es geht bei dem, was Gott mir mit Hilfe von Jesaja ausrichtet, um das grosse Ganze; das, worauf ich setze und wonach ich mich richte. Jesaja bewahrt mich davor, zu klein zu denken von Gott und zu kleinräumig vom Leben, das er mir anvertraute. Ich soll es nicht kaputtsorgen. Darum hoffe ich sehr, dass er heute rechtzeitig eintrifft.

Von: Esther Hürlimann

29. März

Als der Hauptmann und die mit ihm Jesus bewachten, das Erdbeben sahen und was da geschah, erschraken sie sehr und sprachen: Wahrlich, dieser ist Gottes Sohn gewesen!
Matthäus 27,54

Der Tod Jesu war, so wie es Matthäus erzählt, ein Spektakel. Seit drei Stunden lag eine tiefe Finsternis über allem. Oben am Kreuz betet Jesus Psalm 22: «Mein Gott, mein Gott, warum hast du mich verlassen?» Ob er noch bis zum nächsten Psalm gekommen ist? «Der Herr ist mein Hirte, mir wird nichts mangeln.» Nach seinem letzten Schrei zerreisst der Vorhang im Tempel. Der Weg zu Gott ist barrierefrei. Die Erde bebt, Felsen zerreissen und die Gräber tun sich auf. Die entschlafenen Heiligen nehme neue Wege unter die Füsse. Dass da auch der Hauptmann neue Gedanken denkt, leuchtet mir ein.

Am Abgrund, unter dem Kreuz, bekennt der Hauptmann: «Wahrlich, dieser ist Gottes Sohn gewesen.» Wie kann ich heute das, was wir den ersten Karfreitag nennen, mit meinem Leben verbinden? Wie kann ich es in meinem Leben bezeugen? «Ich danke dir von Herzen, o Jesu, liebster Freund, für deines Todes Schmerzen, da du’s so gut gemeint. Ach gib, dass ich mich halte zu dir und deiner Treu und, wenn ich einst erkalte, in dir mein Ende sei», so drückt es Paul Gerhardt im Lied «O Haupt voll Blut und Wunden» aus. So verbindet er jenen Tag, dessen wir heute gedenken, mit seinem Leben.

Von: Lars Syring / Chatrina Gaudenz

28. März

Jesus ging nach seiner Gewohnheit hinaus an den Ölberg. Es folgten ihm aber auch die Jünger. Und als er dahin kam, sprach er zu ihnen: Betet, dass ihr nicht in Anfechtung fallt!
Lukas 22,39–40

Betet! Können wir auf Befehl beten? Muss ein Gebet nicht aus mir selbst kommen, nach meinem Bedürfnis? Jesus fügt an, damit ihr nicht in Anfechtung oder in Versuchung fallt. Er selbst hat damals etwas abseits gebetet und er ist gestärkt aus dem Gebet hervorgegangen. Er hat der Versuchung zu flüchten standgehalten. Die Jünger sind eingeschlafen. Jesus fordert sie noch einmal auf und verweist auf die Zukunft. Er möchte, dass sie Verantwortung übernehmen für sich selbst. Dass sie Schwierigkeiten nicht einfach aus dem Weg gehen, sondern sich einsetzen für sich selbst und für ihre Werte. Das Leben zeigt uns, dass es nicht einfach ist, Versuchungen standzuhalten. Wir können nach einem Streit versucht sein wegzulaufen, obwohl wir uns eigentlich Versöhnung wünschen.

Im Gebet nehmen wir uns ein paar Minuten Zeit, um zu uns selbst zu kommen. Beten ist nicht dasselbe wie wünschen. Mein Wunsch, gesund zu werden, wird durch das Gebet nicht zwingend erfüllt. Aber das Gebet stärkt mich und ich kann so den Prüfungen des Lebens begegnen und Versuchungen standhalten, weil ich bei mir bleibe. 

Jesu Aufforderung hilft, mir dessen bewusst zu werden. Sie erinnert mich daran, dass ich jederzeit und überall beten kann und dass ich damit jederzeit anfangen kann.

Von: Monika Britt

27. März

Der HERR steht dem Armen zur Rechten, dass er ihm helfe von denen, die ihn verurteilen. Psalm 109,31

Die palästinensische Theologin Viola Raheb meinte einmal, es wäre für uns Europäer:innen leicht, von Feindesliebe zu sprechen, da wir eigentlich keine Feinde hätten. Kenne ich die Situation, von der hier im Psalm 109 die Rede ist, eigentlich?

