Schlagwort: Sigrun Welke-Holtmann

28. August

Jesus spricht: Nehmt auf euch mein Joch und lernt von
mir; denn ich bin sanftmütig und von Herzen demütig;
so werdet ihr Ruhe finden für eure Seelen.
Matthäus 11,29

Eigentlich habe ich immer gehadert mit diesem Joch, das so
zwingend und schwer auf einem liegt und das ich dennoch
fast freudig auf mich nehmen soll. Als Lernprojekt sozusagen.
Thema: Sanftmut und Demut üben.
Und ich konnte diesem Bild lange nichts abgewinnen.
Also lieber die Losung statt den Lehrtext dieses Tages nehmen?
Nein! Stattdessen den ungeliebten Text mitnehmen in
meinen Alltag – und ihn immer mal wieder anderen anbieten.
Was meinst du?
«Unter ein Joch passen immer zwei Ochsen und zu zweit
ist man weniger allein!» Und: «Unter einem Joch bist du nach
vorne ausgerichtet, du kannst dich gar nicht umdrehen, du
hast also eine Orientierung.» Die Antworten eines Freundes
faszinieren mich und erschliessen mir dieses Bild neu, geben
ihm eine neue Farbe. Ich muss schmunzeln, weil ich merke,
wie auf einmal meine Abwehr gegen das Joch schmilzt und
es zu einer wirklichen Alternative wird zu den Lasten, die ich
mit mir herumtrage, unter denen ich mich ganz allein und
auch orientierungslos fühle und es vielleicht auch bin. Mein
Joch, unter das ich mich oft sogar freiwillig begebe, das mir –
mühselig und beladen – eben keine Möglichkeit zur Ruhe für
meine Seele bietet. Sanftmut und Demut könnten vielleicht
doch noch ein Thema für mich sein.

Von: Sigrun Welke-Holtmann

27. August

Der HERR, dein Gott, hat dich gesegnet in allen
Werken deiner Hände.
5. Mose 2,7

Eine grosse Rückschau steht am Anfang des 5. Buches Mose.
Mose selbst werden diese Worte in den Mund gelegt am
Scheidepunkt zwischen Vergangenheit und Zukunft, zwischen
Wüste und gelobtem Land. Und dann dieser Satz.
Nicht nur die grossen Taten sind Gottes Werk, nicht nur das
Wunder am Schilfmeer, Manna und Wachteln, die selbstgeschriebenen
Steintafeln, sein Segen liegt nicht nur auf Mose,
Aaron, Mirijam oder den grossen und einflussreichen Führerinnen
und Führern, er liegt in allen Werken deiner Hände.
Deiner Hände!
Und auch meiner.
Gott mitten unter uns, in uns wirksam, handfühlig.
Und der Satz ist noch nicht zu Ende, Mose legt noch nach:
«Er hat dein Wandern durch diese grosse Wüste auf sein
Herz genommen.» (5. Mose 2,7)
Am Scheidepunkt zwischen Vergangenheit und Zukunft
und nach dem Durchqueren der Wüsten und Durststrecken
unserer Zeit – und wir haben wahrlich genug davon – brauchen
wir genau solchen Zuspruch, ist es wichtig, Vergangenheit
aus Gottes Sicht auf uns zu deuten und damit Zukunft
zu eröffnen.
Der HERR, dein Gott, hat dich gesegnet in allen Werken deiner
Hände. Er hat dein Wandern durch diese grosse Wüste
auf sein Herz genommen.

