Autor: Kathrin Asper

3. Januar

Bileam sprach: Wenn mir Balak sein Haus voll Silber und Gold gäbe, so könnte ich doch nicht übertreten das Wort des HERRN. 4. Mose 22,18

Geld ist nicht alles, die Treue zu Gott und seinem Wort ist mehr. Bileam nimmt allerdings den Mund etwas voll.
Später folgt die bekannte Geschichte von Bileams wunderbarem Esel. Bileam folgte nicht Gottes Wort und ging hin zu Balak, der Israel vernichten und Bileam dafür einspannen wollte.
Doch der Esel sieht den Engel auf dem Weg, dies drei Mal, und er versucht, auf ihn zuzugehen und Bileam vom Weg abzubringen, doch jedes Mal schlägt Bileam den Esel, bis der Esel in die Knie geht und zu ihm spricht, er habe ihm doch ein Leben lang gedient. Da endlich nimmt Bileam den Engel wahr und ändert seinen Weg und seinen Sinn und folgt Gottes Wort.
Heute sagen wir, wir würden unserem Bauchgefühl folgen. Hier ist es das Tier in uns, das mehr weiss als unser ach so kluger Kopf!
Wie ich dies schreibe, tobt der Krieg zwischen Israel und der Hamas im Gazastreifen. Ach, wären da nur Esel auf beiden Seiten, die den Engel Gottes sähen und zur Umkehr riefen! Denn tief im Innern, so will man zumindest glauben, weiss man doch, dass dieser Krieg unselig ist und die Bevölkerung hüben und drüben unsäglich leidet.

Von: Kathrin Asper

2. Januar

Da kam eine arme Witwe. Sie warf zwei kleine
Kupfermünzen hinein.
Markus 12,42

Da sitzt Jesus tatsächlich im Tempel und schaut zu, was in den Opferstock hineingetan wird. Das ist ein sehr befremdliches Bild, und ich bin nicht wenig schockiert.
Aber eben, wie so vieles in der Bibel kann man es auch anders verstehen!
Die Witwe hat alles gegeben, was sie hatte, und Jesus sagt von ihr zu den Jüngern: «Diese arme Witwe hat mehr gegeben als alle andern. Die haben nur von ihrem Überfluss gegeben, sie hat alles gegeben, was sie selbst dringend zum Leben gebraucht hätte.»
Das ist das zweitletzte Gleichnis vor der Passion. Im letzten geht es um das Salböl (14,3–9), das ein Jahresgehalt wert ist.
Beide Geschichten nehmen voraus, was Jesus am Schluss selber tut: nämlich die völlige Hingabe an Gottes Willen.
So gesehen scheint mir Jesu Sitzen und Beobachten im Tempel wie eine Einstimmung auf das, was ihm bevorsteht.
Auch beten wir: «Dein Wille geschehe, wie im Himmel so auf Erden.»
Wie schwer fällt es uns doch, uns selber in Gottes Willen hineinzugeben, ihn anzunehmen und nicht daran zu verzweifeln.

Von: Kathrin Asper

3. November

So zieht nun an als die Auserwählten Gottes,
als die Heiligen und Geliebten, herzliches Erbarmen, Freundlichkeit, Demut, Sanftmut, Geduld. Kolosser 3,12

Da sollen wir Kleider anziehen: Erbarmen, Freundlichkeit, Demut, Sanftmut, Geduld und alles soll die Liebe zusammenhalten, wie es weiter heisst.
Als Leitfaden für meine Festkleider kann ich das annehmen und mich bemühen, ein solches Kleid anzuziehen. Aber mich als zu den Heiligen und Auserwählten Gottes
zu zählen, das geht nicht. Da wird mir angst und bange. Das mag ich nicht, so wenig wie ich Fanatiker mag. Christliche Fanatiker sind mir suspekt und ich meide sie wie der Teufel das Weihwasser!
Als von Gott geliebt, das kann ich als Versprechen gelten lassen. Ich für mich brauche indes eher das Wort angenommen. Mich von Gott angenommen fühlen – mit all meinen Beschränkungen – ist ein grosses Geschenk, und als solches empfinde ich es in den Zeiten, wo es mir zuteil wird.
In solchen Zeiten gelingt es mir bisweilen, eines der oben genannten Kleider anzuziehen und mich darin wohl zu fühlen, und helfende Worte fallen mir ein. Aber auserwählt und heilig? – Nein, das bin ich nicht.

