Monat: Februar 2023

18. Februar

Ich bin gewiss, dass weder Tod noch Leben, weder Engel
noch Mächte noch Gewalten, weder Gegenwärtiges
noch Zukünftiges, weder Hohes noch Tiefes noch
irgendeine andere Kreatur uns scheiden kann von der
Liebe Gottes, die in Christus Jesus ist, unserem Herrn.

Römer 8,38–39

Ich stelle mir eine Waage vor. In der linken Waagschale: Tod,
Leben, Engel, Mächte, Gewalten, Gegenwärtiges, Zukünftiges,
Hohes, Tiefes … In der rechten Waagschale: die Liebe
Gottes, die in Christus Jesus ist. Gibt es etwas, dem diese
Liebe nicht standhalten könnte? Etwas, das das Potential
hat, zu verunsichern, zu ängstigen, an der Liebe Gottes zu
zweifeln, sie zu vergessen oder zu verachten? Ich ergänze
Paulus’ Liste: Erfolg und Scheitern, Mangel und Überfluss,
Unrecht, Krankheit, Krieg, Klima, Katastrophen … Nichts
davon vermag die Liebe Gottes auszuhebeln.
Meine Freundin ruft an. Sie hatte eine heftige Panikattacke
und findet nur langsam heraus. Ich erzähle ihr von meinem
ersten Bolderntext: «Nichts kann uns scheiden von der Liebe
Gottes.» Ihre Stimme leuchtet auf: «Mein Lieblingsvers! Rot
angestrichen in meiner Bibel. Wie gut, dass du mich gerade
jetzt daran erinnerst!» Nicht immer vermag sich meine
Freundin daran festzuhalten. Sie ist schon oft durch Phasen
der Dunkelheit gegangen. Aber irgendwann lichtet es sich
wieder, und sie weiss: Die Liebe Gottes hat mich immer
gehalten, auch wenn ich es nicht gespürt habe. «Jetzt kannst
du deinen Text schreiben», sagt sie.

Von: Dorothee Degen-Zimmermann

17. Februar

HERR, wie sind deine Werke so gross und viel!
Du hast sie alle weise geordnet, und die Erde ist voll
deiner Güter.
Psalm 104,24

Es sind die grossen Themen, die sich nahelegen, wenn wir
diesen Vers aus Psalm 104, dem grossen Lob des Schöpfers,
lesen: die überwältigende Schönheit der Schöpfung, die uns
in die Verantwortung für ihre Bewahrung ruft; die Fülle der
Güter, die uns sagt, es ist genug für alle da, und fragen lässt,
wie wir die Güter gerecht verteilen können.
Ich will meinen Blick heute auf einen anderen Aspekt
richten, der mitunter überlesen wird: Gott hat alles weise
geordnet. Schöpfung heisst Ordnung schaffen. Das ist der
allererste Gedanke der Bibel, so beginnt der Schöpfungsbericht:
«Am Anfang schuf Gott Himmel und Erde. Und die
Erde war wüst und leer.» (1 Mose 1,1–2a) Am Anfang war
Tohuwabohu. tohu = hebräisch Ödnis, Leere; bohu = hebräisch
ungeordnet sein. Am Anfang war Chaos. Ein heilloses
Durcheinander. Gott beginnt, alles weise zu ordnen: Tag und
Nacht, oben und unten, Himmel, Erde und Wasser. So entsteht
Schritt für Schritt, Tag für Tag aus Leere und Chaos ein
Lebensraum für Pflanzen, Tiere und Menschen.
Wir sprechen oft vom «schöpferischen Chaos» oder verbinden
Schöpfung mit «etwas ganz Neues machen». Doch
biblisch heisst Schöpfung: Raum, Rhythmus, Beziehungen
ordnen. Gott schafft Ordnung. Wie eine weise Hausfrau.

