Schlagwort: Kathrin Asper

3. Juli

Lobe den HERRN, meine Seele, und vergiss nicht,
was er dir Gutes getan hat.
Psalm 103,2

Die bekannte Kirchenkantate Johann Sebastian Bachs von
1723 beginnt im Eingangschor mit unserer heutigen Losung.
Bachs Kantate, deren Dichter unbekannt ist, bezieht sich
auf die Heilung des Taubstummen und ist ein Lob auf das
beständige Wirken Gottes.
«Count your blessings», sagt der Engländer, wenn eine
Situation schwierig und traurig ist. Das hilft. Sich zu erinnern,
was gut lief, ist auch eine wichtige Regel in der Traumatherapie
und der Psychotherapie. So sollen wir uns zum Beispiel
abends erinnern, was schön, gut und lustig war an diesem
Tag. Vielleicht das Rotkehlchen, das ich auf dem Weg zur
Bahn sah, der Witz, den mein Kollege erzählte, oder die tröstende
Zuwendung einer Freundin. Das soll man sich bildlich
in Erinnerung rufen, sich die Atmosphäre deutlich machen,
die Gerüche, den Klang – und das mehrmals. Wie die neuere
Hirnforschung aufzeigt, hilft das, neue Bahnungen im Gehirn
zu eröffnen, auf Grund deren wir vermehrt positiv denken
können. Und wer breite «Strassen» im Gehirn hat, die negative,
abwertende Gedanken erzeugen, der hat neue Bahnungen
nötig. Sich plastisch an gute Situationen zu erinnern, hilft
dabei. Was ist das anderes, als die heutige Losung aussagt?
Allerdings: Diese ist an den HERRN gerichtet. Sie schliesst
die Transzendenz ein. Erinnern wir uns an Gutes, so holen
wir ein Teilchen des Reichs Gottes in unser profanes Dasein.

Von: Kathrin Asper

2. Juli

Alles nun, was ihr wollt, dass euch die Leute tun sollen,
das tut ihr ihnen auch! Das ist das Gesetz und die
Propheten.
Matthäus 7,12

Die goldene Regel für menschliches Miteinander heisst, dass
wir Gutes mit Gutem vergelten sollen.
«Was du nicht willst, dass man dir tu, das füg auch keinem
andern zu», so habe ich es von meiner Mutter gelernt und
später erfahren, dass das Zitat von Erich Fromm stammt.
Wie hat dies doch Jesus auf den Punkt gebracht, kurz und
prägnant und eigentlich so einfach!
Und doch sind wir oft träge und verschieben manches auf
morgen oder übermorgen und dann vergessen wir es gar.
Es ist eine praktische Minimalethik, die auf Wechselseitigkeit
beruht. Eigentlich ganz klar.
Aber ist es auch klar, dass wir das Gute, das wir für andere
tun, auch für uns tun sollten? Ist es mitnichten! Wie viele
Menschen gehen schlecht und lieblos mit sich selbst um,
gönnen sich wenig bis nichts, wissen besser über ihre
Beschränkungen Bescheid als über ihre guten Seiten.
Ich habe mich oft gefragt, warum dies so ist. Weit über
pathologisches und neurotisches Verhalten hinaus ist diese
Haltung weit verbreitet und gründet wahrscheinlich auch
in der Erziehung, wo Nichtstun ungut war, sich selber loben
verpönt und sich herausstreichen ganz und gar nicht gutgeheissen
wurde.
Lernen wir also, uns selber auch Gutes zu tun, und verschieben
wir es nicht auf morgen.

Von: Kathrin Asper

3. Mai

Ihr sollt heilig sein, denn ich bin heilig,
der HERR, euer Gott.
3. Mose 19,2

Heilig und Heiligkeit sind Wörter, die wir heute kaum mehr
benutzen, allenfalls versprechen wir etwas hoch und heilig
oder sagen, etwas ist mir heilig, und meinen bedeutsam.
Trotzdem: Es gibt einen heiligen Raum neben unserem
profanen.
In unserer heutigen Losung begegnen sich die
beiden Sphären, genauer: Mensch und Gott.
Wo und wie nehmen wir denn Heiliges wahr? Wir nehmen
es gefühlsmässig wahr, wenn wir von etwas ergriffen sind.
Dieses Etwas ist dann vergleichbar einem Fenster in Ewiges,
ein Fenster in unserem profanen Alltag. Das Etwas weist
über sich selbst hinaus und wird so zum Symbol. So kann
zum Beispiel eine brennende Kerze zum Symbol werden,
wenn wir uns ergreifen, anrühren lassen von etwas, das über
uns hinausgeht und auf Transzendenz hindeutet. Die Natur
ihrerseits kann in Momenten des Einklangs mit ihr als Schöpfung
erfahren werden und uns mit dem Schöpfer verbinden.
Ich denke nicht, dass wir heilig sind, aber ich bin mir sicher,
dass wir Zugang haben zum Heiligen. Heiliges scheint auf
uns nieder, wenn wir ergriffen werden und angerührt sind.
So treffen sich profane Welt und heilige Sphäre.
Der Mensch, in der Bibel auch Wurm oder Made genannt
(Hiob 25,4–6), wird durch die Berührung mit dem Heiligen
geadelt, verwandelt.

