Kategorie: Texte

5. September

Nimm ja nicht von meinem Munde
das Wort der Wahrheit.
Psalm 119,43

Heute am ökumenischen Tag der Schöpfung wurde ein Losungsvers aus Psalm 119 gezogen.
Das «Wort der Wahrheit» ist eng mit dem Konzept der Schöpfung und mit der Umwelt verbunden, besonders im christlichen Kontext. Es bezieht sich auf die göttliche Wahrheit, die in der Schöpfung, also der gesamten Welt, zum Ausdruck kommt. Die Bewahrung der Schöpfung ist daher auch eine Aufgabe, die sich aus diesem Verständnis ableitet.
In vielen christlichen Traditionen wird Gott als die Quelle der Wahrheit angesehen. Sein Wort, in der Bibel zu finden, ist die Grundlage für das Verständnis von Wahrheit und Moral. Die Schöpfung selbst wird als Ausdruck dieser göttlichen Wahrheit betrachtet. Alles also, was existiert, ist Folge des Wortes Gottes und somit Teil seiner Wahrheit. Die Umwelt, also die Natur und die Welt, in der wir leben, ist ein integraler Bestandteil der Schöpfung. Sie ist nicht von Gott getrennt, sondern ein Ausdruck seiner Schöpferkraft. Daraus ergibt sich eine Verantwortung des Menschen für die Bewahrung der Umwelt. Da die Umwelt ein Teil der Wahrheit Gottes ist, muss sie respektiert und geschützt werden. Dies nennen wir seit vielen Jahren die «Bewahrung der Schöpfung». Die Bibel erzählt von der Erschaffung der Welt durch Gott und betraut den Menschen mit der Aufgabe, die Erde zu bebauen und zu bewahren.

Von: Carsten Marx

4. September

Von Gott werde dir geholfen, und von
dem Allmächtigen seist du gesegnet.
1. Mose 49,25

Jakob, der Stammvater, segnet seine Söhne, jeden einzeln. Joseph bekommt diesen Segen mit auf seinen Weg. Er bekommt eine doppelte Zusage: Gott, die Lebendige, wird dir helfen. Und von Gott bist du gesegnet. Zusagen von Müttern und Vätern stärken den Rücken für den weiteren Weg. Diese Kraft kann uns niemand nehmen, auch wenn der Weg steinig ist. Wir können uns an Zusagen erinnern. Und wir sollen uns daran erinnern und an der Zusage festhalten. Denn sie stärkt den Glauben an das Leben. Den Segen Gottes erhalten wir als Geschenk. Er ist ein Gebet, das uns zeigt, dass die Gnade der Lebendigen mit uns ist. Der Segen lässt uns durchatmen, macht das Herz warm und öffnet die Augen für den weiteren Weg und die Menschen, die hier und weltweit mit uns unterwegs sind. Der Segen stärkt das Vertrauen und die Hoffnung auf ein Leben in Würde für alle Menschen.
Ich sage den Menschen, mit denen ich vertraut bin, gerne beim Abschied: «Bhüet di Gott.» Das ist mehr als ein Wunsch. Dieser Gruss ist tief verwurzelt in meinem Vertrauen auf die Lebendige und kommt von Herzen. Ich denke, Jakob hat es auch so oder ähnlich gemeint. Davon zeugt die weitere Geschichte von Joseph.
Gott, behüte uns auf unserem Weg.

