Kategorie: Texte

10. Oktober

Ich hatte dich gepflanzt als einen edlen Weinstock, ein ganz echtes Gewächs. Wie bist du mir denn geworden zu einem schlechten, wilden Weinstock? Jeremia 2,21

In unserem Garten steht ein Quittenbaum. Im Frühling blüht er jeweils wunderbar, und im Sommer sollten die Früchte reifen. Aber entweder bleiben die Quitten hart und grün oder sie faulen am Baum. Der Gärtner hatte uns einen edlen Quittenbaum versprochen, bekommen haben wir einen schlechten! Was machen? Ich habe im Familienrat dafür plädiert, den Baum zu fällen. Schliesslich hatte er sieben Jahre lang Zeit, uns seine Quitten für das beste Gelee der Welt zu liefern –
und blieb fruchtlos. Jetzt sind wir quitt. Andere Familienmitglieder sind gnädiger und geduldiger, fast hätte ich gesagt edler. Wir kaufen weiterhin das feine Quittengelee unserer Lieblingsmarke im Laden, und der Baum lebt weiter.
Im Jeremiawort geht es um einen Weinstock – ein Bild für das erwählte Volk. Die Erwählung hat nichts gefruchtet. Es gibt (brutale) Gerichtsansagen, die eine Verwüstung des Weinbergs androhen, Stimmen im göttlichen Rat, die für einen Abbruch der Beziehung plädieren. Aber es gibt Gott sei Dank auch eine Stimme, die gnädig, gütig und geduldig ist. Sie sagt: «Ich bin der Weinstock!» Und sie sagt auch: «Wenn jemand in mir bleibt und ich in ihm bleibe, trägt er reiche Frucht.» (Johannes 15,15) – Echt edel!

Von: Ralph Kunz

9. Oktober

Alle, die aus Glauben leben, werden zusammen mit dem glaubenden Abraham Segen empfangen. Galater 3,9

Im Rundschreiben an die Gemeinden in Galatien, das in der heutigen Türkei lag, schlägt Paulus rabiate Töne an. Gruppen von Fanatikern verlangten, dass gewisse Gesetze aus der jüdischen Tradition von Christen eingehalten werden, insbesondere die Beschneidung für Männer. Paulus argumentiert, dass da, wo Gottes Geist am Werk ist, Gesetze nicht mehr nötig sind.
Als Beispiel nennt er Abraham, der sein Vertrauen ganz auf Gott setzte und sich aufmachte in ein Land, von dem er keinen blassen Schimmer hatte. Hunderte von Jahren nach Abraham, so Paulus, kamen erst all die Regeln. Mit Jesus sind sie überflüssig geworden, ja geradezu gefährlich. Paulus braucht heftige Worte.
Jesus als Nachfahre Abrahams setzt das alte Vertrauen à la Abraham wieder in Kraft. Der schöne Satz heute soll uns versichern: Wir stehen als Glaubende in der alten, von Abraham begründeten Tradition des reinen Vertrauens und zehren, viele tausend Jahre später, noch vom selben Segen, der auch Abraham umhüllte. Die von Paulus formulierte Zusage soll uns Gelassenheit, Zuversicht und Freude einflössen.
Wer Unterstützung braucht, um in diesen Zustand zu kommen, reise nach Basel und betrachte im Münster die heitere, in den Stein eines Kapitells geschlagene Darstellung von «Abrahams Schoss». Da sind die Glaubenden sicher geborgen.

Von: Heiner Schubert

8. Oktober

Und als Jesus an die Stelle kam, sah er auf und sprach zu ihm: Zachäus, steig eilend herunter; denn ich muss heute in deinem Haus einkehren. Und er stieg eilend herunter und nahm ihn auf mit Freuden. Lukas 19,5–6

