Schlagwort: Sigrun Welke-Holtmann

28. Juli

Ihr könnt nicht Gott dienen und dem Mammon.
Matthäus 6,24

Warum eigentlich nicht? Warum soll ich nicht zwei Herren
dienen können? Viele haben zurzeit mehrere Jobs, oft reicht
es gar nicht, nur einen zu haben. Ein Gehalt ist für manch
eine kaum genug zum Überleben, schon gar nicht, wenn
sie Familie hat. Warum nicht Gott und dem Mammon, was
immer das genau ist und mit Reichtum und Vermögen übersetzt
wird, dienen?
Liegt das an mir oder an denen?
Man könnte sich mit der Arbeitszeit doch absprechen.
Sonntags von 10.00 bis 11.30 Uhr Gott und werktags dem
Mammon dienen. Und samstags frei. Das ist im Grunde doch
nur eine Frage der Absprache. Da muss man ja nicht gleich
emotional werden.
Doch was in der Arbeitswelt von heute anscheinend kein
Problem mehr ist, sieht in diesen besonderen Dienstverhältnissen
anders aus.
Denn beide, Gott und der Mammon, haben etwas gemeinsam.
Den Absolutheitsanspruch.
Den Absolutheitsanspruch auf dich und auf mich. Da gibt
es keine Absprachen in Sachen Arbeitszeitregelung, da geht
es um ganz oder gar nicht. Teilzeit-Christin geht halt nicht,
obwohl wir heute so gerne alles bedienen mögen und ständig
«out of the box» denken und mega flexibel sind.
Manchmal muss man und frau sich eben doch entscheiden,
was ihr wichtig ist, woran er sein Herz hängt.

Von: Sigrun Welke-Holtmann

27. Juli

Ich, ich bin der HERR, und ausser mir ist kein Heiland.
Jesaja 43,11

«Ich, ich, ich …» Die drei Geschwister umringen die Oma,
ja führen regelrecht einen Tanz um sie auf. Alle recken den
Finger hoch, oder gleich beide Hände, denn je mehr die eine
den anderen verdrängt, abdrängt, desto besser. Alle wollen –
lautstark – … ich, ich, ich!
Kinder können so erfrischend selbstbewusst sein, ihre
Bedürfnisse in die Mitte stellen, in den Vordergrund schreien.
«Ich, ich, ich …» Einfach wunderbar.
Als Jugendliche habe ich gelernt, dass der Esel sich immer
zuerst nennt, und habe aufgehört, ein «ich» an den Satzanfang
zu stellen, wenn noch jemand anderes mitgenannt wird.
Als höflicher Mensch nennt man den anderen immer zuerst.
Komisch, dass mir das zuerst einfällt, als ich die Losung
lese und zur Oberlehrerin mutiere, die Gott gerade mal eine
Lektion Anstand beibringen könnte.
Bis …, ja, bis ich die Stelle im Jesajabuch lese und einsehe,
dass es genau darum geht. Dass es eben keinen anderen gibt!
Keinen Gott ausser Gott.
Ausser Gott ist kein Heiland.
Unsere menschlich-höflichen Anstandsregeln gelten hier
nicht und wahrscheinlich vieles andere, was uns so wichtig
und richtig erscheint, auch nicht.
Ich bin’s – und sonst keiner. Eigentlich ganz einfach. Und
einfach erfrischend wunderbar.

Von: Sigrun Welke-Holtmann

28. Juni

Ich will deinen Namen preisen für deine Güte und
Treue; denn du hast dein Wort herrlich gemacht um
deines Namens willen.
Psalm 138,2


der Ewige, die Ewige, Schechina, Adonaj, ha-Schem
«Gottes Name ist unübersetzbar» – mit dieser Überschrift
hat die Bibel in gerechter Sprache (BigS) ihren Abschnitt zum
Thema «Gottesname» überschrieben. Gott hat in der Bibel
einen Namen. Er besteht aus vier hebräischen Buchstaben,
bei denen nicht ganz genau klar ist, wie sie ausgesprochen
werden und was sie genau bedeuten. Der Name Gottes wird
seit biblischer Zeit nämlich nicht mehr direkt ausgesprochen.
Die BigS schlägt einige Übersetzungsvarianten vor, die
an die Stelle des Namens gesetzt werden können.