Von: Madeleine Strub-Jaccoud

3. September

Ich will euch ein neues Herz und einen
neuen Geist in euch geben.
Hesekiel 36,26

Wenn ich das ganze Kapitel lese, schaudert es mich. Gott hat sein Volk in alle Nationen zerstreut. Es hat Mistgötzen gedient und ein grosses Blutvergiessen verursacht. Und jetzt will Gott das Volk wieder sammeln. Aber es geht ihm nicht um das Volk, sondern um seinen heiligen Namen.
Ich lasse das Bibelstudium und halte mich an die heutige Losung und nehme an, dass sie an uns gerichtet ist. Denn auch ich sehne mich nach einem neuen Geist. Es ist die Sehnsucht nach Vertrauen. Vertrauen in das Leben aller Menschen, Vertrauen in Gottes Handeln in unserer zerrütteten Welt, Vertrauen in die Kraft der Lebendigen. Vertrauen ist der Boden, auf dem Hoffnung wachsen kann.
Es geht mir aber nicht um mich, sondern ich bitte Gott, die Lebendige, für die Menschen, die jegliches Vertrauen und die Hoffnung verloren haben, Menschen, die flüchten müssen, immer wieder, Menschen, die Kriege erleiden müssen, für Kinder, die ohne Eltern aufwachsen. Sie brauchen den Gott des Lebens; ihnen, den zerstreuten Menschen, gilt in erster Linie seine Liebe. Und mir soll der neue Geist Kraft schenken, damit ich mein Vertrauen stärken kann, um für die Menschen, ihre Würde, ihr Leben einzustehen.
Schenke du uns Vertrauen und Hoffnung.

Von: Madeleine Strub-Jaccoud

2. September

Wer bin ich, Herr HERR, und was ist mein Haus,
dass du mich bis hierher gebracht hast?
2. Samuel 7,18

Mit diesen Worten reagiert der König David auf die Verheissung durch den Propheten Nathan, der seinem Haus eine grosse Zukunft ankündigt. Darin drückt sich der staunende Dank für den Verlauf des Lebens aus, für eine gute Situation und vor allem für eine lichtvolle Perspektive.
Können wir aber solche Worte nachsprechen, wenn der Weg schwierig war, die Lage nicht gut ist, die Perspektive düster, wenn das Hier und Jetzt die göttliche Führung nicht so ungebrochen erscheinen lässt? Berühmt-berüchtigt ist ja der Gefängnisgottesdienst in Carl Zuckmayers «Hauptmann von Köpenick», wo die Gefangenen singen müssen: «Bis hierher hat mich Gott gebracht.» Diese bissige Ironie zeigt, wie absurd es sein kann, Führung und Fügung zu verallgemeinern, sie zum Prinzip zu machen. Völlig unbrauchbar ist dieses Prinzip, wenn es Menschen trösten soll, denen es nicht gut geht. Solcher «Trost» macht alles noch schlimmer, macht Gott zum Feind. Vielleicht aber kann es dann und wann gelingen, im Blick auf das eigene Leben Führung zu erkennen, für die hellen wie für die dunklen Wegstrecken. Das kann man niemandem verordnen, auch nicht sich selbst. Doch wenn es gelingt, die eigene Lebenssituation als Ergebnis von Gottes Führung zu verstehen, sich in einem göttlichen Willen geborgen zu fühlen, ist dies ein Geschenk, eine geistliche Lebensqualität, die nicht zu erzwingen, nur zu empfangen ist.

Von: Andreas Marti

1. September

Haltet dem HERRN, eurem Gott, die Treue,
so wie ihr es bisher getan habt.
Josua 23,8

Kinder sind empfänglich für einen Glauben an Gott. Doch dieser Glaube übersteht die rationale Entwicklung zum Jugendalter häufig nicht. Erwachsene mögen an Gott glauben, doch ihr Glaube übersteht schlimme Erfahrungen häufig nicht. Die Treue zu halten, ist schwierig, wenn nicht nachhaltige Gottesvorstellungen vermittelt worden sind.
Die Treue wird in Frage gestellt durch die Kollision von wissenschaftlichem Weltbild und biblischer Vorstellung eines Schöpfergottes, dies auch dann, wenn man die Schöpfungsberichte nicht wörtlich nimmt.
Die Treue wird in Frage gestellt durch die Kollision der Vorstellung vom «lieben Gott» mit der gar nicht so lieben Realität, in der persönlichen Lebensgeschichte und in Unrecht, Hunger und Krieg auf der Welt.
Ich höre häufig in Predigten Aufrufe zum Glauben, Aufrufe, Gott die Treue zu halten. Diese Aufrufe gehen ins Leere, wenn keine Hilfe zum Umgang mit den genannten Kollisionen kommt. Die einfachsten Fragen sind bekanntlich die schwierigsten: Gibt es Gott? Ist Gott gut? Ist Gott allmächtig? Es ist eine unerlässliche Aufgabe für die Kirche, für die Predigerinnen und Prediger, für die Unterrichtenden und ebenso für alle Christinnen und Christen, sich auf schwierige Gespräche über Glauben und Nichtglauben einzulassen und die geforderte Treue überhaupt möglich zu machen.

