Schlagwort: Andreas Egli

5. September

Ich tilge deine Missetat wie eine Wolke und
deine Sünden wie den Nebel. Kehre dich zu mir, denn
ich erlöse dich!
Jesaja 44,22

Plötzlich wird es für das Volk Israel leicht, neu anzufangen.
Propheten wie Jesaja hatten seinerzeit die Zustände
kritisiert,
die von Unrecht geprägt waren. Später halfen ihre
Worte, den Untergang des eigenen Staates zu verarbeiten.
Dass Jerusalem von den Babyloniern erobert wurde, bedeutete
nicht, der Gott Israels habe versagt. Vielmehr sollte das
Volk anfangen, seine eigene Verantwortung zu erkennen.
Im zweiten Teil des Jesajabuchs sind die Worte eines neuen
Propheten zu hören, der in der Zeit des babylonischen Exils
wirkte. Er spricht davon, dass Gott die Schuld vergibt und
dem Volk einen neuen Anfang ermöglicht. Als Bild nimmt er
eine Wolke, die am Morgen rasch vom Himmel verschwindet,
wenn die Sonne aufgeht. Genauso leicht fällt es Gott,
die Fehler des Volkes wegzuwischen. Die Beziehung zu Gott,
die zum Erbe von Israel gehört, wird wiederhergestellt.
«Weggewischt
habe ich deine Verbrechen wie Gewölk und
wie eine Wolke deine Sünden. Kehre zu mir zurück, denn
ich habe dich für mich freigekauft.» Israel kam in seiner
Geschichte auf einem harten Weg zur Erkenntnis, dass Gott
Sünden vergibt. Durch Jesus Christus sind auch Menschen
aus anderen Völkern dazu gelangt, an den Gott zu glauben,
der «barmherzig und gnädig» ist.

Von: Andreas Egli

4. September

Mein Gott, betrübt ist meine Seele in mir,
darum gedenke ich an dich.
Psalm 42,7

Betrübt oder deprimiert ist ein Mensch in diesem Gebet,
und er erlebt eine Zeit, in der Gott für sein Empfinden weit
entfernt ist. Der grosse Abstand wird mit einem Vergleich
aus der Geografie ausgedrückt. Das Hermongebirge lag ganz
im Norden, an der Grenze des Gebiets von Israel. Von dort
war es ein weiter Weg bis zu einem anderen Berg, der zwar
weniger hoch, aber für den Glauben viel wichtiger war. Auf
dem Berg Zion in Jerusalem war Gott für die Gläubigen
gegenwärtig, wenn sie zum Tempel kamen. Aber dort war
der Betende schon lange nicht mehr. «Mein Gott, über mir
ist meine Seele niedergedrückt. Deshalb will ich mich an dich
erinnern – vom Lande des Jordan und des Hermongebirges
her, vom kleinen Berg.» Der Psalm spricht von zwei Haltungen,
welche helfen, die Zeit der Gottesferne zu ertragen. Die
eine ist die dankbare Erinnerung. Der Mensch richtet seine
Gedanken auf Gott und auf das, was er mit ihm erfahren
hat. Die andere Haltung ist die hoffnungsvolle Erwartung.
Der Mensch macht sich bewusst, was er von Gott erhofft.
«Was bist du niedergedrückt, meine Seele? Und was lärmst
du in mir? Warte auf Gott. Denn ich werde ihn wieder preisen
– meine Hilfe und mein Gott.» (Refrain Vers 12) In der
Erinnerung und in der Erwartung findet der Glaube Kraft
für die Gegenwart.