Denn die Beter:innen des Psalms haben sehr wohl Feinde, Menschen, die ihnen nachstellen und sie unschuldig vor Gericht zerren. Als Folge sind sie von Armut und Elend bedroht. «Mein Herz ist zerschlagen in mir. Ich fahre dahin wie ein Schatten, der schwindet.» (Verse 22b–23a)

Die Beter:innen wissen sich keinen anderen Rat, als mit allen Gefühlen gegenüber ihren Feinden vor Gott zu kommen und ihm zu klagen. Vers 26: «Steh mir bei, HERR, mein Gott! Hilf mir nach deiner Gnade.»

Heute, einen Tag vor Gründonnerstag, fällt mir der Vers 5 aus Psalm 23 ein: «Du bereitest mir einen Tisch im Angesicht meiner Feinde.» Trotz Verfolgung und Erniedrigung fühlen sich die Psalmbeter:innen im Tempel sicher. Hier gibt es auch in Bedrängnis zu essen und zu trinken. Denn die Armen und Verfolgten finden Schutz und Asyl bei Gott.

Ich denke an die Flüchtlinge in unseren Pfarrgemeinden. Beim Abendmahl fühlen sie sich angenommen und den Einheimischen gleichgestellt. Ein Moment, der anders ist als ihre Alltagserfahrungen…

Von: Barbara Heyse-Schaefer

26. März

Der HERR macht im Meer einen Weg und in starken Wassern Bahn. Jesaja 43,16

Stiess man in früheren Zeiten an einen breiten Fluss oder ans Meer, war der Weg dort meist zu Ende – so auch für das Volk Israel am Roten Meer. Es konnte nur auf ein Wunder hoffen.

Vor ein paar Wochen bin ich im Zuge meiner Pensionierung umgezogen. Gerade noch mitten im Arbeitsleben stehend und von der Leitung einer grossen Konferenz kommend, sollte ich nun meinen Umzug organisieren. Ich war jedoch sehr, sehr erschöpft. Dann starb noch eine Freundin… Ich empfand mich wie vor einer unüberwindbaren Mauer oder einem breiten Gewässer stehend. Wie sollte ich das schaffen? Ein, zwei Tage war ich völlig verzweifelt. Es fühlte sich an wie ein beginnendes Burnout.

Doch dann – wie durch ein Wunder – wendete sich das Blatt. Ich begann darüber nachzudenken, wie und wo ich mir Hilfe holen könnte. Ich richtete ein Stossgebet gen Himmel und schrieb einen kurzen Satz auf einem Social-Media-Kanal. Kurz darauf riefen Freunde und Bekannte an und boten ihre Unterstützung an. Menschen, die mir im Traum nicht einge­fallen wären. Ich dachte, wow, nur keine Hilfe ausschlagen, jede einzelne ist ein grosses Geschenk!

Es waren anstrengende Tage, bis der Umzugswagen endlich vor der Tür stand. Doch am ersten Morgen im neuen Zuhause fühlte ich grosse Dankbarkeit. Der Durchzug durchs Rote Meer war geschafft! Alles fügt sich.

Von: Barbara Heyse-Schaefer

25. März

Predige das Wort, stehe dazu, es sei zur Zeit oder zur Unzeit.
2. Timotheus 4,2

Vor neun Jahren stiegen wir

im Sommer auf den Preikestolen,

den Predigerstuhl, in Norwegen.

Es ist ein Felsplateau,

600 Meter über dem Lysefjord.

Senkrecht hinunter geht es –

fantastisch ist der Ausblick.

Kein Geländer schützt

vor dem Absturz – trotzdem

oder gerade darum –

war ich geradezu berauscht

von der Exponiertheit,

der Fragilität der Existenz.

Geht es so jenen, die von oben,

von der Kanzel her predigen?

Sind auch sie berauscht?

Ergriffen von der Fragilität

der Gewissheiten?

Wer predigt, exponiert sich,

ist auch an einem Abgrund.

Und ich denke sogar, dass

wirklich gute Predigten sich

immer an den Rand

des Sagbaren trauen.

Auch ohne Kanzel.