Heilig und auserwählt kann man sicher auch anders verstehen. Wie verstehen Sie es?

von: Kathrin Asper

2. November

Gott der HERR hat mir eine Zunge gegeben, wie sie Jünger haben, dass ich wisse mit den Müden zu rechter Zeit zu reden. Jesaja 50,4

Und weiter heisst es im Text «weckt mir das Ohr…». Damit wir den Herrn hören, muss unser Ohr offen sein, und das ist nicht einmal meine Entscheidung, sondern Gott öffnet mir das Ohr.
Doch hier geht es zunächst nicht um uns, sondern um den Gottesknecht im Deuterojesaja, der in grösstem Leid und inmitten grausamer Gewalt an Gott festhält, Gottes gewiss ist und weiss, dass er «vom Mutterleib an berufen» ist. Man weiss nicht, wer dieser Gottesknecht ist, seine Erfahrung ist indes das Leiden, und so wurde er zu einer prophetischen Weissagung auf Jesus hin.
Letztlich sind auch wir aufgerufen zu hören, damit wir mit den Leidenden sprechen können. Ohne inneres Hinhören ist unsere Zunge nämlich «das aufrührerische Übel voller tödlichen Gifts» (Jakobus 3,8).

Die Losung erinnert mich an Jochen Kleppers Lied «Er weckt mich alle Morgen». Er schrieb es 1938, vier Jahre bevor er mit seiner jüdischen Frau und seiner Tochter in den Tod ging, um nicht nach Auschwitz verschickt zu werden. Im Lied, das auf den Text in Jesaja Bezug nimmt, heisst es am Ende: «Sein Wort will helle strahlen, wie dunkel auch der Tag.»

von: Kathrin Asper

3. September

So schau nun vom Himmel und sieh herab von
deiner heiligen, herrlichen Wohnung! Wo ist nun
dein Eifer und deine Macht?
Jesaja 63,15

Ich schaue gar nicht nach, in welchem Zusammenhang diese
Worte geäussert wurden. Sie packen mich und passen so gut
auf unsere heutige Weltlage: Alles läuft schief, Klima, Kriege,
Gewalt, Drogen, Verbrechen, Korruption. Wir Menschen
fahren unsere Welt an die Wand. Gänzlich ineffektiv sind die
Intentionen und Taten, den schlimmen Kurs zu stoppen, und
die Hoffnung auf ein gutes Ende ist an einem sehr kleinen
Ort. Ich bin nicht allein mit meinen pessimistischen Gedanken,
wo ich geh und steh, höre ich sie auch von anderen.
Ja, und wo ist da ein Gott, der eingreift? Die heutige Losung
verhöhnt ihn geradezu. Wo ist sein Eifer, seine Macht? Da ist
ein Gott in der Höhe, der es sich in seiner herrlichen Wohnung
gut gehen lässt und wir hier unten sind ihm egal, er
greift nicht ein und lässt unseren Untergang zu.
So aktuell die Losung für heute ist, so war sie damals, sie
bezieht sich nämlich auf das babylonische Exil und die Zerstörung
des Tempels. Wo war Gott damals, wo ist er heute?
Und doch: Es lebt sich besser mit der Annahme, dass wir
Gott nicht gleichgültig sind, und: Von ihm beziehen wir die
Kraft, unsererseits Gegensteuer zu geben.

