Er ist um unsrer Missetat willen verwundet
und um unsrer Sünde willen zerschlagen.      
Jesaja 53,5

Der Prophet, den wir unter der Bezeichnung Deuterojesaja kennen, zeugt in vier «Liedern» von einem geheimnisvollen «Gottesknecht». Wer ist damit gemeint? Die Erklärungen sind vielfältig, sie spiegeln Situationen, in die hinein diese Texte sprechen sollen. Kyros, der Perserkönig, könnte es sein, meinen die einen. Oder Zion, die zerstörte und gedemütigte Gottesstadt? Ist es vielleicht sogar der Prophet selber, der an der Last seiner Aufgabe zu zerbrechen droht? Dann, viel später, wird manchen klar: Der Gottesknecht, das ist Jesus, der unschuldig leidende Schmerzensmann.

Das Bild eines Wehrlosen, Verachteten, das Opfer eigen-üchtiger und uneinsichtiger Menschen, ich greife es auf als Bild für unsere Zeit. Darf ich das? Darf ich im leidenden Opfer unsere Erde erkennen, die Schöpfung, all das, was bedroht ist durch die Rücksichtslosigkeit der Menschen? Die Meere, die Luft, die Pflanzen, die Tiere – und unsere Missetat an ihnen. Wir sind alle beteiligt, niemand kann sich entziehen. Ich denke an das andere Bild aus dem Gottesknechtlied, auch es erscheint wieder im Neuen Testament: das Lamm, das zur Schlachtbank geführt wird.

Gewiss, die Eingriffe in die Natur erleichtern uns das Leben. Aber geheilt werden wir nicht. Wir nicht und die Welt um uns nicht. Dazu braucht es Einsicht in die Würde und Verletzlichkeit der Schöpfung, es braucht unsere Demut und unsere Liebe.

Von Käthi Koenig