Autor: Barbara und Martin Robra

13. September

Der HERR ist meine Macht und mein Psalm und ist mein Heil. Psalm 118,14

«Danket dem Herrn, denn er ist freundlich und seine Güte währet ewiglich!» So beginnt Psalm 118 und so endet er: als ein Loblied der Rettung aus Verfolgung, Angst und Not durch die Gnade Gottes. Der Vers ist vertraut. Viele sprechen ihn täglich als Tischgebet. In unserer Familie wird er als Tischsegen am Ende der Mahlzeit gesungen.
Martin Luther baute auf diesen Psalm, der ihn gegen alle Anfechtungen in den freien Raum der Gnade Gottes rief:
«Der Psalm hat sich auch gar oft redlich um mich verdient gemacht und mir aus manchen grossen Nöten geholfen, wo mir sonst kein Kaiser und keine Könige, keine Weisen, Klugen oder Heiligen hätten helfen können.»
Doch hilft er uns heute, uns der lähmenden Angst angesichts von Krieg, Klimakrise, Hunger und Ungerechtigkeit zu stellen? Hilft er uns, eine Hoffnung zu finden, die uns die Mächtigen und Einflussreichen dieser Welt nicht geben können? Wird er für uns heute Sprachschule der Güte und Gnade Gottes auch über das Tischgebet hinaus?
In Luthers Verständnis sprach der Psalm von Christus und dem kommenden Gottesreich als dem verlässlichen Grund der Hoffnung. Darin folgte Luther später Dietrich Bonhoeffer. So wurde im Beten des Psalms Christus ihre Kraft, ihr Lobpreis und ihre Rettung.

Von Barbara und Martin Robra

12. September

Was wir gehört haben und wissen und unsere Väter uns erzählt haben, das wollen wir nicht verschweigen ihren Kindern. Psalm 78,3–4

Kinderbibelwochen in den Schulferien gehören zu unseren schönsten Erinnerungen als Familie. Tag für Tag wurden biblische Geschichten erzählt und erspielt. Es wurde viel gebastelt, gekocht, gegessen, gesungen und am Samstagnachmittag miteinander ein Familiengottesdienst gefeiert. Der Gottesdienst am Sonntagmorgen blieb der Kerngemeinde vorbehalten. Niemand musste sich berufen fühlen, eine quirlige Kinderschar und die jungen und nicht so jungen Erwachsenen, die sie begleiteten, zu ermahnen. «Haben Sie kein leises Brot?» beklagte sich eine Dame, als unsere Tochter in einem sonntäglichen Familiengottesdienst an einem Knäckebrot knabberte. «Frau Leisebrot» war fortan in unserer Familie die Bezeichnung für eine Person, die sich nicht auf Kinder einlassen kann.
Zur Identität einer Gemeinschaft gehört das Narrativ, das sie mit ihrer Vergangenheit verbindet und in ihre Zukunft weist. Einem Traditionsabbruch geht der Verlust der Erzählgemeinschaft gerade auch mit Kindern voraus. Die Thora erinnert deshalb das jüdische Volk immer wieder: «Höre Israel und erzähle die Geschichte deiner Rettung durch Gott immer weiter von Generation zu Generation.» Psalm 78 tut genau das im Auftrag Gottes: «Höre, mein Volk, meine Weisung (Thora)!» (Psalm 78,1)

Von Barbara und Martin Robra

13. Juli

Ich will einige von ihnen, die errettet sind, zu den Völkern senden, wo man nichts von mir gehört hat;   und sie sollen meine Herrlichkeit unter den Völkern verkündigen.            Jesaja 66,19

Jerusalem wird zum Ort des Friedens für die eine Menschheit werden. Herrscher aller Völker werden hinauf zum Berg Zion ziehen, während Boten eines neuen Himmels und einer neuen Erde hinausgehen und in aller Welt Gottes Herrlichkeit verkünden werden.