Von: Kathrin Asper

2. September

Du sollst kein falsches Gerücht verbreiten. 2. Mose 23,1

War Lady Diana schwanger, als sie starb, und Elvis Presley,
lebt er vielleicht noch, und König Charles, ist er vielleicht
krank? Das sind Gerüchte, und sie verbreiten sich in Windeseile,
richten Schaden an und haften an der Person, gegen
die das Gerücht gerichtet ist, wie Gestank und Dreck und
sind kaum mehr loszuwerden. Ganze Nationen können
mit Gerüchten manipuliert werden und Menschen folgen
ihnen blindlings. So glauben die Russen Putins Gerede über
die Ukraine, Amerikaner folgen Trumps Fake News und die
Kriegseuphorie der Nationalsozialisten wurde damals blind
geteilt.
Der Künstler A. Paul Weber hat eine unglaublich eindrückliche
Lithografie gestaltet namens «Das Gerücht»: Da
windet sich ein schlangenartiges Wesen mit Menschenkopf,
spitzen Ohren, grossen Augen quer durch das ganze
Bild an einem Hochhaus vorbei. Aus den unzähligen
Fenstern schauen Menschen, quellen heraus, ja springen heraus
und halten sich am Schwanz des Wesens fest. So erging
es einem ganzen Volk. Die Hitler-Propaganda hat Land und
Menschen in den Abgrund geführt und Millionen zu Opfern
gemacht.
Gerüchte werden von Neidern erfunden, von Dummen
verbreitet und von Idioten geglaubt, heisst es. Hüten wir uns
davor und halten wir unsere Klatschsucht im Zaum. Übrigens:
Es lohnt sich, Webers Lithografie auf Google zu suchen.

Von: Kathrin Asper

3. Juli

Lobe den HERRN, meine Seele, und vergiss nicht,
was er dir Gutes getan hat.
Psalm 103,2

Die bekannte Kirchenkantate Johann Sebastian Bachs von
1723 beginnt im Eingangschor mit unserer heutigen Losung.
Bachs Kantate, deren Dichter unbekannt ist, bezieht sich
auf die Heilung des Taubstummen und ist ein Lob auf das
beständige Wirken Gottes.
«Count your blessings», sagt der Engländer, wenn eine
Situation schwierig und traurig ist. Das hilft. Sich zu erinnern,
was gut lief, ist auch eine wichtige Regel in der Traumatherapie
und der Psychotherapie. So sollen wir uns zum Beispiel
abends erinnern, was schön, gut und lustig war an diesem
Tag. Vielleicht das Rotkehlchen, das ich auf dem Weg zur
Bahn sah, der Witz, den mein Kollege erzählte, oder die tröstende
Zuwendung einer Freundin. Das soll man sich bildlich
in Erinnerung rufen, sich die Atmosphäre deutlich machen,
die Gerüche, den Klang – und das mehrmals. Wie die neuere
Hirnforschung aufzeigt, hilft das, neue Bahnungen im Gehirn
zu eröffnen, auf Grund deren wir vermehrt positiv denken
können. Und wer breite «Strassen» im Gehirn hat, die negative,
abwertende Gedanken erzeugen, der hat neue Bahnungen
nötig. Sich plastisch an gute Situationen zu erinnern, hilft
dabei. Was ist das anderes, als die heutige Losung aussagt?
Allerdings: Diese ist an den HERRN gerichtet. Sie schliesst
die Transzendenz ein. Erinnern wir uns an Gutes, so holen
wir ein Teilchen des Reichs Gottes in unser profanes Dasein.

Von: Kathrin Asper

2. Juli

Alles nun, was ihr wollt, dass euch die Leute tun sollen,
das tut ihr ihnen auch! Das ist das Gesetz und die
Propheten.
Matthäus 7,12

Die goldene Regel für menschliches Miteinander heisst, dass
wir Gutes mit Gutem vergelten sollen.
«Was du nicht willst, dass man dir tu, das füg auch keinem
andern zu», so habe ich es von meiner Mutter gelernt und
später erfahren, dass das Zitat von Erich Fromm stammt.
Wie hat dies doch Jesus auf den Punkt gebracht, kurz und
prägnant und eigentlich so einfach!
Und doch sind wir oft träge und verschieben manches auf
morgen oder übermorgen und dann vergessen wir es gar.
Es ist eine praktische Minimalethik, die auf Wechselseitigkeit
beruht. Eigentlich ganz klar.
Aber ist es auch klar, dass wir das Gute, das wir für andere
tun, auch für uns tun sollten? Ist es mitnichten! Wie viele
Menschen gehen schlecht und lieblos mit sich selbst um,
gönnen sich wenig bis nichts, wissen besser über ihre
Beschränkungen Bescheid als über ihre guten Seiten.
Ich habe mich oft gefragt, warum dies so ist. Weit über
pathologisches und neurotisches Verhalten hinaus ist diese
Haltung weit verbreitet und gründet wahrscheinlich auch
in der Erziehung, wo Nichtstun ungut war, sich selber loben
verpönt und sich herausstreichen ganz und gar nicht gutgeheissen
wurde.
Lernen wir also, uns selber auch Gutes zu tun, und verschieben
wir es nicht auf morgen.

