Autor: Rolf Bielefeld

7. September

Wo zwei oder drei versammelt sind in meinem Namen, da bin ich mitten unter ihnen. Matthäus 18,20

Natürlich ist er mitten unter uns! Die Kraft/Energie, der Geist/Gott – wie immer wir ihn/sie/es nennen. Sie ist das, was uns in Beziehung hält und uns immer wieder neu die Liebe suchen und erfahren lässt. Das Wissen um die verbindende und heilende Kraft der Liebe ist wohl so alt wie die Menschheit. Ihre Durchsetzung als Wirk- und Gestaltungsprinzip harrt allerdings immer noch ihrer Anerkennung und Durchsetzung.
Es sind nicht nur der «Russisches-Grossreich-Irrsinn» des Herrn Putin und die vielen kleinen und grossen Kriege auf der Welt, die dies bestätigen.
Es ist der alltägliche Streit mit den alltäglichen Verletzungen zwischen alltäglichen Menschen. Es fällt uns nach wie vor schwer, das ganz Besondere in jedem anderen Menschen zu sehen und wertzuschätzen.
Oder in der Mindestanforderung: den anderen einfach so sein lassen, wie er/sie nun einmal ist.
Das ist nicht einfach, bedeutet es doch, dass nicht ich der Massstab aller Dinge bin. Wenn ich meine Umgebung wohlwollend und wertschätzend betrachte, kann ich wachsen und geschehen lassen. Und selber kann ich auch wachsen und so sein, wie ich bin.
Da ist die Liebe dann tatsächlich mitten unter uns – oder nenn es auch Gott.

Von Rolf Bielefeld

6. September

Bei dir, Herr, unser Gott, ist Barmherzigkeit und Vergebung. Daniel 9,9

Das Buch Daniel ist sozusagen die Apokalypse der hebräischen Bibel, die Gelehrten streiten sich darum, ob der Text nun im 6. oder im 2. Jh. v. Chr. geschrieben worden ist. Lassen wir sie streiten und überlegen lieber mal, was so eine Apokalypse ausmacht und was Gott damit zu tun hat.

Viele von uns sind von Francis Ford Coppolas Apocalypse Now und Roland Emmerichs The Day After Tomorrow geprägt und haben damit klare Bilder einer Apokalypse vor Augen. Da im Buch Daniel der Untergang des judäischen Weltreichs verkündet wird, gab es auch hier klare Vorstellungen.
Was hat nun Gott mit diesen Untergangsszenarien zu tun? Platt ausgedrückt: gar nichts!
Unsere Vorstellungen basieren auf von Menschen gemachten (oder inszenierten) Katastrophen oder echten Naturkatastrophen. Mit denen hat Gott nun nichts zu tun, sondern nur unsere Phantasie oder unser Handeln oder Unterlassen. Aber nun wenden wir uns mal den Katastrophen zu, bei denen Gott eine Rolle spielt. Die Kraft/Energie, der Geist/ Gott – wie immer wir ihn/sie/es nennen, ist uns durch Jesus als die Liebe ohne Bedingungen exemplarisch vorgelebt worden. Da, wo wir diese Liebe aufgeben, entstehen die Katastrophen in uns und um uns herum.

Von Rolf Bielefeld

7. Juli

In deiner Hand, HERR, steht es, jedermann gross und stark zu machen.                                       1. Chronik 29,12

Hier geht es um den sehr teuren Tempelbau und Davids Dankbarkeit.

Die Mittelbeschaffung für den Tempelbau und seine Errichtung ist mit grosser Wahrscheinlichkeit durch die Arbeit der einfachen Bevölkerung geschehen. Die von David ausgedrückte Dankbarkeit Gott gegenüber muss wohl eher verstanden werden als Davids Dankbarkeit gegenüber den Wohlhabenden aus den Versen davor. Denn die haben ihm sein Projekt finanziert aus ihren Reichtümern.

Ich bin zutiefst davon überzeugt, dass der Chronist hier auf dem falschen Weg ist und eine sehr einfache Lösung gewählt hat.

