Schlagwort: Rolf Bielefeld

6. Juli

Zachäus begehrte, Jesus zu sehen, wer er wäre.
Lukas 19,3

Nun möchte eigentlich jeder irgendetwas ganz besonders
dringend zu irgendeinem Zeitpunkt – oder nicht?
Die einen möchten berühmt und/oder wohlhabend
werden, die anderen möchten gesund werden oder bleiben
und wieder andere möchten politisch erfolgreich sein.
Diese Liste liesse sich beliebig verlängern. Manchmal ist da
der ganz dringende Wunsch, einen Menschen zu sehen, die
Liebste/den Liebsten, weil eine grosse Sehnsucht da ist. Den
Geschäftspartner, weil dringende Entscheidungen anstehen.
Die Ärztin, weil die Schmerzen nicht mehr auszuhalten sind.
Jemandem begegnen zu wollen, um ihn/sie einfach nur
kennenzulernen und herauszufinden, wie er/sie tickt, setzt
Neugierde für andere Menschen und Selbstbewusstsein voraus.
Beide Dinge finde ich sehr gut und sie sind mir sehr vertraut.
Mir hat dies, insbesondere in meiner Zeit als Jugendlicher
und junger Erwachsener, zu vielen interessanten und
sehr tief gehenden Begegnungen und auch Einsichten verholfen.
Sich nicht abhalten lassen von der Meinung anderer Menschen
oder der aktuellen «political correctness» und die
direkte Begegnung suchen erweist sich ganz oft als sehr
fruchtbar. Es hat etwas vom Gehen ins Unbekannte. Sich
auf den Glauben einlassen ist auch ein Weg mit Unbekannten
– aber mit vielen Gefährten und einem tragenden Gott.

Von: Rolf Bielefeld

7. Mai

Hungert deinen Feind, so speise ihn mit Brot,
dürstet ihn, so tränke ihn mit Wasser,
denn du wirst feurige Kohlen auf sein Haupt häufen,
und der HERR wird dir’s vergelten.
Sprüche 25,21–22

Noch ein Klassiker: Beschäme deine Gegner durch Grossmut
und Güte, sodass es dir dann mental besser geht.
Nun befinden wir uns hier in der Weisheitsliteratur, irgendwann
im vierten oder dritten Jahrhundert vor Christus, final
zusammengestellt.
Das entwertet die Kernaussagen der Sammlung in den
Sprüchen in keiner Weise. Denn es geht hier gar nicht darum,
dass es dir besser geht, sondern es geht darum, dass du etwas
machst, das

  1. dem «Gegner» dient, der eventuell falsch gehandelt hat;
  2. dein Handeln dem entspricht, was im Reich Gottes selbstverständlich
    ist, und
  3. deinen Gegner zum Überdenken und Ändern seines Handelns
    bewegen könnte.

Also wohl doch kein Klassiker, sondern eher eine Aufforderung,
den üblichen Kreislauf von Unterdrückung, Gewalt
und Beschwichtigung zu durchbrechen. Im Grossen gelingt
dies nur sehr selten, wie uns die Vielzahl von Konflikten und
Kriegen zeigen.
Wenn wir dem Liebesgebot unseres Glaubens Bedeutung
beimessen, wird es wohl nicht ohne unsere Versuche gehen,
in unserem Umfeld wahrhaftig und gewaltfrei zu leben. Dieses
Beispiel wird unser Gott dann wohl segnen.

