Monat: Januar 2022

21. Januar

HERR, du bist doch unser Vater!
Wir sind Ton, du bist unser Töpfer,
und wir alle sind deiner Hände Werk.   

Jesaja 64,7

Der Tempel ist zerstört, die Israeliten klagen, sehen aber doch einen Ausweg, die Beziehung zu Gott wieder ganz herzustellen: «Du bist doch unser Vater.» Dieses Wissen schenkt Kraft und stärkt das Vertrauen. Das Bild des Töpfers veranschaulicht dies. Aber wollen wir denn eine weiche Masse sein, die Gott formt? Wollen wir nicht eher frei sein und unser Leben autonom gestalten? Ich bin dankbar für dieses Bild, denn es zeigt mir, dass nicht alles in meinem Leben von selber formbar ist. Da sind die Erfahrungen im Zusammenleben mit den Menschen, da ist mein Zugang zum Leben, da ist das, was einfach ohne mein Dazutun geschieht.
Im Leben der Israeliten gibt es diejenigen, die Gott dienen, und solche, die sich als Feinde Gottes positionieren. Der Prophet sagt uns, dass Gott selber entscheidet. Aber ich bin überzeugt, dass Gott nicht einfach entscheidet, wen er formt. Er gibt uns Chancen, und zwar viele! Und er verzeiht und formt weiter. Und so bin ich nicht nur eine Masse des Töpfers, sondern eine von Gott geliebte Frau mit Fehlern und mit vielen Chancen. Das Hoffen auf Chancen stärkt, stärkt auch für das Handeln in dieser Welt, die so oft leidet am Mangel an Vertrauen in Gottes Mit-uns-Sein.

Danke für alle Chancen und danke für deine  Vergebung.

Von Madeleine Strub-Jaccoud

20. Januar

Die Himmel erzählen die Ehre Gottes.    Psalm 19,2

Jetzt sind die Tage schon wieder spürbar länger. Und wenn die Sonne scheint, dann sehen wir ihren Lauf am Himmel. Der Himmel erzählt von der Erschaffung der Schöpfung, und die Sonne führt die Aufsicht über die Welt auf ihrer täglichen Bahn. Der Psalm als ganzer lädt dazu ein, sich auf die Schöpfung und mit ihr auf die Herrlichkeit Gottes einz lassen.
Letzthin hat mir ein Bekannter gesagt, wie sehr es ihn beelendet, dass wir täglich nur mit schlechten Nachrichten konfrontiert sind in den Zeitungen, am Radio, bei der Tagesschau. Und ich füge heute hinzu, ja, es geht mir auch so, und die Herrlichkeit der Schöpfung und die Herrlichkeit Gottes muss ich in meinem Herzen finden.

War das nicht immer schon so? An wen richtet sich der Psalm? An mich und an jede und jeden von uns. Die Himmel und die Sonne, das Wort der Lebendigen, sie sollen ebenso bestimmend sein für mich wie der Lärm um mich herum. An mir ist es, dies wahrzunehmen, der Sonne zuzuschauen, den Himmel in seiner Grenzenlosigkeit zu betrachten und wenigstens für ein paar Momente die Stille und die Ruhe einkehren zu lassen. Denn:
«Ein Tag sagt es dem andern, und eine Nacht tut es der andern kund, ohne Sprache, ohne Worte, mit unhörbarer Stimme.» (Psalm 19,3)

Von Madeleine Strub-Jaccoud

19. Januar

Wer den Armen verspottet, verhöhnt dessen Schöpfer; und wer sich
über eines andern Unglück freut,
wird nicht ungestraft bleiben.                       
Sprüche 17,5

Viele kluge Sprüche auf trendigen Abreisskalendern mit süssen Katzen im Vordergrund oder orangen Sonnenuntergängen im Hintergrund sind harmloser. Bei diesem Spruch wird schon beim ersten Lesen klar, ob ich arm oder reich bin.
Fulbert Steffensky ist selbst nicht arm, aber er weiss im Herzen, was es bedeutet. Er beschreibt Armut drastisch: «Die Frau, die ihr eigenes Kind verletzt, damit es beim Betteln mehr einbringt – sie ist nicht fromm, aber sie ist arm. Der Arbeitslose, den die Hoffnungslosigkeit in den Suff getrieben hat – er ist nicht fromm, aber arm. Die verlorenen und gewalttätigen Jugendlichen, die aus Angst vor der eigenen Armut die noch Ärmeren und die Fremden hassen – sie sind nicht gut, sie sind arm. Viele sind zu arm, um gütig zu sein. Sie sind zu arm, um fromm zu sein.»

