Schlagwort: Katharina Metzger

10. Dezember

Es sind verschiedene Kräfte; aber es ist ein Gott, der da wirkt alles in allen. 1. Korinther 12,6

Paulus spricht von Geistesgaben, von Offenbarungen des Geistes, die den Menschen in unterschiedlicher Weise geschenkt werden: die Weisheitsrede etwa, die Erkenntnisrede, die Gabe der Heilung, die Zungenrede und die Übersetzung der Zungenrede. Und noch einige mehr. Es sind Gaben, die ich selbst nicht so richtig kenne und die ich in meinem Alltag nicht antreffe. Für Paulus ist wichtig: Die Gaben sind vielfältig, aber alle sind wichtig und durch alle spricht der eine Geist. Und alle diese verschiedenen Gaben braucht eine Gemeinde.
Die Menschen, mit denen ich viel zu tun habe, sind nicht meine Gemeinde. Es sind Familienbande, Zufallsbekanntschaften, Arbeitsverhältnisse, Freizeitkontakte, Freundschaften. Ich weiss bei vielen nicht, ob ihnen Religion, Glaube, Gott etwas sagt. Und wenn, dann sind die Antworten mannigfaltig. Aber auch für diese Gemeinschaften kann ich etwas von Paulus’ Haltung mitnehmen: die Offenheit gegenüber den Eigenheiten der anderen, gegenüber dem, was sie als einzelne
Menschen in eine Gemeinschaft einbringen – und die Wertschätzung und Freude daran. Die Freude an dem, was der oder die andere von sich teilt: vielleicht ein offenes Ohr oder Mut, Humor, Wärme – und manchmal vielleicht auch etwas,
das mich zum Nachdenken und Handeln herausfordert.

von: Katharina Metzger

9. Dezember

HERR, du hast mich heraufgeholt aus dem Totenreich, zum Leben mich zurückgerufen von denen, die hinab zur Grube fuhren. Psalm 30,4

In meinen Worten, aus meinem Leben heraus, würde Psalm 30 so klingen:

Gott, du bist in mir. Du bist nicht fern von mir. Deswegen
brauche ich mich nicht zu fürchten vor einem Totenreich,
in dem du nicht bist.
Aber ich fürchte mich trotzdem, im Leben:
Davor, schwach zu sein.
Davor, etwas nicht zu können.
Davor, mich zu blamieren.
Davor, etwas nicht richtig zu entscheiden.
Davor, dass ich klein bin und alle anderen gross.
Davor, allein zu sein.
Und manchmal, wenn meine Ängste sich bestätigen, bei Niederlagen, bei Nichtgelingen, bin ich traurig, kraftlos, kleinlaut. Und dann – eine Wendung: Ich verdaue, was mich bedrückt, was mich verwirrt. Ein Knoten löst sich, ein Schleier hebt sich. Der Zugang wird frei zum Grund in mir, der mir sagt: Du bist gut.
Es ist ein wenig so, als würde ich nach einer Krankheit zum ersten Mal wieder nach draussen gehen und die frische Luft atmen. Ich bin dankbar, dass das immer wieder geschieht.

von: Katharina Metzger

10. Oktober

Was gering ist vor der Welt und was verachtet ist,
das hat Gott erwählt, was nichts ist, damit er
zunichtemache, was etwas ist, auf dass sich kein
Mensch vor Gott rühme.
1. Korinther 1,28–29

Was ist Ihre liebste Sehenswürdigkeit? – Vor vier Jahren
war ich im Sommer in Athen. Ich genoss es, im lauen Wind
zwischen
Olivenbäumen und Agaven auf den Hügeln der
Stadt zu spazieren und meinen Blick über die Akropolis
schweifen zu lassen. An einem Abend ging ich noch für eine
Stunde ins Akropolis-Museum, das sich unterhalb des Akropolis-
Hügels befindet. Ich schlenderte durch die Räume,
danach setzte ich mich draussen etwas hin und betrachtete
das Museum: ein schöner Bau. Dabei sah ich durch die
grossen
Glasfenster zwei Frauen, die beide einen Putzwagen
durch die Räume schoben, miteinander schwatzten und den
Exponaten um sich herum keinerlei Beachtung schenkten.
Klar, sie sind wohl täglich dort und sind es gewohnt, ihre
Arbeit zwischen Weltkulturerbe zu verrichten. Trotzdem
war es ein erfrischender Anblick, der die Ehrfurcht vor den
Zeugen der Vergangenheit und deren Grossartigkeit etwas
entkräftete.
Sprechen diese Sehenswürdigkeiten wirklich nur vom
Bemühen der Menschen, sich selbst unsterblich zu machen?
Oder sind sie unverzichtbare Zeugnisse unserer Menschheitsgeschichte?
Oder sprechen sie auch, trotz ihrer Grossartigkeit,
ein wenig von unserer Suche nach Gott?