Von: Maria Moser

16. Februar

Ich rief zu dem HERRN in meiner Angst,
und er antwortete mir.
Jona 2,3

In Jona begegnet uns ein Mensch, der zu sich selbst findet;
der sich bewusst wird, was seine Aufgabe im Leben ist; der
erkennt, dass man Gottes Weg mit uns Menschen nicht
durchkreuzen kann. Jona bekommt von Gott eine Aufgabe
gestellt, der er sich einfach nicht gewachsen fühlt. Der Ausweg,
den er für sich findet, heisst Flucht. So weit weg wie
möglich fliehen – bis ans Ende der damals bekannten Welt.
Jona kommt mir sehr nahe. Denn ich kann nachfühlen,
wie er sich fühlen musste. Auch heute gibt es Aufgaben,
denen man am liebsten aus dem Weg gehen möchte; die
unbequem sind; die einen herausfordern und die einen vielleicht
an den Rand der eigenen Kräfte bringen. Ruhe- und
Auszeiten wären ratsam.
Jona wird eine Zeit der Ruhe geschenkt. Drei Tage und drei
Nächte verbringt er im Bauch eines Fisches. Jona ist für sich
allein mit seinen Gedanken. Er kann in Ruhe nachdenken
und Kräfte sammeln. Heutzutage gehen manche Menschen
dafür in ein Kloster. Weit weg von der Schnelllebigkeit und
Hektik der Welt. Weit weg von Handy und anderen technischen
Geräten. Gott stellt Menschen vor Herausforderungen.
Aber er gibt ihnen auch die Kraft, sie zu meistern und
ihren Weg zu gehen. Ich nehme mir jetzt erst einmal die Zeit
und hole meine alte Kinderbibel hervor. Das Bild von Jona
im Walfisch ist mir seit Kindergottesdienstzeiten vertraut.
Ich gönne mir Lesezeit.

Von: Carsten Marx

15. Februar

Ich werde an diesem Volk weiterhin wundersam
handeln, wundersam und überraschend, und die
Weisheit seiner Weisen wird zunichte werden, und der
Verstand seiner Verständigen wird sich verstecken.

Jesaja 29,14

Alles wird gut! – Kürzer und einfacher könnte man die Botschaft
wohl nicht zusammenfassen, die der Prophet Jesaja
hier an sein Volk Israel richtet.
Alles wird gut! Geht das so schnell und einfach? Die Forscher
sind sich zwar nicht ganz einig, aus welcher Zeit dieser
Vers genau stammt, aber so viel ist klar: Das Volk Israel macht
gerade eine Epoche der Unterdrückung durch. Vermutlich
ist es die Zeit, als die Assyrer Israel beherrschten und unterdrückten.
Es ist also eine brutale und zu tiefsten Depressionen
Anlass gebende Zeit.
Trotzdem erinnert Jesaja uns an den Kern des biblischen
Glaubens: Gott gibt uns nicht auf; er gibt nichts und niemanden
verloren – auch wenn es manchmal danach aussehen
mag. Gott mag sich eine Zeitlang auch einmal verbergen,
aber er ist trotzdem immer da. Er hat sein Volk Israel angenommen
und sein unwiderrufliches Ja zu ihm gesprochen.
Gott handelt wundersam an seinem Volk – manchmal verborgen
– dann wieder gibt er sich zu erkennen. Wir hören
das rauf und runter im Alten Testament und auch im Neuen
Testament – denken wir nur an die Geschichte dessen, nach
dem wir uns nennen: an die Geschichte Jesu Christi.

Von: Carsten Marx

14. Februar

Selig sind, die reinen Herzens sind; denn sie werden
Gott schauen.
Matthäus 5,8

Dieser Lehrtext aus der Bergpredigt beschreibt einen Zustand,
der schwierig zu erfassen ist. Die Losung von heute
hilft vielleicht weiter, denn dort ist «Gott Israels Trost für
alle, die reinen Herzens sind«(Psalm 73,1). Ist somit selig sein
eine Verfassung, in der wir uns Gott mit unserem «ungetrösteten
» Leben anvertrauen und Trost erhalten (Matthäus
5,4)? Was aber heisst dann als Vorbedingung dieser
Seligkeit, ein reines Herz zu haben? Oft verbinden wir rein
sein mit Sauberkeit. Ein sauberes Herz ist eines ohne dunkle,
schmutzige, feindliche Gedanken. Solches Rein-Sein hat
einen Hintergrund, wie eine Fensterscheibe, die nach dem
Putzen Transparenz darstellt. Sie ist klar, wir können wieder
auf das schauen, was hinter der Scheibe ist. Uns ist das,
was hinter dem Herzen ist, bereits im Lehrtext gesagt: «Sie
werden Gott schauen.» Gott also, schaubar mit dem ausgerichteten
Herzen, Gott im Blick auf die Realitätsnähe unseres
Herzens. Ein reiner Mensch kapselt sich nicht ab, macht
nicht die Augen zu, will nicht nur ungestört auf Gott blicken
können. Hunger, Krieg, Hass, Mobbing, Übergriffigkeit: Übel
und Widrigkeiten, die – durchsichtig auf Gott hin – das reine
Herz anzugehen lernt. Selig sein bedeutet für mich dann,
sein Herz dieser Transparenz auszusetzen und aus der daraus
folgenden Erkenntnis des Willens Gottes das Leben in aller
eigenen Begrenztheit zu gestalten.