Wer also erkennt, dass er nicht an Armut leidet, ist reich genug, um gütig zu sein. Wer weiss, dass er von allem Notwendigen viel hat, ist reich genug, um fromm zu sein.

Frömmigkeit ist etwas aus der Mode gekommen. Auf Zeitgenössisch übersetzt kann man sagen: Ein solcher Mensch ist reich genug, um aus seiner individuellen Spiritualität heraus aktiv zu werden, soziale Ungerechtigkeit nicht länger hinzunehmen, nahe oder ferne Not nicht länger zu ignorieren, den Schöpfer aller Menschen unter anderem auch twintend zu loben oder klassisch, mit Münz und Schein.

Von Dörte Gebhard

18. Januar

Die Schafe folgen dem Hirten nach;
denn sie kennen seine Stimme.    
Johannes 10,4

Worte gibt es, die hört man nur in der Kirche. Sonst gar nicht (mehr), nirgends. Wer «Nächstenliebe» mittwochs sagt und nicht nur sonntags hört, hat sich schon fast als Teilnehmerin an einem Bibelgesprächskreis geoutet. Oder gibt es noch jemanden, der die Steuerbehörde per Mail bittet, «Barmherzigkeit» walten zu lassen? Früher machten wir Spässe untereinander und sagten etwa bei der schlichten Bitte, die Milch herüberzureichen: «Würdest du bitte das Mass deiner Güte vollmachen und mir die Flasche da hinten geben?» Auch von ernstgemeinter «Gnade» liest man selten auf Social Media; bei diesem Wort tönt fast immer Glockenklang im Hintergrund. Übereifrige Modernisierer wollen der Kirche diese bewährten Worte abgewöhnen und finden, alles muss irgendwie heutzutagiger klingen.

Mir tut es gut, in der Gemeinde Jesu unverwechselbare, übrigens sagenhaft schöne Worte zu vernehmen, die mich im Bruchteil einer Sekunde erkennen lassen mit Ohr und Herz, wo ich bin. «Freuet euch!» – Da folge ich von Herzen gern, weil ich im Geiste vor mir sehe, wie viele Generationen vor mir versuchten, sich dieser Herausforderung zu stellen. Freude kann man nicht befehlen, aber man kann – in einer grösseren oder kleineren Herde – fröhlich der vertrauten Tonlage des Hirten folgen. An dieser Vertrautheit gedeiht Hoffnung über den Moment hinaus. So kann Freude fröhlich alt werden.

Dörte Gebhard

17. Januar

Der HERR ist der wahrhaftige Gott, der lebendige Gott,
der ewige König.
Jeremia 10,10

«Hauskreis» finde ich ein staubiges Wort. Das hinkt schon beim Lesen. Gegen den Inhalt habe ich gar nichts, aber den Namen sollten wir überdenken, finde ich.

In so einer Runde können sich Menschen gegenseitig ermuntern und bestärken. Mit Liedern und Psalmen, wunderbar. Singen und den HERRN in unseren Herzen wohnen lassen, schön!

Wenn  ich den Gesang am Sonntag in der Kirche (hin-ter der Maske) versuche zu kategorisieren, dann entlockt es mir höchstens ein «peinlich». Wir können vielfach die Melodien nicht wirklich, und es klingt einfach nicht würdig. Eigentlich schade. Sehr schade. Die kirchlichen Lieder haben eine berührende Wirkung für unsere Herzen, wenn sie denn eben klingen.