Und das Volk raunte! Da geht Jesus zu diesem sündigen und reichen Betrüger und will bei ihm einkehren. Ja, der Menschensohn will das Heil für die Verlorenen bringen, für die Kranken und Geplagten, für die, welche ihn am bittersten nötig haben, darum geht er auch bei diesem Zachäus vorbei. Zachäus öffnet sein Haus für Jesus und später auch sein Herz für den Menschensohn.
Wie war das bei Ihnen? Wann haben Sie Ihr Herz für Jesus geöffnet? Bekehrungsmoment klingt für mich so radikal, aber ich kenne viele Menschen, die sich einmal gesagt haben: «Von jetzt an will ich mehr von diesem Jesus wissen, ich will mit ihm zusammen mein Leben teilen.» Oder so ähnlich. Eben doch eine Art Bekehrungsmoment.
Bei mir war das nicht so ein Moment von drei Minuten, sondern eher eine längere Zeitspanne, in der ich immer tiefer und tiefer in Glaubens- und Religionsfragen «eingesunken» bin. Sinke ich noch tiefer? Ja! Und was ist am Grund zu finden? Ich weiss es noch nicht! Habe ich Angst vor diesem Sinken? Nein! Es macht mir Freude – auch wenn ich am Grund des Sees nie ankommen werde!

Von: Markus Bürki

7. Oktober

Bei Gott ist kein Ding unmöglich. Lukas 1,37

Schaue ich die Welt an und lese ich Zeitung oder höre ich Nachrichten, so bleibt mir oft der Atem stehen oder die Spucke weg. Wenn bei Gott kein Ding unmöglich sein soll, warum läuft es dann nicht so gut auf dieser Welt? Sündig sind ja immer die anderen und schuldig sowieso auch. Mein Kopf behält die Klarheit und die anderen sind verblendet. «Gesunder Menschenverstand» lässt grüssen, wobei ich diesen nicht gepachtet habe … Auch ein Präsident von irgendwo meint immer, sein Verstand sei von Menschlichkeit durchzogen, das ist nun wirklich eine Ansichtssache.
Wir hätten aber doch Menschenrechte, die für alle gelten! Auch da leider oft eine Auslegungsfrage.
Und die Schweiz? Fürchterlich neutral und zu ruhig, steckt im eigenen Wohlstand fest. Was tun? Und wo hilft Gott?
Mein Argument: Wenn wir den roten Faden des Evangeliums erkennen und verstehen würden, hätten wir eine bessere Welt!
Ich weiss, die Auslegung des Evangeliums ist eben auch sehr breit. Was gilt also?
Waffen – Ja oder Nein?
Alle Menschen – Ja oder Nein?
Allen zu essen und zu trinken geben – Ja oder Nein?
Angriff oder Verteidigung – Ja oder Nein?
Ist der Mensch grundsätzlich gut oder schlecht – Ja oder Nein?
Was wäre mit Gott alles möglich?

Von: Markus Bürki

6. Oktober

Ich glaube aber doch, dass ich sehen werde die
Güte des HERRN im Lande der Lebendigen.
Psalm 27,13

Zwischen Angst und Vertrauen bewegt sich das Gebet im Psalm 27. Die Angst wird ausgelöst durch das Verhalten feindlicher Menschen. Der Beter fühlt sich belagert wie von einem gegnerischen Heer, in seiner Existenz bedroht wie durch einen verfälschten Gerichtsprozess. Vertrauen findet er in den Momenten, in denen er die Nähe Gottes sucht. Er erinnert sich an einen Besuch im Tempel und möchte den Segen erhalten, der vom «leuchtenden Angesicht» Gottes ausgeht. Der Losungsvers ist eigentlich ein Satz, der nicht zu Ende geführt ist. Er beginnt in einer anderen Übersetzung mit «wenn nicht»: «Wenn ich nicht darauf vertraut hätte, die Güte des HERRN zu sehen im Lande des Lebens …» Man erwartet einen zweiten Teil, der mit «dann» anfängt. Aber hier fehlt etwas. Wir sind eingeladen, uns die Fortsetzung vorzustellen. Was kommt Ihnen in den Sinn? Vielleicht: «Dann könnte ich jetzt nicht dankbar sein.» – «Dann hätte ich nicht durchhalten können.» – «Gerade noch einmal gut gegangen.» Der Satz ist gewissermassen ein tiefer Atemzug, ein Seufzer der Erleichterung. Die Angst ist vorbei, und das Vertrauen hat sich bewährt. Vertrauen zu können, ist mindestens so konkret, wie sich zu fürchten. Von Gott kommt etwas Gutes, man kann es sehen. Und zwar nicht irgendwann, sondern in diesem Leben.