Es Gott zu überlassen, wer als gross und stark gesehen wird, ist schon interessant. Die Zuschreibung von Grösse, Stärke und Einfluss ist immer abhängig von dem Mass an Grösse, Stärke und Einfluss, die jeder Einzelne jemand anderem zubilligt.

Der Chronist sieht David als dankbar und bescheiden, aber auch als machtvoll und durchsetzungsstark.

Macht in der realpolitischen Welt durchsetzen hat eigentlich immer mit mehr oder weniger rationalen Zielen zu tun. Dies können wir uns bei dem Überfall Russlands auf die Ukraine anschauen. Auch hier wird Gott instrumentalisiert und den eigenen Zielen zugeordnet. Also – prüfe den Chronisten auf seine Ziele, bevor du vertraust!

Von Rolf Bielefeld

6. Juli

Das ist die Botschaft, die wir von ihm gehört haben und euch verkündigen: Gott ist Licht, und in ihm ist keine Finsternis.                            1. Johannes 1,5

Wenn man den Johannesbrief auf eine Kurzformel bringen wollte, würde man hier landen: Gemeinschaft mit Gott = Liebe; das nun wieder unter der Überschrift: So sieht der richtige Glaube aus!

Natürlich haben wir inzwischen gelernt, dass Kurzformeln keine Antwort auf komplexe Zusammenhänge sind.

In Jesus haben wir einen Mann gefunden, der Grundlegendes verstanden hat von dem, was wir von Gott sagen wollen. Jesus ging seinen Weg durch seine dreissigjährige Geschichte und tat dies aufrecht und ohne Kompromisse. Er lebte die Feindesliebe, die religiöse und soziale Gerechtigkeit, ein freies Leben, ein Leben gegen einige wichtige politische und religiöse Konventionen.

Dafür bezahlte er den ultimativen Preis – mit seinem Leben auf der Hinrichtungsstätte. Genau bis hierhin hat er gesagt und gelebt, dass Gott ihn niemals fallen lässt.

Diese Konsequenz hat dazu geführt, dass viele Menschen von ihm inspiriert waren und sind. Wer konsequent die Liebe und die Gerechtigkeit lebt, fällt nicht aus Gottes Hand. Das beschreibt mir «Auferstehung» – das nicht aufhörende Engagement von unzählig vielen sich verbunden fühlenden Menschen für eine versöhnte Welt.

Von Rolf Bielefeld

7. Mai

O HERR, hilf! O HERR, lass wohlgelingen!       Psalm 118,25

Der 118. Psalm ist ein Lobpsalm, der Spuren in der geistlichen Musik hinterlassen hat, nicht zuletzt bei Johann Sebastian Bach.

Es ist sehr selten, dass mich etwas sofort und mit Wucht anspringt – hier ist es nun aber so.

Ich schreibe das angesichts eines drohenden Krieges etwa 1500 km östlich meines Wohnortes Berlin. Dieser Krieg hat unmittelbare Auswirkungen auf uns alle in Europa, auch wenn er seinen Ursprung in der Ukraine nimmt. Allein schon, mich damit gedanklich auseinanderzusetzen, lässt eine grosse Traurigkeit und Hilflosigkeit in mir aufsteigen. Was kann ich mit meinen  Möglichkeiten  noch  tun,  dass dieser Krieg nicht stattfindet? Wie sind die komplexen Zusammenhänge von realer Kriegsgefahr, gesteuerten Flüchtlingen an der belarussisch-polnischen Grenze, grossen Flüchtlingsbewegungen auf Europa und die USA zu, ökonomischen Verwerfungen weltweit (mit und ohne Corona), überhaupt noch aufzulösen?

Ich weiss keine Lösung, ausser dass alle Interessen an den Verhandlungstisch müssen, um diese dann angemessen auszugleichen. Naiv? Ja, bestimmt – aber der grosse Wurf zur Lösung ist mir nicht bekannt.

Ich verstehe den Beter des Psalms so gut, ich verstehe seine Hilflosigkeit und seinen Wunsch nach einer Zukunft.