Von: Andreas Marti

31. August

Durch Christus Jesus haben wir Freimut und Zugang in aller Zuversicht durch den Glauben an ihn. Epheser 3,12

Zuversicht trotz allem ist das, was ich mir vom Glauben erhoffe. Eine getroste Hoffnung, die mir auf geheimnisvolle Weise immer wieder zur Erfahrung wird und mich an ein Lied denken lässt, das mich seit früher Kindheit begleitet: «Vom Aafang bis zum Änd» von Paul Burkhard.
«Nie mee fürcht ich mich, dänn ich han ja dich, Jesus Chrischtus Herr.»
Ich habe das Lied oft gesungen. An Spitalbetten und Gräbern, mit einem schreienden Kind auf dem Arm, das keinen Schlaf findet, manchmal auch in dunklen Grossstadtgassen. Natürlich fürchtete ich mich dennoch. Aber die schlichten Zeilen und die vertraute Melodie lockerten den Würgegriff der Angst.
Psalmen und Gebete, Bibelverse und lieb gewonnene Erzählungen, manchmal auch nur eine in der Stille der Kirche angezündete Kerze sind mir Türen, die mich in die Getrostheit des Glaubens hineinführen können. Manchmal vermag ich jedoch nur hindurchzuschauen. Freilich sehe ich auch in diesen Momenten durch den Türspalt jenes Licht, das sich «Zuversicht durch den Glauben» nennt: die Gewissheit, dass andere Menschen Worte für das Gebet finden, wenn mir nur noch das Schweigen bleibt, und jemand ein Licht anzündet, wenn sich mein Blick verdunkelt.

Von: Felix Reich

30. August

HERR, du lässt mich genesen und am Leben bleiben. Jesaja 38,16

Genesen, was für ein schönes, wenn auch etwas veraltetes Wort. Genesen, so schien es, fuhr in diesen Tagen, wo ich den Text bedenke, Franziskus aus dem Krankenhaus zurück in seine Wohnung Santa Maria im Vatikan. Für viele Gläubige Katholiken war dieses Am-Leben-Bleiben des hoch verehrten Mannes nahezu ein Wunder. Ja, Herr, du liessest ihn genesen und am Leben bleiben, mögen viele gedacht haben.
Genesen hat viele Bedeutungen, wie man je nach Sprachlexikon feststellen kann, eine zentrale aber ist Heilung. Dieser Begriff, der in der deutschen Sprache so eng mit Heil und Heiligung verbunden ist, verweist auf neue Ganzheitlichkeit und wird in unserem Text zu Recht mit Leben in Verbindung gebracht. Geheilt, genesen, leben wir neu und erneuert.

Wie zentral diese Aussage für das diakonische Handeln der Christengemeinschaft über die Jahrhunderte war, zeigt die Geschichte der christlichen Spitäler, der medizinischen Mission, aber auch die Seelsorge und Diakonie bei Menschen in Konflikten. Im übertragenen Sinn entsteht hier neues Leben in Gemeinschaften, die todkrank sind. Ihnen wird durch Versöhnung Heilung, neues Leben gewährt. Es geht nur darum, die Genesung zuzulassen. Damit Gott Raum hat, auch uns zum Leben zu verhelfen.

Von: Gert Rüppell

29. August

HERR Zebaoth, du bist allein Gott über alle Königreiche auf Erden, du hast Himmel und Erde gemacht. Jesaja 37,16