Von: Gert Rüppel

13. Februar

Der Zöllner stand ferne, wollte auch die Augen nicht
aufheben zum Himmel, sondern schlug an seine Brust
und sprach: Gott, sei mir Sünder gnädig!
Lukas 18,13

Der Lehrtext ruft mir zugleich die Geschichte von Zachäus
(Lukas 19) in Erinnerung. Beide Male sind diejenigen Vorbilder,
die «Gutmenschen» als Systemfeinde gelten! Sie, die
Beamten eines Systems, dem der Shalom Gottes, Gerechtigkeit,
Friede und Schöpfungspflege, um der eigenen Macht
willen egal ist! Sie, die Übergewinne einstreichen, moralisch
verwerflich handeln, ausgerechnet sie, die «Zöllner»,
sollen Vorbild sein? Auch ich kenne Zöllner (Lobbyisten,
politische Gegner). Im Lehrtext rufen diese Abgestempelten:
«Gott sei mir Sünder gnädig!» Sie erkennen, dass sie
in all ihrem Tun doch die Gnade Gottes benötigen. Die
Geschichte ist eine Umkehrung des sozioreligiösen Wertekanons.
Die weit unten Angesiedelten scheinen Gott ganz
nah. Der Abgestempelte, heisst es weiter, geht gerechtfertigt
nach Hause
. Wer ist also mit seinem Leben Gott näher? Die
stets auf der richtigen Seite zu sein meinen oder die, deren
Handeln eine Trennung von Gott bewirkt, die aber diesen
«Sund» erkennen? Die Nähe hängt von unserer Beziehung
zu Gott ab. Stehen wir vor Gott als gottgefällige Rechtgläubige?
Oder wagen wir es, unsere Fehler und Ambivalenzen
einzugestehen? Der Schritt auf Gott zu, in: «Sei mir Sünder
gnädig», ist ein erster Schritt des Weges auf Gottes neue
Sozialordnung zu. Auf dem Pfad der Gnade, die Gott uns
Fehlerhaften widerfahren lässt.

Von: Gert Rüppel

12. Februar

Achtet genau darauf, dass ihr den HERRN, euren Gott,
liebt, und wandelt auf all seinen Wegen.
Josua 22,5

Wer mir dienen will, der folge mir nach; und wo ich bin, da
soll mein Diener auch sein. Johannes 12,26


Genauigkeit, Präzision: Auch wenn sie nur als «Sekundärtugenden
» gelten, sind es doch Tugenden. In den Ostkirchen
spricht man von «akribia» beim Einhalten ritueller
Vorschriften und liturgischer Regeln. Für das orthodoxe
Judentum ist die gewissenhafte Befolgung aller Gebote und
Verbote der Tora zentral, und Jesus selbst hat gesagt, dass
«kein Jota vom Gesetz» dahinfallen solle. Aber ebenso sagt
er, dass der Sabbat um des Menschen willen da sei und
nicht der Mensch um des Sabbats willen. Dazu erklärt er
die Gottes- und die Nächstenliebe zum obersten Gebot,
und so bekommt die «akribia» eine neue Dimension, die ja
auch schon im Losungswort in den Blick kommt: Die wahre
Genauigkeit ist die konsequente und unbeirrbare Liebe zu
den Menschen, die sich aus der Gottesliebe und aus der
Liebe Gottes zu uns speist. Darum tritt in den Ostkirchen
die «oikonomia» korrigierend zur «akribia», das Augenmass
bei der Umsetzung der Vorschriften, dessen Kriterium
die Liebe ist. Der Kirchenlehrer Augustinus hat es auf eine
griffige Formel gebracht: «Dilige et quod vis fac» – «Liebe,
und tue, was du willst.» Das sind die Wege Gottes, und das
ist die Nachfolge im Dienen, zu der uns Jesus ruft, so, wie es
der heutige Lehrtext sagt.

Von: Andreas Marti

11. Februar

Führe mich aus dem Kerker, dass ich preise
deinen Namen.
Psalm 142,8

Ob der Psalmbeter wirklich im Gefängnis sass, als er dieses
Gebet dichtete? Oder verstand er nicht bereits den «Kerker
» im übertragenen Sinn und dachte dabei an die dunklen
Seiten seines Lebens? Die kirchliche Tradition sieht bekanntlich
im «Kerker» die Verfallenheit der Menschen an Sünde,
Schuld, Tod und Verdammnis:
Unser Kerker, da wir sassen und mit Sorgen ohne Massen
uns das Herze selbst abfrassen, ist entzwei, und wir sind frei.

