Schlagwort: Andreas Egli

5. Mai

Ich will die Sünde jenes Landes wegnehmen
an einem einzigen Tag.
Sacharja 3,9

Nach einer sehr schwierigen Zeit gibt es einen neuen Anfang.
Kann man ihm trauen? Das Buch des Propheten Sacharja
gehört in die Zeit nach dem babylonischen Exil. Ein Teil der
Juden ist wieder in die Heimat zurückgekehrt. Sie haben
angefangen, an der Stelle des zerstörten Tempels wieder ein
Gotteshaus aufzubauen. Aber wird das Vorhaben gelingen?
Oder trägt das Land immer noch die Schuld, die zur Verbannung
geführt hat? Sind die Priester immer noch befleckt
durch das Versagen, das ihnen die Propheten vorgeworfen
haben? Die Visionen des Propheten Sacharja machen Mut.
Im Kapitel 3 geht es um den Hohepriester Jehoschua, der
in sein Amt eingesetzt wird. Er soll sein schmutziges Kleid
ausziehen, zum Anziehen bekommt er ein neues Festkleid
und einen schönen Turban. Mit einem anderen Bild beginnt
der Losungsvers. Vor Jehoschua liegt ein Stein, auf dem Gott
selbst etwas Wichtiges eingraviert hat: sieben Augen. Gott
ist nahe, und er hat Augen für sein Volk. «Ja, siehe, der Stein,
den ich vor Jehoschua hingelegt habe: auf einem einzigen
Stein sind sieben Augen. Siehe, ich graviere seine Gravierung
ein. Spruch vom HERRN der Heere.» Und wenn es noch eine
Schuld gab, die das Land von Gott trennte – Gott entfernt
diese Schuld. «Und ich entferne die Schuld jenes Landes an
einem einzigen Tag.»

Von: Andreas Egli

4. Mai

Meine Zunge soll singen von deinem Wort;
denn alle deine Gebote sind gerecht.
Psalm 119,172

Im Psalm 119 steht jeder Satz für sich, sodass man einzeln
darüber meditieren kann. Immer geht es um das göttliche
Wort, das in Israel gehört und in der Thora schriftlich festgehalten
wurde. Wie ist es, als glaubender Mensch mit diesem
Wort zu leben? Der Psalm ist wie ein bunt gewobener
Teppich, dieselben Stichworte kommen immer wieder vor.
Trotz seiner Länge hat der Psalm eine klare Gliederung. Acht
Verse bilden jeweils eine Strophe, denn sie beginnen mit
dem gleichen Buchstaben des hebräischen Alphabets. Die
Strophen bestehen oft aus zwei Hälften. So haben die Verse
169 bis 172 ein gemeinsames Thema. Auf das göttliche Wort
gibt der Mensch seine Antwort – aber in ganz unterschiedlicher
Weise: mit einem Klageruf, mit einer flehenden Bitte,
mit einem sprudelnden Lob, mit einem Lied. «Singen wird
meine Zunge von deinem Wort, denn alle deine Gebote sind
gerecht.» Das hebräische Wort am Anfang des Losungsverses
kann verschiedene Bedeutungen haben. Eher selten,
aber an wichtigen Stellen wird es mit «singen» übersetzt.
Geläufiger ist die Bedeutung «antworten». Der Gedanke
ist: Das göttliche Wort kommt zu seiner Wirkung, wenn der
Mensch darauf reagiert. Und wenn er dabei seine eigenen
Sprechwerkzeuge braucht: in einem Gebet, in einem Dialog,
in einem Wechselgesang.

Von: Andreas Egli

5. März

Wenn der HERR spricht, so geschieht’s; wenn er gebietet, so steht’s da. Psalm 33,9

Der Psalm meditiert über Gottes Güte – seine Solidarität
und Loyalität zu den Menschen. Wie der Schöpfungstext im
ersten Kapitel der Bibel sagt, zeigt Gott auf zwei Arten, dass
er es gut meint mit der Welt. Mit seinem Wort ruft er die
Geschöpfe ins Dasein, mit seinem Blick hält er die Beziehung
zu ihnen aufrecht. Am Anfang jedes Schöpfungswerks steht
ein Wort. «Und Gott sprach: Es werde Licht. Und es wurde
Licht.» Der erste Teil des Psalms, zu dem auch das Losungswort
gehört, fasst dies zusammen: «Durch das Wort des
HERRN wurden die Himmel gemacht, und durch den Atem
seines Mundes ihr ganzes Heer.» (Vers 6) Am Ende jedes
Schöpfungsabschnitts blickt Gott mit Wohlwollen auf das,
was er geschaffen hat. «Und Gott sah alles, was er gemacht
hatte. Und siehe, es ist sehr gut.» Der zweite Teil des Psalms
betont, dass dieser gütige Blick weiterhin gilt: «Vom Himmel
her blickt der HERR, er sieht alle einzelnen Menschen. Vom
Platz, wo er wohnt, schaut er auf alle, die auf der Erde wohnen.
» (Verse 13–14) Erfahrbar ist Gottes Güte für jene, die
auf sein Wort hören und seinen Blick erwidern. So bleiben
sie ausgerichtet auf Gott und hoffen auf seine Solidarität:
«Siehe, das Auge des HERRN ist auf die gerichtet, die Ehrfurcht
vor ihm haben, die auf seine Güte warten.» (Vers 18)