Von: Kathrin Asper

2. Mai

Jesus spricht: Ich bin nicht gekommen, Gerechte
zu rufen, sondern Sünder.
Markus 2,17

Wir erinnern uns: Jesus war zusammen mit vielen Menschen
am See Genezareth. Im Vorbeigehen ruft er dem Zöllner Levi
zu, er solle ihm folgen. Dieser lässt alles stehen und liegen,
folgt ihm nach und lädt zu einem grossen Festessen ein. Die
Pharisäer sind empört, dass Jesus mit diesem Gesindel isst.
Jesus antwortet ihnen mit dem heutigen Bibelvers, dessen
erster Teil lautet: «Nicht die Gesunden brauchen einen Arzt,
sondern die Kranken.»


Wenn wir in Not sind, schlechten Lebenswandel führen,
Böses tun, Schuld auf uns laden, dann brauchen wir Hilfe.
Jesus ruft die Sünder zur Busse, also zur Umkehr.
Und was ist Umkehr? Um Busse zu tun, muss ich mir
innewerden, dass ich auf dem Holzweg bin, Ungutes getan
habe, einen schlechten Lebenswandel führe. Und trotz
dieser Einsicht gelingt uns die Umkehr nicht. Wir lassen
nicht alles stehen und liegen wie Levi, sondern verharren oft
weiter im Unguten.


Ja, was braucht es denn? Wir müssen offen werden für das
Wort Gottes, für das, was uns helfen will. Wir müssen die
Gnade akzeptieren, akzeptieren, dass wir gemeint sind, oder
wie es Paul Tillich formulierte: «akzeptieren, dass wir akzeptiert
sind».

Von: Kathrin Asper

3. März

Du stellst meine Füsse auf weiten Raum. Psalm 31,9

Auch wenn wir auf weiten Raum gestellt werden, so hinterlassen
wir doch Spuren in unserem und anderer Leben.
Ohne das geht es nicht und in diesem freien Feld müssen
wir immer wieder Entscheidungen treffen oder werden
durch Schicksalsschläge zu Richtungswechseln gezwungen.
Der Raum mag zu Beginn frei sein, dann aber hinterlassen
wir Spuren, die auch unsere Bürde und unsere Erinnerung
sind. Das lässt sich nicht wegdiskutieren.
Und wenn sich unser Leben zu Ende neigt, können wir nur
hoffen, wir hätten unser Leben nach unseren besten Kräften
gelebt und können es nun abgeben in der Zuversicht, im
Haus Gottes zu wohnen.
An einer Bretterwand sah ich jüngst einen Zettel kleben.
Darauf stand: «Leben ist wie zeichnen ohne Radiergummi.»
Unsere Fehlentscheidungen, Irrtümer, Schuld können wir
nicht ausradieren, sie machen unser Leben und unsere
Lebenslast aus. Aber auch die frohen Spuren gehören zu
uns und helfen uns, weiterzugehen in diesem Dasein.
Gott schenkt uns immer wieder Weite und Raum, so können
wir neu beginnen. Er will nicht, dass wir ersticken. Deshalb
dürfen wir mit David «singen, jubeln und jauchzen» ob
dieses Geschenks.

Von: Kathrin Asper

2. März

Der HERR sprach zu Jakob: Siehe, ich bin mit dir und
will dich behüten, wo du hinziehst, und will dich wieder
herbringen in dies Land. 1. Mose 28,15

Seit Beginn der Corona-Pandemie schreibe ich jeweils in
Mails und Briefen am Ende: Bleib behütet. Das schien mir
richtig in dieser gesundheitlichen Bedrohung und ist es
eigentlich noch. Schliesslich bin ich alt und viele meiner
Lieben auch, und so habe ich das beibehalten. Darüber
hinaus können die Jungen diesen Wunsch auch brauchen,
leben sie doch einer unsicheren Zeit entgegen.
Der Ausdruck ist nicht ins Leere hinausgesprochen, auch
wenn wir wissen, dass wir nicht immer sicher und behütet
sein werden. Ihn zu sprechen und zu hören, verbindet
uns indessen mit einer Energie, die wir dringend brauchen.
Wir benötigen Trost, Zuversicht und Hoffnung, dass da eine
Hand ist, die uns leitet und behütet. Das hilft.
In Jakobs Traum erscheint die Himmelsleiter, auf der die
Engel herab- und hinaufsteigen, und der Herr sagt ihm, das
sei sein Land, und Jakob errichtet den Altar, wird reich und
versöhnt sich am Ende mit seinem Bruder Esau, dessen Erstgeburtsrecht
er mit Hilfe seiner Mutter Rebecca erschlichen
hatte. Trotz des Fehlverhaltens erscheint ihm der Herr im
Traum und Jakob tut, wie ihm geheissen.
Seltsam sind die Wege des Herrn und doch voller Gnade.