Von: Andreas Egli

5. Oktober

Es sei Gutes oder Schlechtes – auf die Stimme des HERRN, unseres Gottes, werden wir hören. Jeremia 42,6

«Auf die Stimme des HERRN hören» ist ein wichtiger Ausdruck im Jeremiabuch. Die Autoren formulierten damit ihr grösstes Anliegen: Die Israeliten sollen auf die göttlichen Gebote hören und ihnen gehorchen. In vielen Fällen geschieht das aber nicht. So ist es auch in der letzten Erzählung über den Propheten Jeremia. Jerusalem ist schon von den Babyloniern erobert, nur ein Teil der Bevölkerung lebt noch hier. Unter diesen Leuten kommt die Idee auf, nach Ägypten zu fliehen. Sie bitten Jeremia, Gott nach seinem Willen zu befragen. Die Anfrage ist verbunden mit dem feierlichen Versprechen: «Ob gut oder schlecht, auf die Stimme des HERRN, unseres Gottes, zu dem wir dich schicken, werden wir hören.» Es kommt jedoch ganz anders heraus. Von einer Flucht nach Ägypten rät Jeremia entschieden ab. Er meint, man müsse realistisch sein und die babylonische Vorherrschaft akzeptieren. Aber niemand will diesen Rat annehmen. Die Flucht findet statt, auch der Prophet muss mit. Er stellt fest: «Ihr habt nicht gehört auf die Stimme des HERRN, eures Gottes.» (Vers 21) Das Hören auf Gott ist offenbar schwieriger als gedacht. Können wir Menschen nur das aufnehmen, was uns ins Konzept passt? Oder sind wir offen für eine Botschaft, die anders ist?

Von: Andreas Egli

4. Oktober

Salomo betete: Du hast deinem Knecht, meinem Vater David, gehalten, was du ihm zugesagt hast. Mit deinem Mund hast du es geredet, und mit deiner Hand hast du es erfüllt, wie es offenbar ist an diesem Tage. 1. Könige 8,24

Salomo lädt ein zur feierlichen Eröffnung des Tempels. Die Bundeslade soll dort ihren Platz erhalten. Sie wird in den heiligsten Teil des Tempels gebracht. Da betet Salomo so, wie es die heutige Losung wiedergibt. Die Bundeslade zeugt von Gottes Grösse und dem Bund, den er mit Mose geschlossen hat. In seinem Gebet bittet Salomo um Beistand bei Krieg und bei Katastrophen. Kann die Lade im Tempel eingeschlossen sein? Kann unsere Bibel einfach in der Kirche liegen?
Ich erinnere mich, wie meine Grossmutter bei starken Gewittern jeweils die Bibel auf den Stubentisch legte und wir uns um den Tisch versammelten. Für mich war das so etwas wie eine Versicherung. Es war aber auch das Zeichen, dass die Bibel in die Stube gehört oder vielmehr in den Alltag, in unser Leben. Zwar gehöre auch ich nicht zu den fleissigen Leser:innen. Aber es gibt viele Texte und Geschichten, mit denen ich lebe, die mir Kraft schenken, mir das Herz öffnen. Vielleicht ist es das, was wir aus dem Gebet Salomos mitnehmen können: Gott, die Lebendige, hat mit den Menschen gesprochen und ihnen wertvolle, liebende Gedanken mitgegeben. Um dies wahrzunehmen, lohnt es sich, hie und da in die frohe Botschaft einzutauchen.

Von: Madeleine Strub-Jaccoud

3. Oktober

Wer glaubt dem, was uns verkündet wurde,
und an wem ist der Arm des HERRN offenbart?
Jesaja 53,1

Das Gebet von Dietrich Bonhoeffer, das für heute als dritter Text im Losungsbüchlein steht, spricht mir aus dem Herzen: «Daran entscheidet sich heute Gewaltiges, ob wir Christen Kraft genug haben, der Welt zu bezeugen, dass wir keine Träumer und Wolkenwandler sind.»
Auch wenn wir nicht wissen, wem Gottes Arm offenbart ist, können wir an unserer Überzeugung festhalten. Festhalten daran, dass der Gott des Lebens uns die Kraft schenkt, uns für das Leben und die Würde der Menschen einzusetzen. Ob das genügend verkündigt wird, spielt keine so grosse Rolle. Unsere Stimme und unsere Kraft sind gefragt. Auch und gerade in der Situation, wie wir die zerrissene Welt und die vielen Kriege mit den leidenden und toten Menschen erfahren, zählt unsere Kraft.
Weil ich meine Stimme nicht mehr in der Öffentlichkeit erheben kann, brauche ich sie für das Gebet und für Gespräche mit den Menschen, die mit mir unterwegs sind. Eines wird mir aber immer klar bewusst: Kriege und Aufrüstung bringen keinen Frieden. Kürzlich habe ich gelesen, dass wir gescheiter von Abrüstung als von Aufrüstung reden sollen.
Der Arm Gottes, der Lebendigen, wird uns als Wegweiser dienen. Und mit dieser Überzeugung sind wir weder Träumer noch Wolkenwandler.