Darauf hofft der Prophet mitten in der apokalyptischen Wirklichkeit von Krieg und Gewalt, die ihn umgibt. Später wird ein anderer seinen Traum von dem neuen Himmel und der neuen Erde weiterträumen und die Zukunft Gottes im Heute ansagen: der Seher Johannes. Die Vision vom neuen Jerusalem gab vielen Hoffnung und Trost in einer Gegenwart voll bitterer Not und Gewalt.

Wo sind heute die Boten, die Frieden verkündigen auf den Strassen und Plätzen der Hauptstädte dieser Welt? Wer wird die Waffen zum Schweigen bringen, damit wieder Raum für das Leben wird? Wird die Menschheit aufhören, den Krieg zu lernen und dafür Schritte zum Frieden einüben? Wenn das geschieht, wird die Vision vom neuen Himmel und von der neuen Erde Wirklichkeit, auch unter uns.

Von Barbara und Martin Robra

12. Juli

Der HERR ist meine Kraft.                                Habakuk 3,19

Habakuk erlebt, wie die Chaldäer die Assyrer überrennen und selbst die Herrschaft übernehmen. Geschichte – das heisst für Habakuk: Reiche steigen auf, bis sie unter dem Druck einer neuen Macht zusammenbrechen. Ein Reich folgt dem anderen mit immer weiter entwickelter Kriegstechnik und neuen Waffen: Assyrer, Chaldäer, Perser, Seleukiden, Römer … und heute?

Doch Habakuk lernt, in allem Chaos und Leid Spuren der Gegenwart und heilenden Schöpferkraft Gottes zu entdecken. Ohne Wenn und Aber erklärt er am Ende seines Buches: «Der Herr ist meine Kraft.»

Eines Tages, Gott, werden wir deiner Liebe gewiss sein und deine Herrlichkeit schauen. Eines Tages werden Frieden und Gerechtigkeit sich umarmen. Eines Tages wird das Leben über den Tod triumphieren. Denn in der Mitte der Nacht hat dein neuer Tag schon begonnen.

Herr, du bist unsere Kraft. Lass uns Boten deiner neuen Welt sein. Amen.

Von Barbara und Martin Robra

13. Mai

HERR, mein Gott, da ich schrie zu dir, machtest du mich gesund.                                     Psalm 30,3

Der Schrei eines neugeborenen Kindes – ein Schrei nach Luft, nach Leben, nach Liebe. Mit den ersten Atemzügen gewinnt der Schrei an Kraft. Ruhig wird das Kind erst, wenn es Wärme und Geborgenheit findet. Schon bald wird das Kind nach der Mutter und anderen vertrauten Menschen rufen.

«Der Schrei», von Edvard Munch gemalt – ein grausamer Schrei in der Natur, der den Künstler in einer Panikattacke überwältigte. Sensibel nahm er wahr: Das Leiden in der Welt ist zu gross für einen Menschen. Er kann dem Schrei nach Leben und Liebe nicht standhalten. Edvard Munchs Bild wurde so zu einer Ikone der existentiellen Not des gewaltsamen 20. Jahrhunderts.

Der Schrei zu Gott – wer Psalm 30 betet, kennt solche Not, schrie selbst laut auf. Doch dieser Schrei hat ein Gegenüber gefunden. Er verhallt nicht schmerzvoll und ohne Antwort in der Welt. Gott hat gehört und so das Leid geheilt, die Angst überwunden, neues Leben geschenkt. Der Psalm wird David zugeschrieben, der ihn bei der Tempeleinweihung tanzend in Szene gesetzt haben soll – Ausdruck neuer unbändiger Lebensfreude.

Von Babara un Martin Robra

12. Mai

Leben und Wohltat hast du an mir getan, und deine Obhut hat meinen Odem bewahrt.  Hiob 10,12

In Naturkatastrophen und Krieg, in Krankheit, Not und Tod wie Hiob daran festzuhalten, dass Gottes Schöpfermacht das Leben bewahren und erhalten will trotz allem – das fällt schwer.