Von: Sigrun Welke-Holtmann

28. Juli

Ihr könnt nicht Gott dienen und dem Mammon.
Matthäus 6,24

Warum eigentlich nicht? Warum soll ich nicht zwei Herren
dienen können? Viele haben zurzeit mehrere Jobs, oft reicht
es gar nicht, nur einen zu haben. Ein Gehalt ist für manch
eine kaum genug zum Überleben, schon gar nicht, wenn
sie Familie hat. Warum nicht Gott und dem Mammon, was
immer das genau ist und mit Reichtum und Vermögen übersetzt
wird, dienen?
Liegt das an mir oder an denen?
Man könnte sich mit der Arbeitszeit doch absprechen.
Sonntags von 10.00 bis 11.30 Uhr Gott und werktags dem
Mammon dienen. Und samstags frei. Das ist im Grunde doch
nur eine Frage der Absprache. Da muss man ja nicht gleich
emotional werden.
Doch was in der Arbeitswelt von heute anscheinend kein
Problem mehr ist, sieht in diesen besonderen Dienstverhältnissen
anders aus.
Denn beide, Gott und der Mammon, haben etwas gemeinsam.
Den Absolutheitsanspruch.
Den Absolutheitsanspruch auf dich und auf mich. Da gibt
es keine Absprachen in Sachen Arbeitszeitregelung, da geht
es um ganz oder gar nicht. Teilzeit-Christin geht halt nicht,
obwohl wir heute so gerne alles bedienen mögen und ständig
«out of the box» denken und mega flexibel sind.
Manchmal muss man und frau sich eben doch entscheiden,
was ihr wichtig ist, woran er sein Herz hängt.

Von: Sigrun Welke-Holtmann

27. Juli

Ich, ich bin der HERR, und ausser mir ist kein Heiland.
Jesaja 43,11

«Ich, ich, ich …» Die drei Geschwister umringen die Oma,
ja führen regelrecht einen Tanz um sie auf. Alle recken den
Finger hoch, oder gleich beide Hände, denn je mehr die eine
den anderen verdrängt, abdrängt, desto besser. Alle wollen –
lautstark – … ich, ich, ich!
Kinder können so erfrischend selbstbewusst sein, ihre
Bedürfnisse in die Mitte stellen, in den Vordergrund schreien.
«Ich, ich, ich …» Einfach wunderbar.
Als Jugendliche habe ich gelernt, dass der Esel sich immer
zuerst nennt, und habe aufgehört, ein «ich» an den Satzanfang
zu stellen, wenn noch jemand anderes mitgenannt wird.
Als höflicher Mensch nennt man den anderen immer zuerst.
Komisch, dass mir das zuerst einfällt, als ich die Losung
lese und zur Oberlehrerin mutiere, die Gott gerade mal eine
Lektion Anstand beibringen könnte.
Bis …, ja, bis ich die Stelle im Jesajabuch lese und einsehe,
dass es genau darum geht. Dass es eben keinen anderen gibt!
Keinen Gott ausser Gott.
Ausser Gott ist kein Heiland.
Unsere menschlich-höflichen Anstandsregeln gelten hier
nicht und wahrscheinlich vieles andere, was uns so wichtig
und richtig erscheint, auch nicht.
Ich bin’s – und sonst keiner. Eigentlich ganz einfach. Und
einfach erfrischend wunderbar.

Von: Sigrun Welke-Holtmann

28. Juni

Ich will deinen Namen preisen für deine Güte und
Treue; denn du hast dein Wort herrlich gemacht um
deines Namens willen.
Psalm 138,2


der Ewige, die Ewige, Schechina, Adonaj, ha-Schem
«Gottes Name ist unübersetzbar» – mit dieser Überschrift
hat die Bibel in gerechter Sprache (BigS) ihren Abschnitt zum
Thema «Gottesname» überschrieben. Gott hat in der Bibel
einen Namen. Er besteht aus vier hebräischen Buchstaben,
bei denen nicht ganz genau klar ist, wie sie ausgesprochen
werden und was sie genau bedeuten. Der Name Gottes wird
seit biblischer Zeit nämlich nicht mehr direkt ausgesprochen.
Die BigS schlägt einige Übersetzungsvarianten vor, die
an die Stelle des Namens gesetzt werden können.


der Name, GOTT, die Lebendige, der Lebendige, Ich-bin-da
Als Übersetzerin des ersten Buches über die Zeit der Königinnen
und Könige habe ich mir lange überlegt, welche
Variante
ich für die Übersetzung wählen möchte. Ich habe
mich für «die Ewige» entschieden. Die Texte haben dadurch
einen ganz eigenen Klang bekommen.


ha-Makom, DU, ER SIE, SIE ER, die Eine, der Eine
Ich will deinen Namen preisen für deine Güte und Treue,
denn du hast dein Wort herrlich gemacht um deines Namens
willen.