Von: Katharina Metzger

9. Oktober

Zachäus sprach zu Jesus: Siehe, Herr, die Hälfte
von meinem Besitz gebe ich den Armen, und
wenn ich jemanden betrogen habe, so gebe ich
es vierfach zurück.
Lukas 19,8

Vor einem Jahr war ich an einer Fortbildung für Lehrkräfte,
und am Schluss stellte die Leiterin die Frage: «Was würdet
ihr tun, wenn ihr eine Kiste mit einer Million Franken drin
finden würdet, die ihr behalten dürft?» Zuerst Schweigen,
dann: «Ein Haus kaufen.» «Eine Reise machen.» «Ein Jahr
unbezahlten Urlaub nehmen.» – Niemand sprach vom Teilen.
Niemand sprach davon, dass wir ja eigentlich Monat für
Monat einen nicht allzu schlechten Lohn erhalten. Niemand
erinnerte daran, dass man sich noch am Morgen – anlässlich
einer anderen Veranstaltung – für das Thema «Energiesparen
» ausgesprochen hatte und dass das vielleicht auch
ein wenig mit Selbstbeschränkung zu tun haben könnte.
Und ich sagte auch nichts, ich hatte plötzlich Angst, als
miesepetriger
Moralapostel dazustehen. Der Leiterin ging
es übrigens
gar nicht ums Thema Geld, sondern darum,
Wünsche
zu artikulieren.
An der Zachäusgeschichte gefällt mir, dass Jesus nicht
einen Sieg feiert, weil er Zachäus vom Geld «wegbekehrt»
hat, sondern dass er, wie es am Ende heisst, in Zachäus etwas
gesucht und gerettet hat, das verloren war. Wie viel «Original-
Zachäus» steckt auch in uns, und wie viel liesse sich auch
in uns wiederentdecken?

Von: Katharina Metzger

10. August

Legt ab alle Unsauberkeit und alle Bosheit und
nehmt das Wort an mit Sanftmut, das in euch gepflanzt
ist und Kraft hat, eure Seelen selig zu machen.

Jakobus 1,21

Ich habe als Lehrerin gerade eine Situation mit einem Schüler,
der sich oft danebenbenimmt. Wenn es nicht bessert,
muss er in eine andere Klasse oder eine andere Schule. Vielleicht
ist das eine gute Lösung. Trotzdem ist es nicht schön
für mich, das zu entscheiden. Denn es ist dieses Eingeständnis
damit verbunden: Ich habe es nicht geschafft mit ihm.
Neben diesem etwas kleinlauten Eingeständnis ist da aber
auch der Wunsch, nun einmal Klartext zu reden, eine Grenze
zu ziehen, zu sagen, so, Bürschchen, alles lass ich mir nun
doch nicht bieten, fertig lustig!
Das ist manchmal nötig – und oft genug fällt mir gerade
das eher schwer, bin ich doch nicht so ein Fertig-lustig-Typ!
Und jetzt besteht die hohe Kunst wohl darin, den Fertiglustig-
Typ mit dem Ablegen der Bosheit zu kombinieren.
Nicht meine verletzten Gefühle in einen harten Panzer
umzuwandeln, sondern diese abzulegen. Keinen dicken
Mantel aus meinen Rechtfertigungen zu weben. Sondern
«einfach so» dazustehen.
Der Vers spricht neben dem, was man ablegen soll, auch
von dem Wort, das «in uns gepflanzt ist». Ich deute dies für
mich als eine Art Zusage sowohl an mich wie auch prinzipiell
an alle Menschen – ein kraftvolles, aber auch sanftes Bild.