Von: Rolf Bielefeld

6. Mai

Als mir angst war, rief ich den HERRN an und schrie zu
meinem Gott. Da erhörte er meine Stimme.
Psalm 18,7

Irgendwie ist das doch ein klassisches Muster: Da ist einer in
Schwierigkeiten und bettelt um Hilfe!
Klassisch ginge jetzt das persönliche Prüfprogramm im
Berliner Nahverkehr los:
– Der wievielte ist das jetzt in den letzten 20 Minuten?
– Hat er eine neue Masche?
– Wie gross ist wohl seine Not tatsächlich?
– Tritt er aggressiv auf?
– Ist von meinen täglichen 4 × 50 Cent noch einer übrig?
Nun ist der Psalmbeter definitiv nicht in der Berliner
S- oder U-Bahn unterwegs, aber er steckt mit ziemlicher
Sicherheit auch in Schwierigkeiten. Welches Prüfprogramm
ist ihm wohl begegnet? Wenn Passanten seine Schwierigkeiten
bemerkt haben, vielleicht ein ähnliches wie meines. Aber
das scheint hier keine Rolle zu spielen.
Unserem Beter geht es um Lob und Vertrauen in Gott.
Seine Welt ist die des immer wieder in Kriege verstrickten
Volkes zur Zeit Davids. Wer zettelt nun Kriege an? Der Mann
und die Frau auf der Strasse eher nicht. Es sind in der Regel
die politisch Verantwortlichen in ihren jeweiligen Gesellschaften.
Die Lage der Menschen in diesen Kriegszeiten hat
sich allerdings nicht wirklich geändert. Sie leben in der realen
Bedrohung ihres Lebens und meistens bleibt ihnen nur die
Hoffnung auf Hilfe und Besserung. Glaubende haben dann
noch einen Trumpf: die Lebenszusage Gottes.

Von: Rolf Bielefeld

7. März

Der HERR, unser Gott, verlasse uns nicht und ziehe die Hand nicht ab von uns. 1. Könige 8,57

Der gestrige Lehrtext hat uns unser Handeln vor Augen
geführt. Der heutige Text bezieht sich auf einen, dessen
Handlung, den Tempel bauen zu lassen, zu einem feierlichen
Ende gekommen war. Nun war doch alles gut, der Tempel
war fertig, die Lade an der richtigen Stelle deponiert, das
Leben verlief in geordneten Bahnen. Eigentlich der richtige
Zeitpunkt, den Ertrag zu geniessen!
Und zack – da holt uns das Wissen um Veränderung doch
sofort wieder ein. Das war bei Salomon so und ist bei uns
nicht anders.
Wenn wir uns in einer Situation gut eingerichtet haben,
diese für die Zukunft festhalten wollen, kommt irgendetwas
völlig unerwartet auf uns zu. Es verbreitet Unsicherheit und
schreibt eine andere Gegenwart. Dieser Wunsch Salomos,
«Gott soll ihn nicht verlassen», verstehe ich als Bitte, die
gute Entwicklung nicht zum Negativen zu ändern.
Das ist doch auch Teil unseres Menschseins, Gutes erhalten
und Schlechtes verändern zu wollen. Da wir um unsere
beschränkten Mittel wissen, ist uns auch klar, dass sich unser
Leben dynamisch entwickelt. Vieles geschieht ausserhalb
unseres unmittelbaren Einflusses.
Doch wir nehmen die Entwicklung wahr, teilen sie im
Gebet, wissen um die Nähe Gottes und können deshalb die
vielen Herausforderungen annehmen, ohne an der Welt oder
an Gott final zu verzweifeln.

Von: Rolf Bielefeld

6. März

Was ihr getan habt einem von diesen meinen
geringsten Brüdern, das habt ihr mir getan.
Matthäus 25,40