So singt Paul Gerhardt im Weihnachtslied (RG 403).
Heute müssen wir das Bild vom Kerker wohl weiter fassen,
wie es in einem neueren Lied (RG 700) heisst: Unser
Gefängnis ist das eigne Wesen
– es sind unsere Meinungen,
Überzeugungen, Gewohnheiten, Selbstverständlichkeiten,
Lebensentwürfe und Pläne. Sie mögen Orientierung geben,
aber sie engen auch ein. Dagegen steht Jesu Redeweise «ich
aber sage euch». Sie sorgt für heilsame Verunsicherung,
schafft Raum für Gegenentwürfe, lässt uns die Welt und
uns selbst in neuem Licht sehen. Auf diese Weise bleiben
wir lebendig und dadurch fähig zum Gotteslob, wie es der
Losungstext sagt, oder um zu Paul Gerhardt zurückzukehren:
Singet fröhlich, lasst euch hören, wertes Volk der Christenheit.

Von: Andreas Marti

10. Februar

Tragt an euren Füssen als Schuhwerk die Bereitschaft
für das Evangelium des Friedens.
Epheser 6,15

Am Ende des Epheserbriefes spricht der Verfasser von der
«Waffenrüstung Gottes»: dem Panzer der Gerechtigkeit,
dem Schild des Glaubens, dem Helm des Heils, dem Schwert
des Geistes. Er ruft die Gemeinde auf, diese Ausrüstung zu
tragen, um gegen «die Geister des Bösen in den Himmeln»
zu kämpfen.
Und eben: die «Friedensschuhe». So zumindest habe ich
mir diesen Vers etwas abgekürzt gemerkt. Dabei habe ich
mich automatisch gefragt, wie dieses Schuhwerk wohl aussehen
würde. Und es ist mir – ganz unbiblisch – ein Schuhladen
in Luzern in den Sinn gekommen, in dem ich kürzlich
per Zufall war und wo es ganz wunderbare, lustige, ausgefallene
Schuhe gab. Schuhe, die ein Zeichen setzen gegen
Uniformität und für Kreativität, Lust und Qualität. Ich habe
mir ein Paar geleistet und fühle mich richtig gut darin.
Es gibt die Auffassung, dass man, um jemanden zu verstehen,
in seinen Schuhen gehen müsse. Ich habe das tatsächlich
noch nie gemacht, nur in die Gartenschuhe meines
Partners schlüpfe ich manchmal, und schon das fühlt sich
seltsam an und ist ein gutes Lehrstück, um einen anderen
Standpunkt zu spüren. Nach all diesen Schuhgedanken frage
ich mich, ob wir nicht überhaupt bereiter wären für «das
Evangelium des Friedens», wenn wir gar keine Schuhe trügen
und barfuss durch die Welt gingen?

Von: Katharina Metzger

9. Februar

Darum seid auch ihr bereit! Denn der Menschensohn
kommt zu einer Stunde, da ihr’s nicht meint.

Matthäus 24,44

Ein Aufruf zur Wachsamkeit! Denn mit dem wiederkommenden
Menschensohn kommt das Weltgericht.
Ich füge an dieser Stelle wieder mal einen Blick in mein
Schulzimmer ein: Siebte Klasse, wir nehmen die Reformation
durch. Ich schreibe an die Tafel «Was kommt nach
dem Tod?» und denke, das sei in einer halben Minute erledigt.
Wahrscheinlich werden alle sagen: «Das kann man
nicht wissen.» Aber nein, es entwickelt sich eine wunderbare
Stunde mit Offenbarungen aus einigen Schülerseelen. Einige
glauben an so etwas wie ein Gericht. Ein Junge sagt, er frage
sich jeden Abend vor dem Einschlafen, ob er «gut» gewesen
sei. Ob es denn für alle einen Weg in diesen sogenannten
Himmel gebe oder nur für die Guten, frage ich weiter. Es
entsteht ein Konsens darüber, dass man seine «Sünden»
schon bereuen müsse. Und vor Gott verbergen könne man
sowieso nichts. Aber: «Gott ist ja ein guter Mensch, äh, Gott.
Er spürt, ob du bereust, und das ist das Wichtigste», sagt ein
Mädchen. – Interessant: Die Diskussion wird von den Muslimen
und Musliminnen geführt, die anderen schweigen und
machen ein wenig grosse Augen.
Aber wahrscheinlich würden alle das teilen, was der
Menschensohn laut Matthäus beim Weltgericht über die
«Guten» sagt: «Was ihr einem dieser meiner geringsten
Brüder getan habt, das habt ihr mir getan.»

Von: Katharina Metzger