Die Mütter von uns beiden, Barbara und Martin, sind am Ende des Zweiten Weltkriegs als Flüchtlinge in den Westen Deutschlands gekommen mit schrecklichen Erlebnissen auf der Flucht. Dass wir geboren wurden, verdanken wir ihrem ungebrochenen Lebenswillen und ihrer Hoffnung auf neues Leben, die sie an uns weitergaben: Habt keine Angst! In aller Not und in aller Freude wird euer Leben von Gott gehalten und bewahrt – selbst wenn es zerbricht.

Wir sehen Gesichter von Kindern auf der Flucht. Viele von ihnen sind müde, voller Angst und verzweifelt. Was kann jetzt wichtiger sein, als Frieden zu schliessen und Menschen dabei zu helfen, dass sie Hoffnung schöpfen und neuen Lebensatem finden.

Herr, gib uns deinen Frieden, freien Atem und Vertrauen in deine Schöpferkraft!

Von Barbara und Martin Robra

13. März

Einem König hilft nicht seine grosse Macht;
ein Held kann sich nicht retten durch seine grosse Kraft.

Psalm 33,16

Mit Vers 16 wechselt die Blickrichtung des Psalms und schaut auf die scheinbar Mächtigen dieser Welt: auf «Könige und Helden». Die Stärke der eigenen Armeen oder des eigenen Körpers, die Zahl der Pferde und Streitwagen, kurz, alle Machtmittel, über die Herrscher verfügen, verblassen im Vergleich mit der Schöpfermacht und Gerechtigkeit Gottes. Doch sind sie nicht nur nutzlos, sie untergraben und schwächen die Lebenskräfte der Menschen und Völker.

Im Aufstieg und Abstieg der Mächte mit ihren Schlachten und Kriegen, in den Teufelskreisen von Drohung, Abschreckung, Gewalt und Gegengewalt ist kein Heil – sicherlich auch nicht in einer weiteren Rüstungsspirale mit neuen Waffensystemen und der Aufrüstung des erdnahen Weltraums.

Stimmen wir deshalb ein in die Schlussfolgerung des Psalmgebets: «Unsere Seele harrt auf den HERRN; er ist uns Hilfe und Schild. Denn unser Herz freut sich seiner, und wir trauen auf seinen heiligen Namen. Deine Güte, HERR, sei über uns, wie wir auf dich hoffen.»

Von Barbara und Martin Robra

12. März

Der Himmel ist durch das Wort des HERRN gemacht
und all sein Heer durch den Hauch seines Mundes.

Psalm 33,6

Heute und morgen sind wir eingeladen, in den «Jubel der Gerechten» im Psalm 33 einzustimmen. Es ist sicherlich sehr selten, dass in Herrnhut Verse aus demselben Psalm als Texte für zwei aufeinanderfolgende Tage ausgelost werden.

Vers 6 preist die Schöpferkraft Gottes in Wort und Geist-Atem. Gott  bleibt in dieser Welt gegenwärtig in den «Heerscharen der Engel», die alles Geschaffene durchdringen und beleben. Gemäss dem Prolog des Johannesevangeliums ist Gottes Wort in Christus Mensch geworden. Sein Licht scheint in der Finsternis. Mächte und Gewalten dieser Welt können es nicht auslöschen, auch wenn sie versuchen, dieses Licht mit dem eigenen Schatten zu verdunkeln. In solcher Dunkelheit wachsen Zweifel und Verzweiflung. Die Schatten werden übermächtig in Furcht und Verschwörungstheorien. Umso wichtiger ist es, dass wir das Licht nicht aus dem Auge verlieren, dass wir Gottes Stimme mitten im Lärm der Welt hören und dem lebendigen Wort in Christus vertrauen.

Überwinden wir die Furcht mit dem Lob Gottes! Singen wir die Angst aus uns und aus dieser Welt hinaus! Amen.

Von Barbara und Martin Robra