Autor: Katharina Metzger

10. August

Was seid ihr so furchtsam, ihr Kleingläubigen! Matthäus 8,26

Mein Partner und ich sprechen über die Geschichte «Die Stillung des Seesturms», woraus der obige Vers stammt.

Ich: «Das ist so eine richtige Jesus-Superman-Geschichte. Damit kann ich nichts anfangen! – Klar hat man Angst, wenn man in einen Sturm gerät.»

Er: «Es ist eben eine typische Wundergeschichte, die hat eine eigene Dramatik.»

Ich: «Aber was soll ich denn daraus mitnehmen? Da schläft einer in grösster Gefahr, bemerkt die Angst um ihn herum nicht, steht auf, bändigt mal schnell den Wind und sagt den anderen auch noch, sie seien Angsthasen.»

Er: «Ich sehe in dieser Geschichte anderes, viele Urbilder mit symbolischem Gehalt: Sturm, drohendes Wasser, eine bedrohte Gemeinschaft. Jesus ist da, auch wenn er nicht gerade verfügbar ist. Wichtig ist die Verbindung, das Vertrauen zu ihm. Das darf nicht verloren gehen.»

Ich: «Sag das mal den Menschen, die tatsächlich vom Meer überrollt werden und ertrinken. Da ist kein Jesus, der ihnen hilft.»

Er: «Aber eine solche Geschichte lässt uns Menschen vielleicht überhaupt erst etwas wagen.»

Ich: «Ja, für uns, die wir nicht an Leib und Leben bedroht sind und gerade gemütlich in der Stube sitzen, mag das eine Mutgeschichte sein. Aber wenn du keine andere Wahl hast, als dein Leben aufs Spiel zu setzen?»

Von Katharina Metzger

9. August

Philippus fragte den Kämmerer: Verstehst du auch, was du liest? Er aber sprach: Wie kann ich, wenn mich nicht jemand anleitet? Und er bat Philippus, aufzusteigen   und sich zu ihm zu setzen.                                                                        Apostelgeschichte 8,30–31

Eine gleichzeitig realistisch und doch etwas konstruiert wirkende Bekehrungsgeschichte lese ich da: Der Kämmerer, also der Schatzmeister der äthiopischen Königin, ist unterwegs zurück in seine Heimat. Er war in Jerusalem zum Beten. Nun liest er gerade in den Schriften des Propheten Jesaja. Da trifft er auf den Diakon Philippus, der sich als der richtige Mann zur richtigen Zeit erweist. Wer ist dieser leidende, sich aufopfernde «Gottesknecht», von dem Jesaja schreibt, will der Kämmerer wissen. Philippus antwortet mit dem Evangelium. Bei der nächsten Wasserstelle will sich der Kämmerer taufen lassen und zieht danach «voll Freude seines Weges».

Der Kämmerer: einer aus einem fremden Land, unterwegs auf einer wohl staubigen Strasse, in alte Schriften vertieft. Allein, obwohl er doch ein hoher Beamter ist. In theologischen Texten lesend, obwohl er doch als Schatzmeister eher mit Zahlen vertraut ist. Vom Beten kommend und nicht von Geschäften. Ein Durstiger? Ein Suchender?

Und da kommt diese Wasserstelle, in die er mit Philippus steigt: Wie gerne würde ich lesen, was er alles beim Eintauchen zurücklässt, was alles von ihm abgewaschen wird und was ihn so sehr mit Freude erfüllt!

Von Katharina Metzger

10. Juni

Lasst die Sonne nicht über eurem Zorn untergehen und gebt nicht Raum dem Teufel.               Epheser 4,26–27

Kennen Sie diese Kooperationsspiele, die manchmal zur Stärkung eines Teams eingesetzt werden? Meine Klasse hat ein solches gespielt, als wir zu Besuch beim Schulsozialarbeiter waren. Alle erhielten ein Stück Holz mit einer Rille drin, und dieses Stück Holz hielten die Jugendlichen vor sich hin und mussten damit zusammen eine lange Bahn bilden, auf der eine Murmel durch den Raum bewegt werden sollte. Zuerst klappte es nicht. Erst als alle ruhiger waren, ging es plötzlich gut. Ich habe auch mitgemacht, und es war eindrücklich, dieses Zusammenspiel am eigenen Leib zu erfahren. Ich war nicht mehr nur «eigener Leib», ich war plötzlich Teil eines grossen Leibes, so, wie das Paulus als Bild für die Gemeinde beschreibt. Gleich im Vers davor heisst es: «… denn wir sind ja untereinander Glieder.» Und es ist klar, dass dieser Leib nicht funktionieren kann, wenn jemand seiner Wut Raum lässt.

