Ich will die Finsternis vor ihnen her zum Licht machen und das Höckrige zur Ebene. Jesaja 42,16

Ostern! Kein Tag im christlichen Kalenderjahr ist von so wuchtiger Bedeutung. Die Auferstehung Jesu ist die Essenz unseres Glaubens. Und jedes Jahr habe ich das Gefühl, die barocken Fanfaren des Oster-Oratoriums ein wenig auch in unserer säkularen Welt klingen zu hören. Ich empfinde an diesem Tag jeweils eine festliche Verbundenheit mit meiner christlichen Identität. Die ganze Fülle ist da: Erlösung, Verwandlung, Glück, Liebe. Finsternis wird zu Licht. Höckriges wird zur Ebene. Jedes Leid hat ein Ende. Alles wird gut!

Doch schleichen sich in diesen wundervollen österlichen Lobgesang auf all die kraftvollen Dinge unseres Glaubens auch Wolken voller Rätsel. Wie die ratlosen Angehörigen vor dem leeren Grab frage ich mich angetrieben von unserer glaubensfernen Vernunft: Vielleicht war die Folterung am Kreuz gar nicht das Lebensende von Jesus von Nazareth? Waren da nicht doch heimliche Retter im Spiel, die den vermeintlichen Messias lebend ins Ausland schmuggelten? Das leere Grab nur eine raffinierte Inszenierung?

Anerkenne ich Ostern als Moment, in dem ich ganz bewusst meinen christlichen Glauben feiern möchte, so lege ich an diesem Tag all diese Fragen für einmal in ein symbolisches Grab. Ich probiere es, dieses Wunder der Auferstehung auf mich wirken zu lassen, sodass Unerkanntes und Verborgenes aufleben kann. Das tolle Jesajawort ebnet dafür den Weg, um finstere Wolken und höckrige Böden zu passieren und diese Verwandlung zu neuem Sein in uns zu feiern.

Von: Esther Hürlimann