Schlagwort: Barbara Heyse-Schaefer

26. Mai

Der HERR, unser Gott, ist gerecht in allen seinen
Werken, die er tut.
Daniel 9,14


Daniel ist nicht nur ein Prophet in schwierigen Zeiten, sondern
auch ein Mann des Gebets. Er fleht zu Gott mit hoher
Emotionalität – für sein Volk und für die Stadt Jerusalem. Er
betet unter Fasten, in Sack und Asche und findet Gott nicht
nur gerecht, sondern auch gross und schrecklich. Scham und
Versündigung seines Volkes beschäftigen ihn sehr.
Diese Themen hören wir heute gar nicht gerne. Es ist unmodern
geworden, von Schuld zu sprechen. Scham ist in unserem
Sprachgebrauch fast ausgestorben.
Und dennoch, auch wir versuchen die Zeit und ihre Schrecken
zu deuten: Wir fragen nach den Ursachen von Krieg
und Klimakrise. Aber anders als Daniel erwarten wir, dass
Gott über unser Unglück gütig wacht und seine Gerechtigkeit
gnädiger ist, als es menschliche Massstäbe befürchten
lassen.
Von Daniel möchte ich das emotionale Beten (wieder) lernen.
«Neige deine Ohren, mein Gott, und höre, tu deine
Augen auf und sieh an unsere Trümmer …»
Mir fällt das tägliche Abendgebet meiner Grossmutter ein.
Es war so voller Leidenschaft und Intensität – und oft unter
Tränen. Eine tiefe Übung des Vertrauens und der Hingabe!

Von: Barbara Heyse-Schaefer

26. März

Salomo sprach bei der Einweihung des Tempels:
Sollte Gott wirklich auf Erden wohnen? 1. Könige 8,27

Mehrere Reisen in den Orient öffneten mir die Augen, welche
unterschiedlichen Ortserfahrungen hinter biblischen
Texten stehen, die von Gottesbegegnungen erzählen:
Beim Betreten der gewaltigen Tempelanlage von Luxor
hatte ich erstmals eine Ahnung, welche Vorstellung eines
Gotteshauses die Israeliten aus Ägypten mitgebracht hatten.
Die tragbaren Barken, mit denen die Götterstatuen transportiert
wurden, erinnerten mich an die Bundeslade. Ich
war beeindruckt.
Eine mehrtägige Wüstenwanderung liess mich begreifen,
welche Bedeutung ein Begegnungszelt hat. Während wir
nachts in kleinen Igluzelten schliefen, trafen wir uns zu den
Mahlzeiten im äusserst wohnlichen Gemeinschaftszelt. Täglich
wurde dieses Zelt ab- und wieder aufgebaut. Es war für
diese Tage unser Zuhause.
Eine weitere Reise liess mich in den faszinierenden Felsformationen
in und um Petra plötzlich erahnen, warum Jakob
in einem Stein den Ort sehen konnte, wo die Himmelsleiter
den Boden berührt.
Die Bibel ist keinesfalls einengend oder beschränkend mit
ihren Vorstellungen, wo Gott wohnt. Der Tempel ist ein Ort,
wo sein Name angerufen werden kann. Doch ist auch dieser
Ort nur ein Abglanz, ein Platz, wo allenfalls Gottes Füsse
die Erde berühren – um ein menschliches Vergleichsbild für
Gott zu benutzen.

Von: Barbara Heyse-Schäfer

26. Januar

Du erfreust mein Herz mehr als zur Zeit,
da es Korn und Wein gibt in Fülle.
Psalm 4,8

Die Fülle des Lebens ist schwer zu erhaschen. Meist erleben
wir nur kurze Momente des Glücks: in den Armen eines
geliebten Menschen, beim ausgelassenen Spiel mit Kindern,
nach einer schmackhaften Mahlzeit.
Auch die Bibel beschreibt solche Augenblicke der grossen
Freude, die die Betroffenen jedoch kaum glauben können:
wie Sarah zum Beispiel, als sie erfährt, dass sie ein Kind
bekommt und «ungläubig» lacht, oder die Emmaus-Jünger,
die trotz brennendem Herzen den Herrn nicht erkennen.
Man muss das Glück glauben, wenn man es erfährt! Voller
Dankbarkeit! Aber es lässt sich nicht festhalten. Wir sehen
darin nur ein Gleichnis, einen Hinweis auf das völlige Angenommensein
bei Gott, auf die bedingungslose Liebe.
In diesem Leben bleibt das Glück wie ein tiefes Sehnen nach
Gott in unserem Herzen, wie es ein Lied von Anne Quigley
(There is a longing in our hearts, deutsche Übersetzung
Eugen Eckert) so treffend beschreibt:
Ein Durst nach Glück, nach Liebe. Ein Hoffen auf Frieden,
auf Freiheit. Eine Bitte um Heilung, um Ganzheit und
Zukunft.

Von: Barbara Heyse-Schäfer