Von: Andreas Egli

4. März

Die Worte des HERRN sind lauter wie Silber, im Tiegel geschmolzen, geläutert siebenmal. Psalm 12,7

Über wertlose Worte beklagt sich der Psalmbeter. Die
«aalglatten Lippen» sind schmeichlerisch, heuchlerisch,
trügerisch. Da machen Menschen viele Worte, aber sie denken
etwas ganz anderes, als sie sagen. «Wertloses reden sie
miteinander, aalglatte Lippen. Mit zweierlei Herz reden sie.
Ausrotten soll der HERR alle aalglatten Lippen, die Zunge,
die grosse Dinge redet.» (Verse 3–4) Harmlos sind die vielen
Worte nicht, sondern eine Waffe der Mächtigen. Solidarität
und Wahrheit bleiben dabei auf der Strecke. Darunter
leiden die Menschen, die auf der Schattenseite des Lebens
stehen. In der Mitte des Psalms ist der Gegensatz gross. Nun
spricht Gott selbst und stellt sich auf die Seite der Armen:
«Wegen der Gewalt gegen die Armen, wegen des Seufzens
der Elenden – jetzt stehe ich auf, sagt der HERR. In Freiheit
setze ich den, gegen den man schnaubt.» (Vers 6) Auf dieses
Gotteswort bezieht sich der Losungsvers und unterstreicht,
wie kostbar es ist. Nur mit dem wertvollsten Edelmetall kann
man es vergleichen: mit reinem Silber, das in der Natur mit
anderen Materialien vermischt ist, aber durch einen mehrstufigen
Schmelz- und Reinigungsprozess gewonnen wird.
«Die Worte des HERRN sind reine Worte, Silber geschmolzen
im Schmelztiegel zur Erde hin, verfeinert siebenmal.»

Von: Andreas Egli

5. Januar

Der HERR spricht: Wem ich gnädig bin, dem bin ich gnädig, und wessen ich mich erbarme, dessen erbarme ich mich.          2. Mose 33,19

Mose bleibt ein Mensch. Zwar hat er eine besondere Nähe zu Gott. Den Bund mit Gott, der gebrochen wurde, kann er erneuern. Aber sein Wunsch, dass er Gottes Herrlichkeit sehen darf, wird ihm nicht erfüllt. Ein Bild von Gott, das man dauerhaft anschauen könnte, gibt es eben nicht.

Möglich sind andere Arten, von Gott etwas wahrzunehmen. Der Text führt dies in verschiedenen Durchgängen aus. Gott zeigt seine Güte, aber nur «im Vorbeigehen». Gott nennt seinen Namen, mit dem man ihn anrufen kann. Gott schenkt seine liebevolle Zuwendung und sein barmherziges Mitgefühl. Aber er bleibt frei in der Entscheidung, wem er diese Zuneigung gibt. Und nochmals erscheint das Bild vom Vorbeigehen: Mose muss sich in einer Felsspalte verstecken, während Gott vorbeigeht. Gottes Angesicht kann er nicht sehen. Erst «hinterher», erst «im Nachhinein» kann er von Gott etwas erkennen. Erst im Rückblick kann ein Mensch sagen: Da habe ich von Gottes Zuwendung und von seinem Mitgefühl etwas gespürt. «Er sprach: Ich selbst werde alle meine Güte vor deinem Gesicht vorbeigehen lassen. Und ich werde den Namen JHWH vor deinem Gesicht ausrufen. Ich zeige meine Gnade dem, dem ich meine Gnade zeige. Und ich zeige mein Mitgefühl dem, dem ich mein Mitgefühl zeige.»

Von Andreas Egli

4. Januar

Sei mir gnädig, Gott, sei mir gnädig! Denn auf dich traut meine Seele.                
Psalm 57,2

Mit einem Morgenlied beginnt der Betende den neuen Tag. Zwar kennt er Situationen, vor denen er sich fürchtet. Er findet im Psalm Worte für sie und will ihnen nicht ausweichen. Ein Unglück, das ihn getroffen hat, ist vielleicht noch nicht vorbei. Manchmal gibt es Mitmenschen, die ihm vorkommen wie Raubtiere. Oder wie Feinde, die ihm eine Grube graben wollen – und dann selbst hineinfallen. Aber das Gebet hilft, nicht in dunklen Gedanken gefangen zu bleiben, sondern die Augen für das Licht zu öffnen.
Der Psalmbeter wendet sich mit der Bitte an Gott: Zeige mir deine wohlwollende Zuneigung. Lass deine Gnade bei mir leuchten, wie das Morgenlicht des neuen Tages aufstrahlt. Mit einem starken Bild drückt er sein Vertrauen zu Gott aus: Bei dir finde ich einen geschützten Raum. Wie ein junger Vogel sich geborgen fühlt beim Muttertier, das seine grossen Flügel über ihm ausstreckt. «Sei mir gnädig, Gott. Sei mir gnädig. Denn bei dir findet meine Seele Schutz. Im Schatten deiner Flügel finde ich Schutz, bis das Unglück vorbeigeht.»

All Morgen ist ganz frisch und neu, des Herren Gnad und grosse Treu, sie hat kein End den langen Tag, drauf jeder sich verlassen mag.

Von Andreas Egli