Ich glaube, es gibt kaum einen Vers in den Evangelien, der so
weit verbreitet ist und so viel positive Resonanz erzeugt wie
dieser. Er ist die Handlungsmaxime einer ganzen Reihe von
Orden und christlichen Gemeinschaften; aber auch von vielen
Menschen guten Willens. Für Menschen, die in der Spur
Jesu gehen, nehmen wir das in der Regel als selbstverständlich
an, insbesondere wenn wir dies zur eigenen DNA zählen.
Diese Selbstverständlichkeit, gepaart mit einer klaren eigenen
Vorstellung, was gute und schlechte Taten sind, führt dann
doch zu vielen enttäuschten Erwartungen. Die Kernaussage,
dass alles, was Menschen im Guten wie im Bösen angetan
werden kann, gleichzusetzen ist mit einem Handeln gegen
oder für Jesus selbst, macht die Sache ganz schön persönlich.
Mir fällt dazu ein Leitsatz ein, den viele Gruppen, Initiativen
und Individuen für sich angenommen haben: «sehen,
beten, handeln». Die Verantwortung ist damit verteilt. Was
ich in der Welt um mich herum sehe, geht mich etwas an.
Im Gebet teile ich dies und bedenke es. Dann handle ich
nach meinen Möglichkeiten in dem Sinn, den ich als Glaubender
im Gebet erkannt habe. Da ich um meine beschränkten
Möglichkeiten weiss, so, wie Jesus um die beschränkten
Möglichkeiten seiner Umgebung wusste, ist mein Handeln
nie zu wenig. Der erhoffte Segen wird schon sichtbar werden,
wenn ich gut hinsehe und hinhöre!

Von: Rolf Bielefeld

7. Januar

Vom Aufgang der Sonne bis zu ihrem Niedergang
sei gelobet der Name des HERRN
. Psalm 113,3

Hier ist jemand aber sehr beseelt und sehr enthusiastisch.
Was hat wohl den Schreiber dieses Psalms so in Hochstimmung
und selbstverständliche Gotteserkenntnis versetzt?
Ich weiss es nicht, aber dieser Psalm hat so viele Menschen
künstlerisch motiviert und existentiell gestützt, dass es
eigentlich auch unerheblich ist, was den Schreiber angetrieben
hat.
Von etwas oder jemandem einen ganzen Tag lang fasziniert
oder angerührt zu sein, ist schon eine tolle Erfahrung.
Diejenigen, die seit vielen Jahren / Jahrzehnten in einer Beziehung
leben und die Liebe täglich erfahren, wissen um diesen
Schatz. Dieses Erleben kann niemand erzwingen und auch
niemand verordnen; es kann nur dankbar angenommen
werden.
Wenn dies vergleichbar ist mit dem, was der Psalmbeter
mit dem zu preisenden Gott meint, habe ich eine Idee von
dem, was ihm wohl vorgeschwebt haben muss.
Wir leben in einer Zeit, die geprägt wird vom Wissen und
Erfahren um den langsamen Tod unseres Heimatplaneten,
den schnellen Tod und das Elend aus Krieg und Vertreibung.
Viele stemmen sich gegen diese Entwicklung, ohne deutliche
Zeichen der Umkehr wahrzunehmen.
Ich hoffe und bete, dass die Erfahrung einer bedingungslosen
Liebe möglichst allen zuteil wird, und sie daraus die
Kraft für einen anderen Weg schöpfen.

Von: Rolf Bielefeld

6. Januar

Gott widersteht den Hochmütigen, aber
den Demütigen gibt er Gnade.
1. Petrus 5,5

Hochmut und Demut waren lange Begriffe, die völlig aus der
Mode gekommen waren, denn wenn überhaupt, sind Menschen
entweder erfolgreich oder erfolglos. Entweder bist du
dabei oder du bist draussen.
In der Politik hat sich «Demut» bewährt, wenn das politische
Handeln mehr oder weniger danebengegangen ist, aber
der Rücktritt unbedingt vermieden werden sollte.
Ich glaube, der Schreiber dieses Briefes muss etwas Ähnliches
im Blick gehabt haben, als er an die zerstreute Gemeinde
irgendwann um 100 n. Chr. geschrieben hat. Da hat es die
gegeben, die genau wussten, wie der Glaube richtig zu leben
ist, und dies auch zu allen passenden und unpassenden
Gelegenheiten verkündeten. Und es gab diejenigen, die völlig
unauffällig die Konsequenzen aus dem Glauben an die Botschaft
Jesu zu leben versuchten.
In so einer Situation kann ein ordnendes Wort, wie unser
heutiger Vers, sehr hilfreich sein.
Genau zu wissen, wie das Leben / der Glaube geht, und dieses
vermeintliche Wissen für alle anderen verbindlich zu halten,
führt zu Verdruss und Ärger – wie uns die Erfahrung lehrt.
Die Kernbotschaft Jesu in das eigene Leben einzubauen und
der Liebe eine grosse Spielfläche zu geben, führt in der Regel
zu vielen guten Begegnungen und einer eigenen Zufriedenheit
mit dem Leben sowie zur Energie, sich für das Wohl der
anderen Menschen einzusetzen.