der Name, GOTT, die Lebendige, der Lebendige, Ich-bin-da
Als Übersetzerin des ersten Buches über die Zeit der Königinnen
und Könige habe ich mir lange überlegt, welche
Variante
ich für die Übersetzung wählen möchte. Ich habe
mich für «die Ewige» entschieden. Die Texte haben dadurch
einen ganz eigenen Klang bekommen.


ha-Makom, DU, ER SIE, SIE ER, die Eine, der Eine
Ich will deinen Namen preisen für deine Güte und Treue,
denn du hast dein Wort herrlich gemacht um deines Namens
willen.


die Heilige, der Heilige

Von: Sigrun Welke-Holtmann

27. Juni

Jesus spricht: Mir ist gegeben alle Gewalt im Himmel
und auf Erden. Darum gehet hin und lehret alle Völker:
Taufet sie auf den Namen des Vaters und des Sohnes
und des Heiligen Geistes und lehret sie halten alles, was
ich euch befohlen habe.
Matthäus 28,18–20

Er hat eine lange und gewichtige Geschichte, dieser Vers. Als
Tauf- und Missionsbefehl hat er Einlass gefunden in unsere
Liturgie, in die Tauf- und Missionsgeschichte und in die
Hände von Menschen, die anderen ihren Glauben bringen
wollten, im äussersten Fall auch gegen deren Willen. Befehle
müssen halt erfüllt werden.
Im Januar war ich mit meinen Vikarinnen und Vikaren bei
der EMS in Stuttgart. Die Evangelische Mission in Solidarität
ist eine internationale Gemeinschaft aus 25 Kirchen und
fünf Missionsgesellschaften. Mission hat in unserer Zeit ein
neues Gesicht bekommen und hat nichts mehr mit Befehlen
und Zwang zu tun. Es geht um Partnerschaftsarbeit, um
Teilen, Teilen des Glaubens, Austausch von Menschen und
Teilen von Ressourcen. Mission wird dabei als eine lebensverändernde
Kraft verstanden. Gemeinsam werden die mannigfaltigen
Herausforderungen in der einen Welt und der
Weltchristenheit angegangen.
Wir waren begeistert. Hier wird die Verbundenheit im
Glauben an Jesus Christus über alle Grenzen hinweg gelebt,
in gegenseitigem Respekt und in Solidarität.
Ein Missionsbegriff, den ich gut annehmen kann, zu dem
ich mich gerne senden lasse.

Von: Sigrun Welke-Holtmann

28. Mai

Ich selbst will, spricht der HERR, eine feurige Mauer
rings um Jerusalem her sein.
Sacharja 2,9


Eine feurige Mauer, über Tag eine Wolkensäule, des Nachts
eine Feuersäule, ein brennender Dornbusch. Sie sind so
gewaltig, naturgewaltig, die Erscheinungen Gottes, von
denen die Texte des Alten Testaments schreiben. Und bei
aller Bedrohlichkeit, die diese Bilder auch enthalten, muss
ich doch sagen, dass ich diese Geschichten liebe, denn sie
erzählen Gott so erlebbar. Erlebbar im Hier und Jetzt. In
aller Gewaltigkeit: Wärme, Schutz und Orientierung gebend.
In Sacharjas dritter Vision von dem Mann mit der Messschnur
ist es ein Versprechen, ein Versprechen Gottes: Ich
will eine feurige Mauer rings um Jerusalem sein.
Ich will dieses Versprechen heute nicht auf dem Hintergrund
der aktuellen politischen Lage in Jerusalem hören, nicht als
Argument in einem nicht enden wollenden Konflikt, nicht
als Grenzziehung, sondern als eine Geschichte, die von der
Sehnsucht nach Gottes Schutz und Beistand spricht. Ein Prophetenwort,
das sich das naturgewaltige Eingreifen Gottes
herbeiwünscht und es seinen Leserinnen und Lesern bereits
vor Augen stellt: Ich hob meine Augen auf und sah …
Eine feurige Mauer, über Tag eine Wolkensäule, des Nachts
eine Feuersäule, ein brennender Dornbusch – manchmal
habe ich auch naturgewaltige Sehnsucht nach Gott.