Wir müssen diese Tradition üben und pflegen, weil sie unseren Herzen und so auch dem HERRN guttut. Wie stellen wir das aber an? Vielleicht mit einigen Menschen, die Freude am Singen der traditionellen Kirchenlieder haben? Oder in einem «Hauskreis»? Mit Psalmen und Lobgesängen? Ich finde es gut, wenn wir uns dazu ermuntern können, gegenseitig offen zu sein und es einfach zu versuchen, weil wir in Christus alle verbunden sind und alle (s)eins. Aber das ist jetzt ein anderer Vers.
Seien Sie mutig!      
Amen

Von Markus Bürki

16. Januar

Fraget nach dem HERRN und nach seiner Macht, suchet sein Antlitz allezeit!      Psalm 105,4

Der evangelische Theologiekurs bringt mir jede Woche neue Zusammenhänge und Vernetzungen in meine bisherigen Vorstellungen und Ansichten. Manchmal bin ich verblüfft, wie unwissend ich doch bin, und manchmal erhalte ich ein weiteres Puzzleteil für meinen theologischen Rucksack. Ich füge also immer wieder zusammen und ergänze. Das macht mir sehr grossen Spass und ich bin einfach nur glücklich, das tun zu dürfen.

Und der Psalm 105,4? Was hat der damit zu tun?

Eine ganze Menge, finde ich. Fragen und suchen stehen als Verben im Text, eine gute Wahl, um tiefer zu gehen und um Verstehen überhaupt zu ermöglichen. «Sein Antlitz» wird in einer anderen Bibelübersetzung als «seine Nähe» umschrieben. Nahe bei der Macht Gottes sein, nahe beim HERRN sein, im Austausch, beim Erkunden und Erforschen und in gegenseitigem Wachstum. Gott ist die Liebe und je mehr ich davon erfahre, umso liebender werde ich hoffentlich werden, für diese Welt und mich selber und meine Mitmenschen. Allezeit sollen wir das tun! Jetzt, beim Lesen dieses Textes, und danach und immer weiter, bis …

Legen Sie den Text beiseite und fragen Sie jetzt nach dem HERRN und suchen Sie sein Antlitz!

Amen!

Von Markus Bürki

15. Januar

Er ist um unsrer Missetat willen verwundet
und um unsrer Sünde willen zerschlagen.      
Jesaja 53,5

Der Prophet, den wir unter der Bezeichnung Deuterojesaja kennen, zeugt in vier «Liedern» von einem geheimnisvollen «Gottesknecht». Wer ist damit gemeint? Die Erklärungen sind vielfältig, sie spiegeln Situationen, in die hinein diese Texte sprechen sollen. Kyros, der Perserkönig, könnte es sein, meinen die einen. Oder Zion, die zerstörte und gedemütigte Gottesstadt? Ist es vielleicht sogar der Prophet selber, der an der Last seiner Aufgabe zu zerbrechen droht? Dann, viel später, wird manchen klar: Der Gottesknecht, das ist Jesus, der unschuldig leidende Schmerzensmann.

Das Bild eines Wehrlosen, Verachteten, das Opfer eigen-üchtiger und uneinsichtiger Menschen, ich greife es auf als Bild für unsere Zeit. Darf ich das? Darf ich im leidenden Opfer unsere Erde erkennen, die Schöpfung, all das, was bedroht ist durch die Rücksichtslosigkeit der Menschen? Die Meere, die Luft, die Pflanzen, die Tiere – und unsere Missetat an ihnen. Wir sind alle beteiligt, niemand kann sich entziehen. Ich denke an das andere Bild aus dem Gottesknechtlied, auch es erscheint wieder im Neuen Testament: das Lamm, das zur Schlachtbank geführt wird.

Gewiss, die Eingriffe in die Natur erleichtern uns das Leben. Aber geheilt werden wir nicht. Wir nicht und die Welt um uns nicht. Dazu braucht es Einsicht in die Würde und Verletzlichkeit der Schöpfung, es braucht unsere Demut und unsere Liebe.

Von Käthi Koenig

14. Januar

Die HERR hat Grosses an uns getan,
des sind wir fröhlich.   
Psalm 126,3

Grosses! Glorios tönt das – die Fülle des Lebens als Gottes Geschenk. Ja!

Ja, aber: Denn da ist nicht einfach Freude. Da ist ein Vorher: im Psalm die Verbannung Israels, die lange Zeit des Heimwehs und der Sehnsucht, des Fragens nach dem Warum und der bitteren Reue. Bei uns, beim Einzelnen: Krankheit, Feindschaft, Verlust. Schicksalsschläge.

