Monat: Januar 2023

31. Januar

Gnade sei mit euch und Friede von dem, der da ist
und der da war und der da kommt.
Offenbarung 1,4

Gott, bist du da? Wenn ich nicht weiss, wohin mit mir. Ich
mich fürchte vor dem Wahnsinn dieser Welt, in der Millionen
von Menschen ihre Heimat verlassen auf der Suche
nach ein bisschen Zukunft, in der Krieg und Hunger wüten.
Und mir angesichts dieser Katastrophen die eigene Angst so
lächerlich vorkommt und sie mir trotzdem den Atem raubt.
Gott, wo warst du? Als der Tod einbrach und einen geliebten
Menschen mit sich riss. Mich fassungslos zurückliess. Und
mir der vertraute Satz, dass bei dir der Tod nicht das letzte
Wort habe, nur noch hohl und schal wie ein Echo klang.
Gott, wann kommst du? Auf dass du Frieden stiftest, wo der
Krieg zerstört, sättigst, wo der Hunger quält, und endlich
Gerechtigkeit herstellst, wo die Gier regiert.
Vielleicht warst du tatsächlich immer da, bist bei mir, wirst
zu mir kommen. Im Aufatmen, das mich vom Würgegriff der
Angst befreit. In einer liebevollen Nähe mitten in Krankheit
und Sterben. Durch die Tür, die sich öffnete, als ich dachte,
ich sei am Ende meiner Möglichkeiten angelangt. In einem
heilsamen Wort im Moment des verzweifelten Verstummens.
Schenke mir das Vertrauen, Gott, dass du mit mir
gehst und schon dort bist, wo ich deinen Frieden nötig habe.

Von: Felix Reich

30. Januar

Der HERR, unser Gott, hat uns behütet auf dem ganzen
Wege, den wir gegangen sind.
Josua 24,17

Bhüet di Gott! Die Worte hörte ich oft als Kind. Und heute
sage ich sie manchmal auch. Nicht als Zauberspruch, der
imprägniert gegen die Gefahr. Wer sich von Gott behütet
weiss, ist nicht unverwundbar. Vielleicht wird er sogar durchlässiger,
aufmerksamer für die Not der andern. Der Wunsch
steht für die Einsicht, dass mein Leben nicht in meiner Macht
steht. Für die Hoffnung, dass Gott dich behütet, was dir
immer auch geschieht.
Im Buch Josua klingt der Satz wie ein Erfolgsrezept. Gott
zeigt seinen Segen, indem er sein Volk aus der Sklaverei
befreit, die Verfolger im Meer versenkt, seinem Feldherrn
Kraft und List verleiht, Kriege zu gewinnen. Die Eroberer sind
erbarmungslos: «Alles, was in der Stadt war, weihten sie der
Vernichtung mit der Schärfe des Schwerts, Mann und Frau,
Jung und Alt, Rind, Schaf und Esel.» (Josua 6,21)
Was mache ich nun mit dem Satz? Er klang so schön, jetzt
höre ich darin den Kriegslärm. Ich glaube nicht, dass Gott auf
dem Schlachtfeld kämpft. Doch ich weiss, dass Menschen ihr
Leben einsetzen für die Freiheit. In ihren Ohren erhält die
Erzählung vom wehrhaften Gott wohl einen anderen Klang.
Ich bete dafür, dass Gott sie behütet. Und dafür, dass ich
Frieden stifte, wo es in meiner Macht steht. Bhüet mi Gott!