Von: Sigrun Welke-Holtmann

27. Mai

Daran erkennen wir, dass er in uns bleibt: an dem Geist,
den er uns gegeben hat.
1. Johannes 3,24


Was macht den Unterschied aus? Woran erkennt man Drinnen
und Draussen, Gut und Böse, Wahrheit und Irrtum,
Kinder Gottes und Kinder des Teufels?
Er ringt mit sich und seinen Leserinnen und Lesern und
sieht es doch ganz klar: Ihr Lieben, seht das doch ein, das ist
doch gar nicht schwer!
Ich finde es heute überhaupt nicht mehr so klar. Wie lässt
sich dieser Unterschied fassen? Und sollten wir in einer globalen
Welt nicht eher auf die Gemeinsamkeiten als auf die
Unterschiede schauen?
Was ist das für ein Geist und wie könnte ich ihn heute
beschreiben? Mit welchen Worten, die wir auch noch aktiv
verwenden und die uns ganz konkret etwas sagen? Und wie
haben wir – Sie und ich – ihn bekommen? Mit der Taufe –
o.k., aber wie wird er gespürte Erfahrung und damit Wirklichkeit
für uns?
Können wir den Geist an der entwickelten Haltung erkennen?
Wie lassen sich brüderliche – geschwisterliche – Liebe
und Glaube an den Namen Jesu Christi leben? Sind damit
Toleranz und Akzeptanz gemeint? Empathie oder mehr?
So viele Fragen ergeben sich aus diesem einen Vers, die,
wenn sie nicht dogmatisch beantwortet werden sollen, jeder
und jede nur für sich und aus der eigenen Geschichte heraus
beantworten kann.

Von: Sigrun Welke-Holtmann

28. April

Wer den Harnisch anlegt, soll sich nicht rühmen
wie der, der ihn abgelegt hat. 1. Könige 20,11

Wenn mächtige Männer mit Allmachtsfantasien aneinandergeraten…
Ich lese diese Losung, während ein grausamer Krieg
herrscht. Mitten in Europa. Drohgebärden und Waffenlieferungen
werden tagtäglich medial aufbereitet, damit alle sie
mitbekommen. Ebenso die Bilder von Verbrechen und Tod.
Und jetzt auch noch hier. Ben-Hadad, König von Aram,
belagert Samaria und versucht aus Ahab, dem König von
Israel, auch noch das Letzte herauszuquetschen. Der ist
bereit, sein Silber, sein Gold, seine Frauen und seine Söhne
zu geben, darüber hinaus will er jedoch keine Zugeständnisse
mehr machen. Er lässt die Situation eskalieren und gibt
dem feindlichen König noch einen «guten» Rat mit: Wer
den Harnisch anlegt, soll sich nicht rühmen wie der, der ihn
abgelegt hat.
Vielleicht wäre ich zu einer anderen Zeit bereit gewesen,
mich auf die Geschichte einzulassen und auf den Spruch,
dass man den Sieg nicht vor dem Ende des Kampfes feiern
soll. Vielleicht hätte ich von dem Propheten erzählt, der
eingreift, und von der Wendung, die diese Geschichte durch
Gottes Eingreifen bekommt.
Heute nicht.

Von: Sigrun Welke-Holtmann

27. April

Hat denn Gott sein Volk verstossen? Das sei ferne! Römer 11,1

Die schärfste Waffe der Rhetorik ist die Frage. Das wusste
auch Paulus, der in der alten Disziplin sicherlich gut ausgebildet
war. Mit Fragen lenkt man ein Gespräch, kann die
Richtung vorgeben und wechseln. Man kann damit das
Gegenüber herausfordern, zum geistigen Austausch, sich zu
exponieren. Fragen, rhetorische Fragen eignen sich aber auch
gut, um die eigene Sicht darzustellen.
«Hat denn Gott sein Volk verstossen?» Eine Frage, über die
man trefflich diskutieren könnte. Zu der man verschiedener
Meinung sein könnte: Nun, vielleicht ja, es sieht zuweilen so
aus, fühlt sich so an und in den Schriften lesen wir …
Nein! Noch bevor eine Antwort kommen kann, folgt das
im Brustton der Überzeugung gesprochene: Das sei ferne!
Ich kann ihn mir gut vorstellen, Paulus von Tarsus. Im Eifer
des rhetorischen Gefechts. Sich nach vorne beugend. Vielleicht
zieht er eine Augenbraue hoch und fixiert sein Gegenüber
bei der provokanten Frage, die er ihm stellt: «So frage
ich nun: Sind sie gestrauchelt, damit sie fallen?»
Immer wieder dringt er im Römerbrief mit Fragen auf seine
Hörerinnen und Hörer ein, provoziert sie regelrecht, um
ihnen danach die richtige Antwort förmlich entgegenzuschreien.
Denkst du, ich mach das für mich? Das sei ferne!