Von: Katharina Metzger

9. August

Lasst das Wort Christi reichlich unter euch wohnen:
Lehrt und ermahnt einander in aller Weisheit.

Kolosser 3,16

Das Wort Christi: Ist das so etwas wie die Essenz seiner Aussagen,
Gleichnisse und Anweisungen, die es weiterzugeben
gilt? Bei mir taucht da als Erstes auf: Liebe deinen Nächsten
wie dich selbst. Ich weiss nicht, ob das wirklich damit gemeint
ist, aber ich überlege mir jetzt einmal, wie ich diesem Wort
bewusst eine «Wohnstätte» bei mir einrichten könnte:

  1. Ich wasche mir jeden Morgen bewusst Augen, Ohren und
    Hände, mit denen ich die Menschen um mich herum
    wahrnehme.
  2. Ich versuche, mehr zu hören und weniger zu sprechen.
  3. Ich versuche aber, meiner Meinung dort mehr Gewicht
    zu geben, wo sie etwas Gutes bewirken kann.
  4. Ich versuche, Konflikten nicht aus dem Weg zu gehen.
  5. Ich denke im Gottesdienst am Sonntag an Leute, denen
    es nicht so gut geht.
  6. Ich freue mich an schönen, innigen, lustigen Momenten
    mit meiner Familie.
  7. Ich freue mich an der Musik, an der Natur, an schönen
    Dingen – sie öffnen mich für das Gute, für das Wunder des
    Lebens und lassen mich Schwieriges mit anderen besser
    aushalten.

Haben Sie weitere Vorschläge?

Von: Katharina Metzger

10. Juni

Selig sind, die da geistlich arm sind;
denn ihrer ist das Himmelreich.
Matthäus 5,3


Ich habe wegen des «geistlich arm» nach einer anderen
Übersetzung gesucht und in der «Volxbibel» folgende
gefunden: «Herzlichen Glückwunsch! Hart feiern können
die Leute, die nicht so gut checken, wo es spirituell langgeht.
Die nichts haben, mit dem sie Gott beeindrucken könnten.
Sie werden mit Gott dort leben, wo er der Chef ist.»
Geistlich arm würde ich nach dieser Übersetzung so verstehen:
weder vertieftes Wissen noch felsenfeste Überzeugungen
von einer Glaubenspraxis zu haben. Würde das auf
mich zutreffen? Ja, und auch nein: Ich bin nicht arm. Weder
materiell noch – behaupte ich – geistlich. Deswegen kann
ich nicht über Armut schreiben. Denn ich kann mich auf
vieles verlassen: auf meinen Monatslohn, auf mein Haus,
auf die medizinische Versorgung, auf die Ausbildung meiner
Kinder, auf die Ferien … Ich kann mich verlassen auf die
Liebe meiner Nächsten, auf das Äussern und Diskutieren von
Gedanken, auf Tätigkeiten, die mich erfüllen, auf ein Leben
voller Möglichkeiten. Ich verlasse mich auch darauf, dass
es nicht schlimm ist, wenn ich im Glauben zweifelnd und
fragend bin, ich darf trotzdem in spirituellen Gruppen mit
dabei sein. Aber wenn ich all diese Gewissheiten loslassen
müsste? Irgendwo fremd, unverstanden und womöglich arm
sein müsste? Würde ich dann verzweifeln oder durch diese
Armut gerade für Neues, Unerwartetes offen werden?

Von: Katharina Metzger

9. Juni

Der HERR, dein Gott, wandelte dir den Fluch in
Segen um, weil dich der HERR, dein Gott, lieb hatte.
5. Mose 23,6

