Meine Zunge soll singen von deinem Wort;
denn alle deine Gebote sind gerecht.
Psalm 119,172

Im Psalm 119 steht jeder Satz für sich, sodass man einzeln
darüber meditieren kann. Immer geht es um das göttliche
Wort, das in Israel gehört und in der Thora schriftlich festgehalten
wurde. Wie ist es, als glaubender Mensch mit diesem
Wort zu leben? Der Psalm ist wie ein bunt gewobener
Teppich, dieselben Stichworte kommen immer wieder vor.
Trotz seiner Länge hat der Psalm eine klare Gliederung. Acht
Verse bilden jeweils eine Strophe, denn sie beginnen mit
dem gleichen Buchstaben des hebräischen Alphabets. Die
Strophen bestehen oft aus zwei Hälften. So haben die Verse
169 bis 172 ein gemeinsames Thema. Auf das göttliche Wort
gibt der Mensch seine Antwort – aber in ganz unterschiedlicher
Weise: mit einem Klageruf, mit einer flehenden Bitte,
mit einem sprudelnden Lob, mit einem Lied. «Singen wird
meine Zunge von deinem Wort, denn alle deine Gebote sind
gerecht.» Das hebräische Wort am Anfang des Losungsverses
kann verschiedene Bedeutungen haben. Eher selten,
aber an wichtigen Stellen wird es mit «singen» übersetzt.
Geläufiger ist die Bedeutung «antworten». Der Gedanke
ist: Das göttliche Wort kommt zu seiner Wirkung, wenn der
Mensch darauf reagiert. Und wenn er dabei seine eigenen
Sprechwerkzeuge braucht: in einem Gebet, in einem Dialog,
in einem Wechselgesang.

Von: Andreas Egli