Oder doch? Dann fällt die Murmel zwar runter. Und alle müssen sich neu aufstellen, neu sortieren. Solange klar ist, dass man die Murmel von hier nach da transportieren muss und dass das nur zusammen geht, ist so ein Ausbruch aber verkraftbar. Vielleicht stärkt er die Gruppe sogar.

Aber: Ist mir eigentlich klar, welche Murmel gerade von wo nach wo transportiert werden soll und mit wem ich dabei zusammenhänge?

Von Katharina Metzger

9. Juni

Ist’s nicht so: Wenn du fromm bist, so kannst du frei den Blick erheben. Bist du aber nicht fromm, so lauert die Sünde vor der Tür, und nach dir  hat sie Verlangen; du aber herrsche über sie.                 1. Mose 4,7

Jetzt kommt mir wegen des Worts «fromm» gerade Frau Frommherz in den Sinn. Sie hiess tatsächlich so. Als ich in der Primarschule war, musste ich zu ihr in die Logopädie. In frühen Morgenstunden sassen wir nebeneinander im dämmrigen Schulzimmer – aus irgendeinem  Grund  schaltete  sie nicht unbedingt das Licht an – und machten seltsame Übungen. Mein Einsatz war mässig, immer hatte ich nicht genug geübt. Da sagte sie mir – und das ist mir   geblieben:

«Weisst du, ich mache jeden Tag zwei Dinge: Ich meditiere und ich mache ein Tänzchen für mich selbst. Und du solltest das so mit deinen Übungen halten.» Und obwohl die Übungen natürlich immer noch seltsam waren und nicht so spassig wie ein Tänzchen, konnte ich mir danach eine mir wohltuende Disziplin angewöhnen.

Die obigen Worte sagt Gott zu Kain, der wütend ist, weil Gott sein Opfer nicht gesehen hat, dafür das seines Bruders Abel. Ich verstehe Kain. Ich will auch gesehen werden. Erkannt. Anerkannt. Bewundert! Und dadurch wissen, wer ich bin. Aber jetzt kommt plötzlich das Bild von Frau Frommherz dazwischen, die alleine in einer Wohnung lebte, die nur aus einem grossen Zimmer bestand, und jeden Tag ein Tänzchen für sich tanzte. Ungesehen, unbewundert, tanzend.

10. April

Wir warten aber auf das, was unsere wunderbare Hoffnung ist: auf das Erscheinen der Herrlichkeit des grossen Gottes und unseres Retters Jesus Christus, der sich selbst für uns hingegeben hat, um uns zu erlösen von aller Ungerechtigkeit.
Titus 2,13–14

Ich schreibe am heimischen Stubentisch, aber heute Morgen war ich noch im Emmental, wo wir einige Neujahrstage verbracht hatten. Es hatte leicht geschneit, und wir gingen mit den Kindern und zwei Schlitten den Hügel hoch. Die Sonne schien, und meine Tochter machte mit ihrem Handy Fotos ohne Ende: verschneite Tannen, prächtige Höfe, sie selbst mit Mütze und Winterjacke. Mein Sohn lag im Schnee und sagte: «Ich bin irgendwie so glücklich.» Ich war es auch. Die Herrlichkeit des grossen Gottes? Sah sie für mich heute so aus?Unten neben unserem Ferienhaus war eine Holzbeige, in die hinein unsere Vermieter ein Adventsfenster gebaut hatten, darin eine schöne Krippe.

Und auf der Holzbeige lag ein Stechpalmenzweig. Warum? Zufall? Vielleicht eine vergessene Weihnachtsdekoration? Auf alle Fälle erinnerte er mich daran, dass der nächste Palmsonntag bald wieder kommen wird. Wir werden Palmzweige binden. Ich werde den Frühling riechen und mir ab und zu die Hände an den Stechpalmen stechen. Und ich werde mich fragen: Warten wir auf etwas? Wovon sollen wir erlöst werden? Und wo ist die Herrlichkeit schon sichtbar?