die Heilige, der Heilige

Von: Sigrun Welke-Holtmann

27. Juni

Jesus spricht: Mir ist gegeben alle Gewalt im Himmel
und auf Erden. Darum gehet hin und lehret alle Völker:
Taufet sie auf den Namen des Vaters und des Sohnes
und des Heiligen Geistes und lehret sie halten alles, was
ich euch befohlen habe.
Matthäus 28,18–20

Er hat eine lange und gewichtige Geschichte, dieser Vers. Als
Tauf- und Missionsbefehl hat er Einlass gefunden in unsere
Liturgie, in die Tauf- und Missionsgeschichte und in die
Hände von Menschen, die anderen ihren Glauben bringen
wollten, im äussersten Fall auch gegen deren Willen. Befehle
müssen halt erfüllt werden.
Im Januar war ich mit meinen Vikarinnen und Vikaren bei
der EMS in Stuttgart. Die Evangelische Mission in Solidarität
ist eine internationale Gemeinschaft aus 25 Kirchen und
fünf Missionsgesellschaften. Mission hat in unserer Zeit ein
neues Gesicht bekommen und hat nichts mehr mit Befehlen
und Zwang zu tun. Es geht um Partnerschaftsarbeit, um
Teilen, Teilen des Glaubens, Austausch von Menschen und
Teilen von Ressourcen. Mission wird dabei als eine lebensverändernde
Kraft verstanden. Gemeinsam werden die mannigfaltigen
Herausforderungen in der einen Welt und der
Weltchristenheit angegangen.
Wir waren begeistert. Hier wird die Verbundenheit im
Glauben an Jesus Christus über alle Grenzen hinweg gelebt,
in gegenseitigem Respekt und in Solidarität.
Ein Missionsbegriff, den ich gut annehmen kann, zu dem
ich mich gerne senden lasse.

Von: Sigrun Welke-Holtmann

28. Mai

Ich selbst will, spricht der HERR, eine feurige Mauer
rings um Jerusalem her sein.
Sacharja 2,9


Eine feurige Mauer, über Tag eine Wolkensäule, des Nachts
eine Feuersäule, ein brennender Dornbusch. Sie sind so
gewaltig, naturgewaltig, die Erscheinungen Gottes, von
denen die Texte des Alten Testaments schreiben. Und bei
aller Bedrohlichkeit, die diese Bilder auch enthalten, muss
ich doch sagen, dass ich diese Geschichten liebe, denn sie
erzählen Gott so erlebbar. Erlebbar im Hier und Jetzt. In
aller Gewaltigkeit: Wärme, Schutz und Orientierung gebend.
In Sacharjas dritter Vision von dem Mann mit der Messschnur
ist es ein Versprechen, ein Versprechen Gottes: Ich
will eine feurige Mauer rings um Jerusalem sein.
Ich will dieses Versprechen heute nicht auf dem Hintergrund
der aktuellen politischen Lage in Jerusalem hören, nicht als
Argument in einem nicht enden wollenden Konflikt, nicht
als Grenzziehung, sondern als eine Geschichte, die von der
Sehnsucht nach Gottes Schutz und Beistand spricht. Ein Prophetenwort,
das sich das naturgewaltige Eingreifen Gottes
herbeiwünscht und es seinen Leserinnen und Lesern bereits
vor Augen stellt: Ich hob meine Augen auf und sah …
Eine feurige Mauer, über Tag eine Wolkensäule, des Nachts
eine Feuersäule, ein brennender Dornbusch – manchmal
habe ich auch naturgewaltige Sehnsucht nach Gott.

Von: Sigrun Welke-Holtmann

27. Mai

Daran erkennen wir, dass er in uns bleibt: an dem Geist,
den er uns gegeben hat.
1. Johannes 3,24