Von: Heidi Berner

24. März

Was du, HERR, segnest, das ist gesegnet ewiglich.
1. Chronik 17,27

Sichtbar gesegnet warst du

beim Einzug in Jerusalem,

bejubelt von der Menge.

Wunderbar.

Lang hielt es nicht, das Wunder.

Wir kennen die Geschichte,

in verschiedenen Varianten

wird sie erzählt. Am Ende

hängst du am Kreuz.

Das Ende ist aber eigentlich

ein neuer Anfang.

Weiterhin bist du präsent

in unseren Gedanken,

in unserem Leben.

Bist gesegnet und segnest.

Klar, das ist alles eine Frage

des Glaubens.

Dennoch – ich hoffe,

dass auch Zweifelnde

wie ich ein Quäntchen

vom Segen abbekommen.

Damit wir selber – für uns

und für andere –

zum Segen werden können.

Von: Heidi Berner

23. März

Wie kann ein Mensch sich Götter machen? Jeremia 16,20

Als nackte Frage gelesen, ist die heutige Losung eine Steilvorlage für die Religionstheorie. Denn die Antwort liegt auf der Hand. Sich Götter zu machen, ist ziemlich einfach. Martin Luther hat das Rezept. Er schreibt im Grossen Katechismus: «Woran du dein Herz hängst, das ist dein Gott.» Und unser Herz ist anhänglich. Wir fabrizieren Götter am Laufmeter, beten sie an, geben unser Herzblut für sie und errichten Altäre. Sie haben viele Namen: «Konsum», «Geld», «Macht» oder ganz schlicht «Ich». Der Mensch, so formulierte es der polnische Philosoph Leszek Kolakowski, ist unheilbar religiös. Er meinte es ironisch. Anders Jeremia. Er ist kein Philosoph und auch kein Religionstheoretiker. Und die Frage ist eigentlich auch nicht seine. Es ist die verwunderte Feststellung eines Menschen, der den lebendigen Gott erkennt, den Schöpfer des Himmels und der Erde, der Heilige Israels, der sich, wenn die Zeit sich erfüllt, allen Völkern zu erkennen gibt. Der Prophet schaut voraus auf das, was dann kommt, auf die Stunde der Wahrheit. Er hofft darauf, dass die Völker von den Enden der Erde kommen und sagen: «Nur Lüge haben unsere Väter gehabt, nichtige Götter, die nicht helfen können.» (Vers 19)
Ist die Stunde der Wahrheit gekommen? Das entscheiden wir! Ein Glaubenssprung. Und falls wir noch nicht allen Göttern abgeschworen haben, hilft uns vielleicht ein Quäntchen Selbstironie auf die Sprünge.

Von: Ralph Kunz

22. März

In Christus ist alles geschaffen, was im Himmel und auf Erden ist, das Sichtbare und das Unsichtbare. Kolosser 1,16

Dass alles, was im Himmel und auf Erden ist, in Christus geschaffen ist, wirklich alles – Galaxien samt Sonnen, Planeten und Monden, aber auch Mikroben samt Atomen und Neutronen – ist eine atemraubende Vorstellung! Alles hat dieselbe Quelle, dieselbe Herkunftsbezeichnung und vor allem dieselbe Zukunft, «es seien Throne oder Herrschaften oder Mächte oder Gewalten; es ist alles durch ihn und zu ihm geschaffen.» (Vers 17) Nimmt Paulus den Mund zu voll?
O ja! Grösseres lässt sich nicht sagen, Allumfassenderes nicht behaupten. Eigentlich ist es ein Lob, ein Lied, das eine kosmische Gesamtschau entfaltet, die nichts und niemanden auslässt. 
Es gilt IHM, dem Christus. Denn er ist vor allem, und es besteht alles in ihm. Und irgendwo zwischen Atomkern und Weltall stehen wir – wie Plankton im Ozean, zu gross, um ins Innerste zu sehen, und zu klein, das Universum zu erfassen. Wir nehmen uns kaum die Zeit, darüber nachzudenken, wer wir sind, und wenn wir es tun, wird uns schnell schwindlig. Ich, ein Geschöpf in Christus? Aufgehoben im grossen Ganzen? Das Loblied sagt Dinge, die höher sind als unsere Vernunft. Ich kann es nicht fassen.

Aber was kann schlimm daran sein, wenn Gott der Ozean ist?

Von: Ralph Kunz