O HERR, hilf! O HERR, lass wohlgelingen!

Von Rolf Bielefeld

6. Mai

Gott wird alle Werke vor Gericht bringen, alles,was verborgen ist, es sei gut oder böse.         Prediger 12,14

Es trifft sich gut, dass wir uns hier im «Nachwort» des Kohelet befinden und einmal die Auseinandersetzung «wem folgt Kohelet politisch und philosophisch?» ignorieren.

Ich frage mich: «Vor welches Gericht soll hier was gebracht werden?» Wir haben uns über die Jahrtausende so daran gewöhnt, Gott als die letzte Gerichtsinstanz zu sehen, dass eine andere Sicht kaum vorkommt.

Unser Handeln, ob nun als Glaubende oder als Nichtglaubende, wird ständig beurteilt. Die Urteilenden sind in der Regel andere Menschen in unserem Umfeld – sei es beruflich oder privat. Manchmal wird unser Handeln auch von einem Algorithmus beurteilt und bewertet, z. B. bei der Steuererklärung in Deutschland via Elster. Und natürlich gilt auch hier, dass ans Licht gebracht werden soll, was verborgen ist.

Was heisst das nun für Glaubende? Wir lassen uns nicht von einer «KI», einer künstlichen Intelligenz, beurteilen in unserem Tun und Unterlassen. Wir haken auch nicht in der Checkliste die einzelnen Positionen ab, nach «du warst gut», «du warst schlecht».

Wir sind eingeladen, der Predigt und dem Leben Jesu zu folgen und jeden Tag neu auszuprobieren, so zu leben, dass das Gute in uns und in unserer Umgebung die Überhand behält. Anders gesagt: Wir lassen uns nicht vom Kurs auf eine gerechte Welt abbringen.

Von Rolf Bielefeld

7. März

Richtet euch auf und erhebt eure Häupter, denn eure Erlösung naht.
Lukas 21,28

Es gibt so unfassbar grosse Worte, die mich entweder sofort abhängen oder auf eine Gedankenreise schicken – dazu gehört «Erlösung»! Nun, heute lassen wir uns nicht abhängen.
Wir haben uns so an den liturgischen Satz «erlöse uns von dem Bösen» gewöhnt, dass er eigentlich kaum noch eine Bedeutung hat.
Erlöst werden bedeutet ja eigentlich befreit werden. Die einen möchten von Schulden befreit werden, die anderen von ihrem schlechten Gewissen, die Dritten vom Partner oder von der Partnerin.

Als Glaubende gilt unsere Bitte um Befreiung in erster Linie der Befreiung von den Handlungen und Vorstellungen, die uns daran hindern, dem Wohl der Schöpfung als Ganzes und unseren Mitmenschen als Teil davon zu dienen. Aber wovon sollen wir denn nun befreit werden? Ich bin zutiefst davon überzeugt, dass wir nur darum bitten können, die Lethargie loszuwerden, die Bequemlichkeit zu überwinden, Energie freizumachen. Denn wir wissen genau, dass wir auf den Zustand einer versöhnten Schöpfung hinleben sollen. Es sind die individuellen und kollektiven Schritte, die so wahnsinnig schwer sind. Aber es wird sie keiner gehen, wenn wir nicht anfangen und weitergehen – als Einzelne und als Gesellschaft. Das ist Erlösung!

Von Rolf Bielefeld

6. März

Der HERR ist seinem heiligen Tempel. Es sei stille vor ihm alle Welt!
Habakuk 2,20