Von: Felix Reich

29. Januar

HERR, Gott Zebaoth, tröste uns wieder; lass leuchten
dein Antlitz, so ist uns geholfen.
Psalm 80,20

Ich weiss nicht, was Trost ist. Ich weiss auch nicht, was das
Antlitz Gottes ist. Wenn ich das mit meinem Verstand
ergründen will, verirre ich mich in komplizierten abstrakten
Definitionen. Wenn ich diesen Satz aber einfach so lese, wird
mir warm und wohl. Ja, er leuchtet in mir. Ja, er vermag mich
zu trösten. Die Bitte erfüllt sich!
Aber das kann doch gar nicht sein. Und wenn schon, dürfte
ich es nicht zugeben. Wie wäre das doch kindlich und naiv.
Wie läge meine Seele blank und offen vor allen Diagnosen
aus psychologischen Lehrbüchern. Ich staune ja selber.
Meine Damen und Herren Sachverständige, und Sie alle,
die solche Worte nicht mehr hören wollen und können:
Trost? – Ein müdes Lächeln. Gottes Antlitz! – Schon wieder
der ewige Aufseher.
Aber so, wie es diesen realistischen Verdacht gibt, gibt es
auch die persönliche Erfahrung: stehen im Licht, befreit von
Ängsten und Verzweiflung. Das dauert vielleicht nicht an,
aber es geschieht immer wieder. Ich glaube, es kommt von
all den Gesichtern, die mich freundlich angesehen haben.
Von meinem ersten Lebenstag an. Vom Lächeln, das mir entgegenkommt.
Von allen wohlwollenden und interessierten
Blicken: Ich sehe dich! Ich hatte offensichtlich das Glück, dass
ich von klein auf erfahren habe: Trost, das gibt es. Ich glaube,
dass Gott selber die Begegnungen in meinem Leben in sein
freundliches Licht gestellt hat.

Von: Käthi König

28. Januar

Passt euch nicht den Massstäben dieser Welt an.
Römer 12,2

Manchmal sagt Paulus es so deutlich und präzise, besser
kann man es gar nicht ausdrücken. Und manchmal sind diese
Sätze heute noch genauso aktuell wie damals. «Schwimmt
nicht mit dem Strom.» (BigS)
Einfach aussteigen aus dem Irrglauben, dass alles immer
noch wachsen muss und auch wird. Höher, grösser, mehr.
Immer alles noch singulärer und einzigartiger. Dass jede/r
ein Anrecht auf alles hat und dieses Recht auch gnadenlos
durchsetzt. Rücksichtslos auf Kosten von anderen Menschen,
von Tieren und der Natur sowieso.
Oder wenn man sich einsetzt, dann soll es auf jeden Fall
medial gross herauskommen – dann soll es auch jede/r wissen,
dann wird der Kopf an einen alten Meister geklebt, ohne
Rücksicht auf Verluste. Auch die Aktionen dagegen folgen
dem altbekannten Schema: höher, grösser, mehr.
Die Massstäbe der Welt mit den Massstäben der Welt
bekämpfen? Gewalt mit Gewalt? Vermessenheit mit Vermessenheit?
Dummheit mit Dummheit?
Ich glaube, das hat noch nie funktioniert.
Doch wie kann es dann gehen?
«Schwimmt nicht mit dem Strom, sondern macht euch
von den Strukturen dieser Zeit frei, indem ihr euer Denken
erneuert. Dann wird euch deutlich, was Gott will: das Gute,
das, was Gott Freude macht, das Vollkommene.»

Von: Sigrun Welke-Holtmann

27. Januar

Der Gerechte ist wie ein Baum, gepflanzt an den
Wasserbächen, der seine Frucht bringt zu seiner Zeit,
und seine Blätter verwelken nicht.
Psalm 1,3

Welch ein Auftakt, der erste Psalm, Eröffnung im wahren
Sinne des Wortes. Er eröffnet eine anthropologische Weite:
«Glücklich sind die Frau, der Mann, die nicht nach den
Machenschaften der Mächtigen gehen, nicht auf dem Weg
der Gottlosen stehen.» (Psalm 1,1 nach BigS)
Aber nicht nur, was der Glückliche nicht macht, wird
beschrieben, sondern auch ganz positiv, wo ihre Lust Erfüllung
findet: an der Weisung Gottes. Und der Beter /die Beterin
hat auch ein Bild für diese Menschen vor Augen. Das Bild
eines Baums, kräftig und grün, im Saft stehend und Frucht
bringend zu seiner Zeit.
Ein starkes Bild: der mit dem Wasserbach verbundene
Baum, der seine Wurzeln alle Zeit an der Quelle hat. Und
wenn man genau hinhört, hört man vielleicht auch das Murmeln
der Weisung Tag und Nacht.
Welch ein Auftakt, und das Lied, das erklingt, ruft Resonanz
in mir hervor und Fragen beginnen zu klingen:
Wo stehe ich?
Was nährt meine Wurzeln?
Was erfüllt mich?
Welche Früchte füllen sich durch mich?
Und –
bin ich glücklich?