Von: Andreas Egli

5. Juli

Ich, der HERR, wandle mich nicht. Maleachi 3,6

Das Prophetenwort ist eine Diskussion zwischen Gott und
seinem Volk. Konkret geht es um den Zehnten – Bauern
sollen einen Zehntel ihres Ertrags in den Tempel bringen. Im
Hintergrund steht die grundsätzliche Frage, welchen Sinn
die Gebote haben. Gott hat den Anfang gemacht, indem
er den Menschen seinen Segen gibt – Leben im Überfluss.
Als dankbare Antwort sollen die Menschen ein wenig von
diesem Reichtum an Gott zurückgeben – oder an Mitmenschen
weitergeben. Was ist, wenn der Kreislauf von Segen
und Dankbarkeit ins Stocken geraten ist? Gott wirbt dafür,
dass das Volk zu ihm zurückkehrt. Denn er bleibt dabei, dass
er seinen Segen geben will. «Denn ich, der HERR, habe mich
nicht geändert.» – Gott: «Seit den Tagen eurer Väter seid ihr
von meinen Regeln abgewichen und habt sie nicht gehalten.
Kehrt zurück zu mir, und ich kehre zurück zu euch.» – Volk:
«Wie sollen wir zurückkehren?» – Gott: «Darf ein Mensch
Gott betrügen? Ja, ihr betrügt mich.» – Volk: «Womit haben
wir dich betrogen?» – Gott: «Der Zehnte und die Abgabe.
Mit einem Fluch seid ihr verflucht. Und ihr betrügt mich,
das ganze Volk.»
«Bringt den ganzen Zehnten ins Schatzhaus, dann wird
Nahrung in meinem Haus sein. Und prüft mich doch damit,
ob ich nicht die Fenster des Himmels für euch öffne und für
euch Segen ausschütte bis zum Überfluss.»

Von: Andreas Egli

4. Juli

Wer festen Herzens ist, dem bewahrst du Frieden;
denn er verlässt sich auf dich.
Jesaja 26,3

In schwierigen Zeiten stimmt der Text schon ein Siegeslied
an. Er entwirft ein Hoffnungsbild, das der Stadt Jerusalem
Frieden und Sicherheit verspricht. Sichtbare Merkmale
des Friedens sind die Bauwerke, mit denen die Stadt gegen
äussere Feinde abgesichert sein wird: Stadtmauern, Befestigungsanlagen,
Stadttore. «An jenem Tag wird man dieses
Lied singen im Land Juda: Wir haben eine starke Stadt.
Zur Rettung stellt er die Mauern und den Festungswall hin.
Öffnet die Tore! Dann wird die gerechte Nation einziehen,
welche die Treue bewahrt.» (Verse 1–2) Aber es gibt auch
eine unsichtbare Seite, von welcher der Friede ebenso sehr
abhängt. Was sind die Gedanken, welche die Menschen in
ihrem Inneren formen? Haben sie eine gute und bewährte
Grundlage? Was ist das Vertrauen, das den Menschen einen
letzten Halt gibt? Verlässt es sich darauf, dass Gott treu
ist? «Wer festen Sinn hat, dem bewahrst du Frieden. Frieden,
denn auf dich vertraut er. Vertraut auf den HERRN für
immer. Denn Jah, der HERR, ist ein ewiger Fels.» (Verse 3–4)
Das gleiche Hoffnungsbild erscheint wieder im letzten Buch
der Bibel. Das «neue Jerusalem» ist der Ort, an dem Gott mit
seinem Frieden gegenwärtig ist (Offenbarung 21). Menschen,
deren Vertrauen erschüttert ist, sollen durch diese Hoffnung
gestärkt werden.

Von: Andreas Egli

5. Mai

Ich will die Sünde jenes Landes wegnehmen
an einem einzigen Tag.
Sacharja 3,9

Nach einer sehr schwierigen Zeit gibt es einen neuen Anfang.
Kann man ihm trauen? Das Buch des Propheten Sacharja
gehört in die Zeit nach dem babylonischen Exil. Ein Teil der
Juden ist wieder in die Heimat zurückgekehrt. Sie haben
angefangen, an der Stelle des zerstörten Tempels wieder ein
Gotteshaus aufzubauen. Aber wird das Vorhaben gelingen?
Oder trägt das Land immer noch die Schuld, die zur Verbannung
geführt hat? Sind die Priester immer noch befleckt
durch das Versagen, das ihnen die Propheten vorgeworfen
haben? Die Visionen des Propheten Sacharja machen Mut.
Im Kapitel 3 geht es um den Hohepriester Jehoschua, der
in sein Amt eingesetzt wird. Er soll sein schmutziges Kleid
ausziehen, zum Anziehen bekommt er ein neues Festkleid
und einen schönen Turban. Mit einem anderen Bild beginnt
der Losungsvers. Vor Jehoschua liegt ein Stein, auf dem Gott
selbst etwas Wichtiges eingraviert hat: sieben Augen. Gott
ist nahe, und er hat Augen für sein Volk. «Ja, siehe, der Stein,
den ich vor Jehoschua hingelegt habe: auf einem einzigen
Stein sind sieben Augen. Siehe, ich graviere seine Gravierung
ein. Spruch vom HERRN der Heere.» Und wenn es noch eine
Schuld gab, die das Land von Gott trennte – Gott entfernt
diese Schuld. «Und ich entferne die Schuld jenes Landes an
einem einzigen Tag.»