Von: Kathrin Asper

2. März

Selig sind, die das Wort Gottes hören und bewahren.
Lukas 11,28

Und was steht vorher? Jesus berichtet von einem bösen Geist, der aus seinem Haus auszog. Da er aber keine geeignete Bleibe fand, beschloss er, zurückzugehen, und nahm gleich noch sieben andere böse Geister mit. Sie kommen zum Haus, das nun geschmückt und gesäubert ist. Die Geister gehen hinein und es wird alles schlimmer als je zuvor. Da war man also nicht wachsam und jubelte, den Unruhestifter losgeworden zu sein. So geht es nicht, wir müssen immer wachsam sein und, wenn unsere inneren negativen Stimmen wieder laut werden, in Distanz zu ihnen gehen, ihnen antworten und die Türe weisen.
Nach dieser Stelle ruft eine Frau und preist die Mutter Jesu, die ihn geboren und genährt hat, und nennt sie selig. Und was sagt Jesus darauf? Nicht dass er etwa auf seine Mutter stolz ist, noch zeigt er Freude. Er wirkt distanziert und sagt: «Selig sind, die das Wort Gottes hören und bewahren.» Das tönt wie bei der Hochzeit in Kana, als er seiner Mutter entgegenwirft: «Weib, was habe ich mit dir zu schaffen?» (Joh. 2,4). Sie aber steht zu ihrem Sohn.
Aber vielleicht ist es ja anders: Erinnern wir uns an das Magnificat, da wird doch vollumfänglich deutlich, wie sehr Maria das Wort Gottes in sich aufnimmt und in ihrem Herzen bewahrt hat (Lukas 1,46–58). Es ist nicht auszuschliessen, dass der Sohn mit diesen kühl wirkenden Worten auf die Glaubenskraft seiner Mutter hinweisen will. In dubio pro reo.

Von Kathrin Asper

3. Januar

Gott gebe euch erleuchtete Augen des Herzens, damit ihr erkennt, zu welcher Hoffnung ihr von ihm berufen seid.     Epheser 1,1

Augen des Herzens. «Man sieht nur mit dem Herzen gut», schreibt Antoine de Saint-Exupéry im «Kleinen Prinzen». Wir kennen den Ausdruck, dass das Herz einem aufgehe. Gottfried Keller dichtete: «Trinkt, oh Augen, was die Wimper hält, von dem goldnen Überfluss der Welt.» Nur wessen Herz beteiligt ist, kann so etwas sagen.

Nun aber: Wo liegt die Hoffnung? Im Jenseits oder geht es auch um die Hoffnung im Diesseits? Für mich ist es so, dass wir beides brauchen, Hoffnung im Diesseits und auf das Jenseits. Es lebt sich einfach besser damit.

Hoffen ist verwandt mit «hüpfen». Als siebenjähriges Kind hüpfte ich im Garten zum Tor und war einfach glücklich. Man kann auch zu lange hoffen und aus einer vertrackten Situation nicht herauskommen. Da täte allemal ein Entschluss not, um eine befreiende Tat zu beginnen.

Schlimm ist die Hoffnungslosigkeit. Da gibt es keine Zukunft, keine Perspektive, und nur Geduld führt aus der Depression. Von ihr weiss man, dass sie einmal aufhört, aber nicht wann. Wenn sich dann endlich die bleierne Decke hebt, fällt zögerlich Licht ein, die Hoffnung nimmt zu, und es wird möglich, wieder an den «Gott der Hoffnung», wie   Luther formulierte, zu glauben.

Von Kathrin Asper

2. Januar 2022

Leben wir, so leben wir dem Herrn;
sterben wir,  so sterben wir dem Herrn.
Darum: wir leben  oder sterben,
so sind wir des Herrn.         Römer 14,8

Diesen Text kennen viele auswendig. Oft wird er an Beerdigungen gesprochen.

Was sagt der Text? Keiner lebt für sich allein, und niemand stirbt sich selber. Wir sind also aufgehoben, gehören zu einer allgegenwärtigen, ewigen Kraft, sind nicht verloren und können nie tiefer fallen als in Gottes Hand. Das ist tröstlich und wer so empfindet, dem ist das eine Lebenshilfe, es schenkt ihm Vertrauen und Trost.

Was aber, wenn jemand nicht so empfindet? Derer sind viele. Sie fühlen sich verloren und trostlos oder aber überspielen das Nicht-Verankertsein durch lautes Getöse, Aktivismus, Egozentriertheit und Wichtigtuerei.

Dietrich Bonhoeffer schrieb: «Die Befreiung liegt im Leiden darin, dass man die Sache ganz aus den eigenen Händen und in die Hände Gottes legen darf.»
Wie kommt man dazu? Wenn man das Gefühl des Aufgehobenseins nicht hatte, so ist es Gnade und Geschenk, so fühlen zu dürfen. Aber am allerwichtigsten ist es, geschätzt, geliebt zu werden und das Gefühl zu haben, willkommen zu sein. Das Kind braucht Andere, wir brauchen das Du, um das Gefühl zu haben, wertgeschätzt zu werden. Auf diesem Boden wächst das Vertrauen in ein metaphysisches Gehaltensein.

Von Kathrin Asper