Fluch und Segen. Beim heutigen Text ist es Bileam, der das
Volk Israel verflucht haben soll. Weiter heisst es, wie Gott
auf diesen Fluch reagierte: «Aber der Herr, dein Gott, wollte
nicht auf Bileam hören …», und dann folgt obiger Vers.
Hier stehen also menschliche Wünsche und Verwünschungen
und göttliche Kräfte in Verbindung miteinander. Und es
kommt mir so vor, als ob es dem Volk Israel erst hinterher
bewusst geworden wäre, dass es inmitten dieser guten und
schlechten «Sendungen» stand.
Als Wesen, das Fluch oder Segen empfängt, ist man also
immer irgendwie ausgeliefert. Können wir da nicht auch
selbst etwas in die Hand nehmen? Vielleicht das: Vor ein paar
Tagen hat mir eine Nachbarin, die nicht sonderlich religiös
ist, erzählt, sie habe ihren Kindern immer gesagt, sie dürften
nicht «Gopferdammi» sagen. Und ich erinnerte mich,
dass meine Mutter uns Kindern das auch so beigebracht
hatte. «Warum denn? Was heisst das überhaupt?», hatten
wir damals zurückgefragt. «Das heisst: Der Liebgott sell mi
nümm gärn ha», hatte meine Mutter erwidert. Ich übersetze
noch etwas weiter: Das würde heissen, sich selbst dem Fluch
und nur dem Fluch auszusetzen und jegliche Verbindung zur
Liebe zu kappen.

Von: Katharina Metzger

10. April

Gott sei Dank, der uns den Sieg gibt durch unsern Herrn Jesus Christus! 1. Korinther 15,57

Es geht um den Sieg über den Tod. Zwei Verse zuvor stehen
die berühmten Worte: Verschlungen ist der Tod in den Sieg.
Tod, wo ist dein Sieg? Tod, wo ist dein Stachel?
«Ich möchte jetzt gehen.» «Es reicht mit dem Leben, ich
bin müde.» «Es geht nur noch abwärts.» Solche Worte
hört man ab und zu von Menschen, die «ihr Leben gelebt
haben». Da kommt der Tod als sanfter Erlöser. Vielleicht als
«Ablöser» von dieser Welt. In meiner Umgebung ist dies –
zum Glück – häufig der Fall.
Braucht es da Jesus Christus, der uns eine neue Wirklichkeit,
ein ewiges Leben erschlossen hat?
Ich selbst bin sehr mit dem Leben beschäftigt und habe
kaum Gedanken an ein Leben für mich als «ich» nach dem
Tod oder nach einer endzeitlichen Auferstehung.
Aber ich glaube andererseits, dass der Tod eines mir sehr
nahestehenden Menschen mich grundlegend verändern
und aus der Bahn werfen könnte. Und ich glaube weiter, dass
dann dieser Gedanke ein neues Gewicht für mich bekommen
könnte: dass dieser Jesus Christus, dieser Mann am
Kreuz, dessen Leben und dessen Gedächtnis das Kirchenjahr
und ein Stück weit auch mein Leben prägen, die Todeserfahrung
machen musste, die auch meine Nächsten, ich selbst
und überhaupt alle machen werden. Dass wir damit nicht
allein sind.

Von: Katharina Metzger

9. April

Als Jesus auferstanden war früh am ersten Tag der Woche, erschien er zuerst Maria Magdalena, von der er sieben Dämonen ausgetrieben hatte. Und sie ging hin und verkündete es denen, die mit ihm gewesen waren, die da Leid trugen und weinten. Markus, 16,9–10

Heute ist Ostersonntag! Auferstehung. Jahr für Jahr schauen
wir in dieser Zeit der Natur bei ihrem erneuten Aufblühen
zu, eine wundersame Wandlung, die nie von ihrem Zauber
verliert.
Doch nun kommt ein Blick zurück in die Adventszeit, zu
einem Adventsfenster, das mir in Erinnerung geblieben ist:
Man konnte in eine Kiste reinschauen, in der Stroh war, und
darin stand das Foto einer Skulpturengruppe: Die Figuren,
alles Frauen, betrachten in einer Art Höhle den gekreuzigten
Jesus, der, noch am Kreuz, auf der Erde liegt. Die Frauen
reissen entsetzt den Mund auf, weinen, haben bestürzte
Gesichtsausdrücke. Es ist also nicht – wie wir es überliefert
kennen – das leere Grab, an dem sie sind, sondern ein «volles
» Grab. Der Gekreuzigte ist ganz am unteren Bildrand,
und nun sah es in diesem Adventsfenster so aus, als ob er,
am Ende seines Lebens, im Stroh seiner Krippe liegen würde.
Der Wunsch nach Ungeschehenmachen dieses Todes,
nach Ausbruch aus diesem Käfig, nach dem Öffnen der
Höhle, dem Wegrollen des Steins – wie spürbar wurde er in
diesem Adventsfenster!

Von: Katharina Metzger