Zum zweiten Mal liegen die assyrischen Truppen vor Jerusalem. Beim ersten Mal sind sie überraschend abgezogen, aber nun gilt es ernst. Ihr Kommandant überbringt einen Drohbrief seines Königs Sanherib an Hiskia, den König des winzigen Landes Juda, überschüttet ihn mit Hohn und Spott und macht seinen Gott lächerlich. Ein Machtkampf zwischen Göttern?
König Hiskia hat Angst. Er geht mit dem Brief in den Tempel und breitet ihn vor Gott aus: Da, lies! Er wendet sich an den Herrn über alle Königreiche, den Schöpfer des Himmels und der Erde – die Losung des heutigen Tages. Und er schüttet ihm sein Herz aus. Was hat er der assyrischen Übermacht entgegenzusetzen? Er fleht: «Und nun, HERR, unser Gott, rette uns aus seiner Hand, damit alle Königreiche der Erde wissen, dass du allein der HERR bist!»
Damals blieb Jerusalem verschont, und Sanherib kam wenig später gewaltsam ums Leben.
Kriege und Gewalt hat es immer gegeben, Machtkämpfe sind auf allen Ebenen weitergegangen, Volk gegen Volk, Grosse gegen Kleine, bis heute. Mit allen Mitteln, grausam, erbarmungslos – und oft anmassend «with God on our side».
«Du bist allein Gott über alle Königreiche auf Erden, du hast Himmel und Erde gemacht.» Nicht als Partei im Machtkampf um die Oberhand. Dein Reich komme!

Von: Dorothee Degen-Zimmermann

28. August

Du wirst sein eine schöne Krone in der Hand des HERRN und ein königlicher Reif in der Hand deines Gottes. Jesaja 62,3

Kostbar sind die Schmuckstücke, kunstvoll gearbeitet, Zeichen königlicher Ehre und Würde «in der Hand des Herrn»: ein Loblied auf Zion, die Gottesstadt Jerusalem, und auf ihren Schöpfer und Liebhaber.
«Du wirst sein» – diese Verse wurden geschrieben als ein Versprechen für die Zukunft. Denn die Gegenwart sah anders aus für die Rückkehrer aus dem babylonischen Exil. Der Wiederaufbau der zerstörten Stadt war mühsam, der Alltag geprägt von Mangel und Sorgen, das Leben bedroht von eifersüchtigen Nachbarn, die selbst nicht genug hatten.
Aber Gott, der Schöpfer, sieht mehr als die mühselige Gegenwart. Er ist verliebt in diese Stadt und ihre Menschen und sieht in ihr jetzt schon, was sie einst sein wird: «Der Herr hat Gefallen an dir. Wie der Bräutigam sich an der Braut freut, so freut sich dein Gott an dir», heisst es in der Fortsetzung des Losungstextes.
Gott liebt seine Geschöpfe, sieht durch ihr Versagen hindurch die, die er geschaffen hat und die sie einst sein werden. Mir fällt dazu die Geschichte ein, die Jesus erzählt hat: vom jungen Mann, der mit dem Vater bricht, in die Welt hinauszieht und nach Jahren abgerissen und elend heimwärts stolpert. Und was macht der Vater? Schliesst ihn in die Arme, steckt ihm einen kostbaren Ring an den Finger und lässt ein Festessen auffahren.

Von: Dorothee Degen-Zimmermann

27. August

Der Vater sprach zum älteren Sohn: Feiern muss man jetzt und sich freuen, denn dieser dein Bruder war tot und ist lebendig geworden, war verloren und ist gefunden worden. Lukas 15,32

In einem nicht allzu fernen Land erlebte ich vor ein paar Jahrzehnten mit, wie es ist, wenn die meisten Menschen kein Telefon zuhause haben. Dass dereinst Anrufe von unterwegs oder Whatsapp- und Signal-Nachrichten auf ein Mobiltelefon Alltag würden, konnte man sich überhaupt nicht ausmalen. Damals konnte es passieren, dass ein aus den Augen verlorener Verwandter oder eine Schar Freundinnen unvermittelt vor der Tür stand. Damals konnte es passieren, dass daraus ein ungeplantes Fest wurde. Feiern muss man jetzt und sich freuen!
So kann ich das Glück von Sportsfreunden nachvollziehen, die ausgelassen feiern, wenn ihr Team gewinnt, erst recht, wenn der Erfolg überraschend kommt. Es sind Freudenfeste, die man sich nicht im Voraus in die Agenda eintragen kann.
Und, ganz anders, können auch Trauerfeiern zu Feiern des Lebens werden, vorausgesetzt, der Mensch konnte lebenssatt sterben und das gemeinsame Abschiednehmen gelingt. Der Tod unterbricht den Alltag der Menschen rundherum jäh, durchkreuzt vorhandene Termine. In diesem unplanbaren Moment kann aus dem Sterben und der Trauer Lebendiges werden. Jetzt, unaufschiebbar.

Von: Matthias Hui