Aber dann: die Wende, die Umkehr, der Ausweg. Im Psalm die Heimkehr des Volks. Bei uns Heilung Versöhnung, neuer Sinn. Freude.

Es gibt Momente, da glaubt man: Nie werde ich darüber hinwegkommen. Nie wieder werde ich vertrauen können, nie den Groll überwinden. Nie mehr werde ich unbeschwert leben – mit dieser Schuld. Nie mehr fröhlich sein.

«Der HERR hat Grosses an uns getan. Des sind wir fröhlich.» Ist vielleicht das das Grosse: dass wir wieder fröhlich sein können? Dass der Schmerz und die Last und die Schuld nicht alles auszufüllen vermögen? Dass Gott wieder Freude schenkt und dass er unser Geschick wendet? Hin zu einem Punkt, von dem aus eine andere Sichtweise möglich wird: Wo ich eine verborgene Frucht wahrnehme, die gewachsen ist im Lande des Elends.

«Die mit Tränen säen, werden mit Freuden ernten.»

Ist es das, was Gott aus den Samen wachsen lässt: Glaube. Liebe. Hoffnung?

Von Käthi Koenig

13. Januar 2022

Die dein Heil lieben, lass allewege  sagen:
Hochgelobt sei Gott. Psalm 70,5

Wer betet noch jeden Tag Luthers Morgen- und Abendsegen? Leserinnen und Lesern der Bolderntexte ist die Disziplin vertraut, sich täglich einem Vers der Bibel auszusetzen und sich von ihm inspirieren zu lassen – ein Moment des Tages für die Wahrnehmung der Gegenwart Gottes in einer Welt, für die Unterscheidung zwischen den anspruchsvollen Geis- tern, die unser Leben bestimmen wollen, und dem das Leben schenkenden Geist Gottes.

Wenn Krankheit, Ungerechtigkeit oder Hass das Leben schwer machen und Depressionen drohen, kann es helfen, sich jeden Morgen und jeden Abend einen kurzen Augen- blick Zeit zu nehmen: Hochgelobt sei Gott! Wofür will ich dich, wofür kann ich dich heute loben, Gott? Mitten in der Dunkelheit der Welt mag dann der Stern Gottes aufleuchten und die Gewissheit geben, dass Gott diese Welt und uns niemals sich selbst überlässt.

Wo sind die Spuren deiner Gegenwart heute, Gott des Lebens?

Ich danke dir. Ich lobe dich.

Amen

Von Barbara und Martin Robra

12. Januar 2022

Der HERR ist der wahrhaftige Gott, der lebendige Gott, der ewige König.     Jeremia 10,10

Wahrhaftig, lebendig, ewig – so ist der Gott Israels. Und wir – geschaffen nach Gottes Bild? Wahrhaftig, lebendig, ewig – gilt das auch von Gottes Geschöpfen? Lebendig wohl; ewig wohl nicht. Das Leben ist allen Geschöpfen gegeben, aber es währt nicht ewig. Ewiges Leben in der Überwindung des Todes bleibt Geschenk Gottes.

Diesen Aussagen stimmen alle in unserer Familie zu. Inwieweit aber Geschöpfe Gottes wahrhaftig sind, das ist umstritten. Bei Pferden und Menschen sind wir uns einig: Pferde sind klar in ihrem Verhalten, solange sie nicht von Menschen verrückt gemacht werden. Deshalb kann man auch viel von ihnen über das Zusammenleben lernen. Können wir also Pferde wahrhaftig nennen, Menschen dagegen nicht? Und andere Tiere? Was sind eure Erfahrungen – mit Hunden und Katzen zum Beispiel?

Darüber haben wohl auch die Engel diskutiert, die Gott nach dem Talmud bei der Erschaffung der Menschen berieten. Einige warnten Gott vor diesem Schritt. Menschen würden nicht wahrhaftig sein und könnten nicht in Frieden leben. Hatten sie recht, oder geht das Experiment Mensch doch besser aus?

Es liegt an uns.

Von Barbara und Martin Robra