Von: Sigrun Welke-Holtmann

26. Januar

Du erfreust mein Herz mehr als zur Zeit,
da es Korn und Wein gibt in Fülle.
Psalm 4,8

Die Fülle des Lebens ist schwer zu erhaschen. Meist erleben
wir nur kurze Momente des Glücks: in den Armen eines
geliebten Menschen, beim ausgelassenen Spiel mit Kindern,
nach einer schmackhaften Mahlzeit.
Auch die Bibel beschreibt solche Augenblicke der grossen
Freude, die die Betroffenen jedoch kaum glauben können:
wie Sarah zum Beispiel, als sie erfährt, dass sie ein Kind
bekommt und «ungläubig» lacht, oder die Emmaus-Jünger,
die trotz brennendem Herzen den Herrn nicht erkennen.
Man muss das Glück glauben, wenn man es erfährt! Voller
Dankbarkeit! Aber es lässt sich nicht festhalten. Wir sehen
darin nur ein Gleichnis, einen Hinweis auf das völlige Angenommensein
bei Gott, auf die bedingungslose Liebe.
In diesem Leben bleibt das Glück wie ein tiefes Sehnen nach
Gott in unserem Herzen, wie es ein Lied von Anne Quigley
(There is a longing in our hearts, deutsche Übersetzung
Eugen Eckert) so treffend beschreibt:
Ein Durst nach Glück, nach Liebe. Ein Hoffen auf Frieden,
auf Freiheit. Eine Bitte um Heilung, um Ganzheit und
Zukunft.

Von: Barbara Heyse-Schäfer

25. Januar

Selig sind, die da hungert und dürstet nach der
Gerechtigkeit; denn sie sollen satt werden.
Matthäus 5,6

Selig – glücklich – sind nicht die Satten,
sondern die Hungrigen und Durstigen,
nicht primär nach Essen und Trinken,
sondern nach Gerechtigkeit.
Brot, Käse, Feigen, Wasser, Wein
verleiben wir uns ein
beim Essen und beim Trinken.
So müsste – analog – Gerechtigkeit
in uns Gestalt annehmen.
Nehmen wir ihn wahr und ernst,
den Hunger und den Durst
nach der Gerechtigkeit!
Trauen wir ihn doch einander zu,
auch jenen, die uns fremd sind
in ihren Werten, ihrem Glauben,
denn dieser Hunger, dieser Durst
ist nichts fürs stille Kämmerlein.
Sonst gibt’s nur Selbstgerechtigkeit.
Satt zu kriegen sind wir ja nicht ein für alle Mal.
Genauso, wie wir täglich essen müssen,
um zu überleben, sollten wir bestrebt sein,
täglich, unersättlich, die Gerechtigkeit
in unser Leben aufzunehmen.
Damit wir alle glücklicher werden.

Von: Heidi Berner

24. Januar

Der Höchste ist deine Zuflucht. Psalm 91,9

Jetzt, Ende Oktober, ist es nachmittags
wunderbar warm, sommerlich fast.
Wir geniessen die schönen Tage,
sind dankbar dafür, an einem guten
und friedlichen Ort zu leben,
sind uns bewusst, dass wir
privilegiert sind, dass an vielen Orten
auf unserem Planeten Angst
und Schrecken herrschen.
Wie wird es Ende Januar sein?
Werden wir genug Energie haben?
Wird der Krieg in der Ukraine
endlich, endlich zu Ende sein?
Wie wird es den Iranerinnen gehen?
Wo werden all die Vertriebenen
Zuflucht finden und Geborgenheit?
Wir leben in unsicheren Zeiten,
unser Grundvertrauen ins gute Leben
ist arg ins Wanken geraten.
Woran wollen wir uns halten?
Was ist der, die, das Höchste?
Vielleicht begegnen wir ihm, ihr
dort, wo wir Zuwendung erleben,
wo uns das Herz aufgeht –
wo immer wir grad sind.