Von: Madeleine Strub-Jaccoud

2. Oktober

Kommt her und sehet an die Werke Gottes, der so
wunderbar ist in seinem Tun an den Menschenkindern.

Psalm 66,5

Fragt man eine KI, etwa ChatGPT, was Wunder eigentlich
sind, erfährt man vor allem, wie schwer es Wunder haben.
Wunder seien erstens sehr selten. Die Wunder selbst finden:
Wir sind viele, mehr als genug, aber wir werden leicht
übersehen, wir gehen unter vor Aufregung, in der alltäglichen
Hektik, vor lauter billigen Angeboten.
Wunder müssten zweitens unerklärlich sein. Aber die Leute,
die ein Wunder erleben, stecken dann sofort ihre ganze Energie
in mögliche Erklärungen, auch in die widersprüchlichsten,
unsinnigen, gänzlich absurden. Die Wunder wundern sich gar
nicht, dass dann keine Zeit mehr bleibt zum Staunen, zum
Freuen, für Ergriffenheit und Begeisterung.
Wunder hätten drittens immer etwas Übernatürliches. Die
Wunder selbst aber zählen die Naturgesetze zu ihresgleichen.
Wie sonst ist die wunderbare Ordnung zu denken,
die verlässlich und beständig Leben ermöglicht und erhält?
Wunder kämen viertens immer unerwartet. Wunder
jedoch stören sich nicht daran, wenn jemand nach ihnen
Ausschau hält, im Gegenteil! Vorfreude und Überraschung
vertragen sich bestens.
Fragt man nicht länger ChatGPT, sondern bei den Betenden
nach, erfährt man, was sich die Wunder wünschen: dass
einer sagt und singt: Kommt her und seht …, schaut hin und
wundert euch über Gottes Werke wie ein Menschenkind.

Von: Dörte Gebhard

1. Oktober

Jesus spricht: Ich kenne deine Werke und
deine Mühsal und deine Geduld.
Offenbarung 2,2

Grossartiges kommt vor, aber es ist ziemlich selten und dauert
auch nie lange. Die Verklärung Jesu hatte gerade erst
angefangen, da waren die auserwählten Jünger schon wieder
auf dem Abstieg.
Berühmte Leute gibt es, aber sie sind eine extreme Minderheit.
Ruhm ist ausserdem etwas Vorübergehendes.
Instagram und Tiktok sind überfüllt mit Spektakulärem,
aber der durchschnittliche Alltag verschwindet nicht durch
Scrollen. Das Öde und Anstrengende, alles, was Geduld und
Durchhaltevermögen erfordert, bleibt.
Johannes, der Seher, erspäht einen Christus, der sich nicht
blenden lässt von gefilterten Fotos auf Snapchat, von fantastischen
Filmchen auf Facebook, sondern das Übliche,
das Gewöhnliche im realen Leben wahrnimmt. Er schaut
auch hin bei allem, was nicht ins Tagebuch geschrieben, was
nirgends gepostet, was nicht einmal an der Kirchgemeindeversammlung
lobend erwähnt wird.
Gemeinden haben unterdessen Medienbeauftragte und
Zuständige für Social Media. Grossartiges muss angekündigt
werden, auch wenn es nicht lange vorhält. Events mit
berühmten Leuten sind sehr beliebt, aber sie gehen schnell
vorüber. Im Alltag der Kirche gibt es richtig viel Mühsames,
sogar echt «Langweiliges», zum Beispiel in der Seelsorge.
Wie gut, dass es geschieht. Noch besser, dass Gott es sieht!

Von: Dörte Gebhard