Von: Kathrin Asper

3. Mai

Ihr sollt heilig sein, denn ich bin heilig,
der HERR, euer Gott.
3. Mose 19,2

Heilig und Heiligkeit sind Wörter, die wir heute kaum mehr
benutzen, allenfalls versprechen wir etwas hoch und heilig
oder sagen, etwas ist mir heilig, und meinen bedeutsam.
Trotzdem: Es gibt einen heiligen Raum neben unserem
profanen.
In unserer heutigen Losung begegnen sich die
beiden Sphären, genauer: Mensch und Gott.
Wo und wie nehmen wir denn Heiliges wahr? Wir nehmen
es gefühlsmässig wahr, wenn wir von etwas ergriffen sind.
Dieses Etwas ist dann vergleichbar einem Fenster in Ewiges,
ein Fenster in unserem profanen Alltag. Das Etwas weist
über sich selbst hinaus und wird so zum Symbol. So kann
zum Beispiel eine brennende Kerze zum Symbol werden,
wenn wir uns ergreifen, anrühren lassen von etwas, das über
uns hinausgeht und auf Transzendenz hindeutet. Die Natur
ihrerseits kann in Momenten des Einklangs mit ihr als Schöpfung
erfahren werden und uns mit dem Schöpfer verbinden.
Ich denke nicht, dass wir heilig sind, aber ich bin mir sicher,
dass wir Zugang haben zum Heiligen. Heiliges scheint auf
uns nieder, wenn wir ergriffen werden und angerührt sind.
So treffen sich profane Welt und heilige Sphäre.
Der Mensch, in der Bibel auch Wurm oder Made genannt
(Hiob 25,4–6), wird durch die Berührung mit dem Heiligen
geadelt, verwandelt.

Von: Kathrin Asper

2. Mai

Jesus spricht: Ich bin nicht gekommen, Gerechte
zu rufen, sondern Sünder.
Markus 2,17

Wir erinnern uns: Jesus war zusammen mit vielen Menschen
am See Genezareth. Im Vorbeigehen ruft er dem Zöllner Levi
zu, er solle ihm folgen. Dieser lässt alles stehen und liegen,
folgt ihm nach und lädt zu einem grossen Festessen ein. Die
Pharisäer sind empört, dass Jesus mit diesem Gesindel isst.
Jesus antwortet ihnen mit dem heutigen Bibelvers, dessen
erster Teil lautet: «Nicht die Gesunden brauchen einen Arzt,
sondern die Kranken.»


Wenn wir in Not sind, schlechten Lebenswandel führen,
Böses tun, Schuld auf uns laden, dann brauchen wir Hilfe.
Jesus ruft die Sünder zur Busse, also zur Umkehr.
Und was ist Umkehr? Um Busse zu tun, muss ich mir
innewerden, dass ich auf dem Holzweg bin, Ungutes getan
habe, einen schlechten Lebenswandel führe. Und trotz
dieser Einsicht gelingt uns die Umkehr nicht. Wir lassen
nicht alles stehen und liegen wie Levi, sondern verharren oft
weiter im Unguten.


Ja, was braucht es denn? Wir müssen offen werden für das
Wort Gottes, für das, was uns helfen will. Wir müssen die
Gnade akzeptieren, akzeptieren, dass wir gemeint sind, oder
wie es Paul Tillich formulierte: «akzeptieren, dass wir akzeptiert
sind».

Von: Kathrin Asper