Von: Rolf Bielefeld

7. Januar 2022

Du sollst heute wissen und zu Herzen nehmen,  dass der HERR Gott ist oben im Himmel und unten auf Erden und sonst keiner.        5. Mose 4,39

Dies ist wohl die Woche der «mitreissenden Texte»! Gestern die abtörnenden Worte, heute also das Buch Deuteronomium, die Sammlung der Aussagen Mose an seinem letzten Lebenstag. Mose macht hier noch einmal den Rundumschlag. Er warnt, wirbt für seinen Gott und weist auf das Gesetz hin.

Für Glaubende spricht Mose hier eine Selbstverständlichkeit aus. Luther hat das in seinem kleinen Katechismus «du sollst keine anderen Götter haben – neben mir» genannt. Und doch, diese «Selbstverständlichkeit» wird täglich einer Prüfung auf Herz und Nieren unterzogen. Bei jedem Schritt unseres Lebens müssten wir uns fragen: «Ist das im Sinne unseres Gottes?» Oder anders formuliert: «Sind wir noch im Windschatten des Heiligen Geistes?»

Hand aufs Herz – ist das unsere Lebensrealität? Bei vielen von uns, so auch bei mir, schwingt diese Frage mit, aber sie ist nicht immer an erster Stelle.

Ich glaube, es geht letztendlich darum, dass wir diese Frage nicht vergessen, sie mitschwingen lassen und hin und wieder stehen bleiben und sie ganz «zu Herzen nehmen».

Der Lebenskompass ist da und immer verfügbar, aber lesen müssen wir ihn für uns – manchmal alleine.

Von: Rolf Bielefeld

6. Januar

Ich will sie reinigen von aller Missetat, womit sie
wider mich gesündigt haben, und ich will ihnen vergeben.                           
Jeremia 33,8

Vier Worte: reinigen, Missetat, gesündigt, vergeben… und ich habe eigentlich schon keine Lust mehr.

Jeremia hatte den Untergang Jerusalems verkündet, wenn das Volk sich nicht unter Gottes Herrschaft stellen würde –, und er sollte mit dem Untergang, etwa 50 Jahre später, Recht behalten.

Also für uns heute: Den Zehn Geboten und den Seligpreisungen immer folgen, und der Untergang wird abgewendet? Das ist natürlich ziemlich simpel gedacht, aber in der Einfachheit liegt auch eine gewisse Kraft.

Die in der Bibel verewigten Gebote verfolgen eigentlich immer das gleiche Ziel, das Leben miteinander in Frieden und Harmonie zu bewältigen. Dem Gott der hebräischen Bibel werden so manchmal ziemlich drastische Mittel zugetraut, um zu bewirken, dass das Ziel erreicht wird. In Jesu Leben und Predigt verändern sich die Mittel erheblich, indem die Menschen immer wieder auf die Liebe und die aus ihr erwachsene Kraft verwiesen werden.

Nun werden nicht mehr «Feinde vernichtet», sondern die «Reinigung von Missetat» basiert auf Einsicht und dem Wunsch und der Bitte nach Vergebung. Der Gott, der mich dazu befähigt, Fehler zu erkennen, um Verzeihung zu bitten und Vergebung anzunehmen, das ist der Gott, der mir in meinem Leben begegnet ist.

Von: Rolf Bielefeld