Was macht den Unterschied aus? Woran erkennt man Drinnen
und Draussen, Gut und Böse, Wahrheit und Irrtum,
Kinder Gottes und Kinder des Teufels?
Er ringt mit sich und seinen Leserinnen und Lesern und
sieht es doch ganz klar: Ihr Lieben, seht das doch ein, das ist
doch gar nicht schwer!
Ich finde es heute überhaupt nicht mehr so klar. Wie lässt
sich dieser Unterschied fassen? Und sollten wir in einer globalen
Welt nicht eher auf die Gemeinsamkeiten als auf die
Unterschiede schauen?
Was ist das für ein Geist und wie könnte ich ihn heute
beschreiben? Mit welchen Worten, die wir auch noch aktiv
verwenden und die uns ganz konkret etwas sagen? Und wie
haben wir – Sie und ich – ihn bekommen? Mit der Taufe –
o.k., aber wie wird er gespürte Erfahrung und damit Wirklichkeit
für uns?
Können wir den Geist an der entwickelten Haltung erkennen?
Wie lassen sich brüderliche – geschwisterliche – Liebe
und Glaube an den Namen Jesu Christi leben? Sind damit
Toleranz und Akzeptanz gemeint? Empathie oder mehr?
So viele Fragen ergeben sich aus diesem einen Vers, die,
wenn sie nicht dogmatisch beantwortet werden sollen, jeder
und jede nur für sich und aus der eigenen Geschichte heraus
beantworten kann.

Von: Sigrun Welke-Holtmann

28. April

Wer den Harnisch anlegt, soll sich nicht rühmen
wie der, der ihn abgelegt hat. 1. Könige 20,11

Wenn mächtige Männer mit Allmachtsfantasien aneinandergeraten…
Ich lese diese Losung, während ein grausamer Krieg
herrscht. Mitten in Europa. Drohgebärden und Waffenlieferungen
werden tagtäglich medial aufbereitet, damit alle sie
mitbekommen. Ebenso die Bilder von Verbrechen und Tod.
Und jetzt auch noch hier. Ben-Hadad, König von Aram,
belagert Samaria und versucht aus Ahab, dem König von
Israel, auch noch das Letzte herauszuquetschen. Der ist
bereit, sein Silber, sein Gold, seine Frauen und seine Söhne
zu geben, darüber hinaus will er jedoch keine Zugeständnisse
mehr machen. Er lässt die Situation eskalieren und gibt
dem feindlichen König noch einen «guten» Rat mit: Wer
den Harnisch anlegt, soll sich nicht rühmen wie der, der ihn
abgelegt hat.
Vielleicht wäre ich zu einer anderen Zeit bereit gewesen,
mich auf die Geschichte einzulassen und auf den Spruch,
dass man den Sieg nicht vor dem Ende des Kampfes feiern
soll. Vielleicht hätte ich von dem Propheten erzählt, der
eingreift, und von der Wendung, die diese Geschichte durch
Gottes Eingreifen bekommt.
Heute nicht.

Von: Sigrun Welke-Holtmann

27. April

Hat denn Gott sein Volk verstossen? Das sei ferne! Römer 11,1

Die schärfste Waffe der Rhetorik ist die Frage. Das wusste
auch Paulus, der in der alten Disziplin sicherlich gut ausgebildet
war. Mit Fragen lenkt man ein Gespräch, kann die
Richtung vorgeben und wechseln. Man kann damit das
Gegenüber herausfordern, zum geistigen Austausch, sich zu
exponieren. Fragen, rhetorische Fragen eignen sich aber auch
gut, um die eigene Sicht darzustellen.
«Hat denn Gott sein Volk verstossen?» Eine Frage, über die
man trefflich diskutieren könnte. Zu der man verschiedener
Meinung sein könnte: Nun, vielleicht ja, es sieht zuweilen so
aus, fühlt sich so an und in den Schriften lesen wir …
Nein! Noch bevor eine Antwort kommen kann, folgt das
im Brustton der Überzeugung gesprochene: Das sei ferne!
Ich kann ihn mir gut vorstellen, Paulus von Tarsus. Im Eifer
des rhetorischen Gefechts. Sich nach vorne beugend. Vielleicht
zieht er eine Augenbraue hoch und fixiert sein Gegenüber
bei der provokanten Frage, die er ihm stellt: «So frage
ich nun: Sind sie gestrauchelt, damit sie fallen?»
Immer wieder dringt er im Römerbrief mit Fragen auf seine
Hörerinnen und Hörer ein, provoziert sie regelrecht, um
ihnen danach die richtige Antwort förmlich entgegenzuschreien.
Denkst du, ich mach das für mich? Das sei ferne!

Von: Sigrun Welke-Holtmann