«Sei still und tu was man dir sagt», das hat wahrscheinlich jede/r schon einmal in seiner/ihrer Kindheit gehört. Dieser Satz könnte auch von dem das Übel ankündigenden Gerichtspropheten Habakuk stammen.
Irgendwie passt das gerade in unsere Zeit, mit den vielen – manchmal sich widersprechenden – Ankündigungen. Der grösste Teil der Bevölkerung folgt, Gott sei Dank, den vernünftigen Ankündigungen der Regierenden in der grassierenden Pandemie. Aber eine sehr laute Minderheit macht das Leben dann doch kompliziert
Das ist der Moment, wo ich mich nach Stille sehne; nach einem Moment, wo alles stillsteht und alle nachdenken. Dann haben alle eine vernünftige Entscheidung getroffen und verhalten sich so, dass es für alle das beste Ergebnis gibt. Eine sehr schöne Vision und doch so weit weg von unseren täglichen Erfahrungen. Aber es lässt mich verstehen, warum Habakuk Gott in «seinem heiligen Tempel» sieht und sich Stille um ihn herum wünscht. Das Anhalten und Stillwerden ist einfach eine gute Voraussetzung, um zuhören zu können und gute Entscheidungen zu treffen.

Von Rolf Bielefeld

7. Januar 2022

Du sollst heute wissen und zu Herzen nehmen,  dass der HERR Gott ist oben im Himmel und unten auf Erden und sonst keiner.        5. Mose 4,39

Dies ist wohl die Woche der «mitreissenden Texte»! Gestern die abtörnenden Worte, heute also das Buch Deuteronomium, die Sammlung der Aussagen Mose an seinem letzten Lebenstag. Mose macht hier noch einmal den Rundumschlag. Er warnt, wirbt für seinen Gott und weist auf das Gesetz hin.

Für Glaubende spricht Mose hier eine Selbstverständlichkeit aus. Luther hat das in seinem kleinen Katechismus «du sollst keine anderen Götter haben – neben mir» genannt. Und doch, diese «Selbstverständlichkeit» wird täglich einer Prüfung auf Herz und Nieren unterzogen. Bei jedem Schritt unseres Lebens müssten wir uns fragen: «Ist das im Sinne unseres Gottes?» Oder anders formuliert: «Sind wir noch im Windschatten des Heiligen Geistes?»

Hand aufs Herz – ist das unsere Lebensrealität? Bei vielen von uns, so auch bei mir, schwingt diese Frage mit, aber sie ist nicht immer an erster Stelle.

Ich glaube, es geht letztendlich darum, dass wir diese Frage nicht vergessen, sie mitschwingen lassen und hin und wieder stehen bleiben und sie ganz «zu Herzen nehmen».

Der Lebenskompass ist da und immer verfügbar, aber lesen müssen wir ihn für uns – manchmal alleine.

Von: Rolf Bielefeld

6. Januar

Ich will sie reinigen von aller Missetat, womit sie
wider mich gesündigt haben, und ich will ihnen vergeben.                           
Jeremia 33,8

Vier Worte: reinigen, Missetat, gesündigt, vergeben… und ich habe eigentlich schon keine Lust mehr.

Jeremia hatte den Untergang Jerusalems verkündet, wenn das Volk sich nicht unter Gottes Herrschaft stellen würde –, und er sollte mit dem Untergang, etwa 50 Jahre später, Recht behalten.

Also für uns heute: Den Zehn Geboten und den Seligpreisungen immer folgen, und der Untergang wird abgewendet? Das ist natürlich ziemlich simpel gedacht, aber in der Einfachheit liegt auch eine gewisse Kraft.

Die in der Bibel verewigten Gebote verfolgen eigentlich immer das gleiche Ziel, das Leben miteinander in Frieden und Harmonie zu bewältigen. Dem Gott der hebräischen Bibel werden so manchmal ziemlich drastische Mittel zugetraut, um zu bewirken, dass das Ziel erreicht wird. In Jesu Leben und Predigt verändern sich die Mittel erheblich, indem die Menschen immer wieder auf die Liebe und die aus ihr erwachsene Kraft verwiesen werden.

Nun werden nicht mehr «Feinde vernichtet», sondern die «Reinigung von Missetat» basiert auf Einsicht und dem Wunsch und der Bitte nach Vergebung. Der Gott, der mich dazu befähigt, Fehler zu erkennen, um Verzeihung zu bitten und Vergebung anzunehmen, das ist der Gott, der mir in meinem Leben begegnet ist.

Von: Rolf Bielefeld