Von: Sigrun Welke-Holtmann

28. März

Er weiss, was für ein Gebilde wir sind;
er gedenkt daran, dass wir Staub sind. Psalm 103,14

Manchmal glaube ich, dass wir es vergessen haben, oder auf
jeden Fall immer wieder erfolgreich verdrängen. Wir denken
uns, dass das ewige Leben eigentlich eine Versicherungsleistung
sein sollte, und mit der richtigen Tagespflege sollte auch
ewige Jugend drin sein. Da schert uns doch Gott nicht und
woran er sich erinnert.
Einmal im Jahr gehe ich mit meinem Kurs von angehenden
Pfarrerinnen und Pfarrern ins Krematorium. Okay, da geht
das Zu-Staub-Werden innerhalb weniger Stunden und mit
einem hohen Energieaufwand vor sich, aber es stellt uns
immer wieder sehr drastisch vor Augen, woraus wir sind
und zu was wir werden. Was bleibt, ist eine Schale voll grauer
Asche und feuerfester Ersatzteile, wie eine künstliche Hüfte
etwa. Aber auch die wird noch kleingesägt und in die Urne
mit hineingegeben.
Im Angesicht dessen, was übrigbleibt, ist das Leben einfach
wunderbar, bunt und blühend, und dass sich Gott unser
erbarmt, ja selbst Mensch geworden ist, um uns nahe zu
sein, ein einziges Wunder. Etwas, worüber wir den ganzen
Tag singen könnten:
Lobe den Herrn, meine Seele,
und seinen heiligen Namen.
Was er dir Gutes getan hat,
Seele, vergiss es nicht. Amen.
(Lied nach Psalm 103 von Norbert Kissel)

Von: Sigrun Welke-Holtmann

27. März

Geht und predigt und sprecht:
Das Himmelreich ist nahe herbeigekommen. Matthäus 10,7

«Geh nicht über Los (nach Schweizer Spielregeln «Geh nicht
über Start»), ziehe nicht 200 Euro ein.» Seit langem spielten
wir als Familie mal wieder Monopoly. Ich wusste gar nicht,
dass wir ein Spiel mit Euro-Spielgeld haben, es muss also neueren
Datums sein. Ereigniskarten und Gemeinschaftskarten
machen dieses Spiel abwechslungsreich, neben all dem Strassenkaufen
und Häuserbauen. «Geh zurück zur Badstrasse!»
Er spielt kein Spiel mit seinen Jüngerinnen und Jüngern,
und doch klingen die Aufforderungen in der Aussendungsrede
des Matthäusevangeliums ähnlich. «Geht nicht den
Weg zu den Heiden … Ihr sollt weder Gold noch Silber noch
Kupfer in euren Gürteln haben.»
Sehr konkret wird ihr Auftrag beschrieben, werden die
Zwölf ausgesendet in viele fremde Städte. Durch fremde
Strassen werden sie gehen und nicht immer willkommen
sein. Aber eines soll überall gleich sein: ihre Rede vom kommenden,
ja nahe herbeigekommenen Himmelreich.
Aber sie sollen nicht nur davon reden, sondern es auch
sichtbar machen: «Macht Kranke gesund, weckt Tote auf,
macht Aussätzige rein, treibt Dämonen aus.»
Ob die Jüngerinnen und Jünger wohl auf solche Anforderungen
vorbereitet waren?
Hätten sie sich dem Nazarener auch angeschlossen, wenn
sie die Spielanleitung vorher gelesen hätten?

Von: Sigrun Welke-Holtmann