Von Katharina Metzger

9. April

Das Reich Gottes ist nicht Essen und Trinken, sondern Gerechtigkeit und Friede und Freude im Heiligen Geist. Römer 14,17

Wieder einmal bin ich überrascht, wie ich den obigen Vers in seinem Zusammenhang lese. Ich hatte zuerst gedacht, Paulus skizziere da ein asketisches Himmelreich, das einen etwas brav-trostlosen Gegensatz zur Hölle bildet, wo richtig was los ist. So wie in einigen Witzen, die ich noch aus meiner Kindheit im Kopf habe.
Das Kapitel 14 des Römerbriefs erstaunt mich nun mit unerwarteter Aktualität: Paulus wirbt für Toleranz in Ernährungsfragen! Natürlich geht es bei ihm nicht um die richtige Zusammenstellung einer gesunden Nahrung, sondern darum, ob gewisse Speisen und deren Verzehr unrein seien. Paulus gibt da eine Antwort, die sowohl befreiend ist, als auch von jedem Menschen Selbstverantwortung fordert: Nichts sei unrein, aber niemand solle etwas gegen sein Gewissen essen und auch niemanden dazu zwingen.

Ich verstehe es so: Das Reich Gottes ist nicht durch das Einhalten von Speisevorschriften zu gewinnen, aber wenn diese zu meiner persönlichen Überzeugung von einem gottgefälligen Leben gehören, dann soll ich daran festhalten.
Heute sind Ernährungsfragen wieder sehr aktuell. Für viele Leute hat das «Reich Gottes» wenig Bedeutung, wohl aber die Bewahrung der Schöpfung. Wie auch immer – Paulus’ Aufruf zum bewussten Umgang mit Speisen gilt uns allen!

Von Katharina Metzger

10. Februar

Der Himmel ist der Himmel des HERRN; aber die Erde hat er den Menschenkindern  gegeben. Psalm 115,16

Beim obigen Vers macht sich Empörung in mir breit: Was bin ich denn, ein kleines Kind, das im Spielparadies, aber nicht bei den Grossen sein darf? Vor einer grossen Türe, hinter der sich ein grosses Geheimnis verbirgt? Und sich lüften liesse? Ich komme mir auch vor wie ein Kind, das von den Eltern allein auf dem Spielplatz gelassen wird, zusammen mit anderen Kindern, die vielleicht nicht nur nett sind.

Im Psalm selbst hört es sich etwas anders an: Da wird vor allem ein Unterschied gemacht zwischen dem HERRN, den man nicht anfassen kann, und den Götzen aus Silber und Gold, die von den anderen Völkern verehrt werden, obwohl sie doch «Machwerk aus Menschenhand» sind. Vom HERRN im Himmel kommen hingegen Segen und Schutz.

Aber da ist diese Trennlinie: hier Gott – da Mensch. Sie kann bewirken, dass ich mich von Gott losgelöst, abgetrennt fühle. Oder aber sie kann mir meine menschlichen Grenzen aufzeigen: dass ich zum Leben auf der Erde bestimmt bin und meine Wahrnehmung der ganzen Schöpfung, des Woher und Wohin und Wozu, begrenzt ist. Diese Begrenzung zu spüren, kann mich auch demütig machen, demütig und staunend über das Geheimnis des Lebens.

Von Katharina Metzger

9. Februar

Seine Herrschaft wird sein von einem Meer
bis zum andern und bis an die Enden der Erde.                                                                                                 Sacharja 9,10

«Oh, schön», dachte ich, als ich den obigen Vers las, «da wird wieder einmal Gottes Wirken in seiner Schöpfung beschrieben». Ich erinnerte mich an einen Kanon, den ich in der dritten Klasse gelernt hatte: «Ein heller Morgen oh-ho- ne-he Sorgen …» Vielleicht kennen Sie ihn. Er endet    mit: «… des Herren Macht hat Licht gebracht.»
So eindeutig schön ist das Wirken des «Herrn» in diesem Kapitel nun aber nicht beschrieben. Da geht es vielmehr auch um «Herrschaft».

«Immer dieser Herr, immer diese Herrschaft», denke ich. Aber anstatt den «Herrn» zu verbannen und nach alternativen Beschreibungen zu suchen, möchte ich nun versuchen, aus den Bildern, die zum «Herrn» in mir sind, ein grosses Bild mit Worten zu malen. Was sehe ich?

Da geht ein riesiger Mann über die Erde, den einen Fuss hat er auf einer Landmasse, mit dem anderen hat er das angrenzende Meer schon überquert. Er trägt einen weiten, weichen Mantel, der hinter ihm herweht und die Erdteile darunter in Schutz und Dunkelheit hüllt. Vor sich her sendet er das Licht. Er kennt alle Lebewesen, durch die er hindurchgeht. Er hat einen Stab, mit dem er Verlorenes aufspüren und zurück- holen kann. Er hat riesige Hände, die alles umfassen. Wo er geht, wird Schweres leichter und Verhärtetes biegsamer. Er spricht nicht mit Worten. Er ist da.

Von Katharina Metzger