Von: Heidi Berner

23. Januar

Lass mich nicht zuschanden werden, denn ich traue
auf dich!
Psalm 25,20

Der Ausdruck «zuschanden werden» ist nicht gerade Alltagssprache.
Wir sagen «lass mich nicht scheitern» oder
«enttäusche mich nicht». In der altertümlichen Wendung
«Schande» steckt aber etwas drin, das moderne Übersetzungen
verpassen. Die Angst des Beters ist es, in Schande zu
geraten, gedemütigt und beschämt zu werden, dass andere
auf ihn zeigen und über ihn spotten: «Schau nur, was für
ein Versager!» Dass die Feinde triumphieren, ist die Schreckensvorstellung
schlechthin. Davor soll Gott ihn bewahren.
Was uns zunächst fremd erscheint, ist beim näheren
Hinsehen sehr aktuell. Wie wichtig ist es doch bis heute,
dass Menschen ihr Gesicht wahren können. Selbst wenn
sie schuldig geworden sind und sich ihrer Schuld bewusst
sind, hoffen sie, dass die Ankläger ihnen einen Rest Würde
lassen. Feinde sind Menschen, die die Schwäche der Gegner
gnadenlos ausnutzen, um sie fertigzumachen. Sie nutzen
die Schwachstelle. Das kann die moralische Schuld sein, ein
Mangel an Mut, ein Fehler … Der Beter bittet um Bewahrung
seiner Seele, um Vergebung und den Beistand Gottes. Früher
oder später wird er straucheln. Das ist menschlich. Aber er
weiss, dass Gott nicht gnadenlos verurteilt. Er traut Gott. Das
kann lebenswichtig werden, wenn weniger gnädige Richter
ein Urteil fällen.

Von: Ralph Kunz

22. Januar

Einen andern Grund kann niemand legen ausser dem,
der gelegt ist, welcher ist Jesus Christus.
1. Korinther 3,11

Wenn Paulus über den Grund redet, hat er seine Gründe. Die
Gemeinde in Korinth ist daran, den Boden unter den Füssen
zu verlieren. Es gibt offensichtlich ein paar besonders einflussreiche
Gestalten in der kleinen Gemeinschaft, die meinen,
sie hätten die Weisheit mit Löffeln gefressen und es sei okay,
andere um sich scharen, die sie bewundern. Korinth wird zu
einer Gemeinde für charismatische Rosinenpicker – nomen
est omen. Ob Rosinen, Sultaninen oder Korinthen: Paulus
ist das Tuttifrutti unheimlich. Haben wir es mit einer ersten
Sektenbildung zu tun? Jedenfalls stellt der Apostel die Möchtegern-
Erleuchteten samt ihren Anhängern gehörig in den
Senkel. Wie macht er das? Indem er sie an das Fundament
erinnert. Der Vergleich ist vielleicht etwas gewagt, aber mir
leuchtet er ein. Paulus verweist die Ekklesia auf ihre Verfassung.
Er sagt: «Passt auf, wenn ihr in eurem Enthusiasmus
euch selbst zu religiösen Autoritäten erklärt. Unsere Glaubensbasis
hat ein anderer gelegt, Jesus Christus.» Sagt er, der
Gründer der korinthischen Gemeinde.
Wir brauchen von Zeit zu Zeit einen theologischen Bodenleger.
Irre ich mich, oder ist unsere Kirche diesbezüglich in
einer schlechten Verfassung? Genug Studentenfutter für
einen Sonntag …

Von: Ralph Kunz