Von: Andreas Egli

4. Mai

Meine Zunge soll singen von deinem Wort;
denn alle deine Gebote sind gerecht.
Psalm 119,172

Im Psalm 119 steht jeder Satz für sich, sodass man einzeln
darüber meditieren kann. Immer geht es um das göttliche
Wort, das in Israel gehört und in der Thora schriftlich festgehalten
wurde. Wie ist es, als glaubender Mensch mit diesem
Wort zu leben? Der Psalm ist wie ein bunt gewobener
Teppich, dieselben Stichworte kommen immer wieder vor.
Trotz seiner Länge hat der Psalm eine klare Gliederung. Acht
Verse bilden jeweils eine Strophe, denn sie beginnen mit
dem gleichen Buchstaben des hebräischen Alphabets. Die
Strophen bestehen oft aus zwei Hälften. So haben die Verse
169 bis 172 ein gemeinsames Thema. Auf das göttliche Wort
gibt der Mensch seine Antwort – aber in ganz unterschiedlicher
Weise: mit einem Klageruf, mit einer flehenden Bitte,
mit einem sprudelnden Lob, mit einem Lied. «Singen wird
meine Zunge von deinem Wort, denn alle deine Gebote sind
gerecht.» Das hebräische Wort am Anfang des Losungsverses
kann verschiedene Bedeutungen haben. Eher selten,
aber an wichtigen Stellen wird es mit «singen» übersetzt.
Geläufiger ist die Bedeutung «antworten». Der Gedanke
ist: Das göttliche Wort kommt zu seiner Wirkung, wenn der
Mensch darauf reagiert. Und wenn er dabei seine eigenen
Sprechwerkzeuge braucht: in einem Gebet, in einem Dialog,
in einem Wechselgesang.

Von: Andreas Egli

5. März

Wenn der HERR spricht, so geschieht’s; wenn er gebietet, so steht’s da. Psalm 33,9

Der Psalm meditiert über Gottes Güte – seine Solidarität
und Loyalität zu den Menschen. Wie der Schöpfungstext im
ersten Kapitel der Bibel sagt, zeigt Gott auf zwei Arten, dass
er es gut meint mit der Welt. Mit seinem Wort ruft er die
Geschöpfe ins Dasein, mit seinem Blick hält er die Beziehung
zu ihnen aufrecht. Am Anfang jedes Schöpfungswerks steht
ein Wort. «Und Gott sprach: Es werde Licht. Und es wurde
Licht.» Der erste Teil des Psalms, zu dem auch das Losungswort
gehört, fasst dies zusammen: «Durch das Wort des
HERRN wurden die Himmel gemacht, und durch den Atem
seines Mundes ihr ganzes Heer.» (Vers 6) Am Ende jedes
Schöpfungsabschnitts blickt Gott mit Wohlwollen auf das,
was er geschaffen hat. «Und Gott sah alles, was er gemacht
hatte. Und siehe, es ist sehr gut.» Der zweite Teil des Psalms
betont, dass dieser gütige Blick weiterhin gilt: «Vom Himmel
her blickt der HERR, er sieht alle einzelnen Menschen. Vom
Platz, wo er wohnt, schaut er auf alle, die auf der Erde wohnen.
» (Verse 13–14) Erfahrbar ist Gottes Güte für jene, die
auf sein Wort hören und seinen Blick erwidern. So bleiben
sie ausgerichtet auf Gott und hoffen auf seine Solidarität:
«Siehe, das Auge des HERRN ist auf die gerichtet, die Ehrfurcht
vor ihm haben, die auf seine Güte warten.» (Vers 18)

Von: Andreas Egli

4. März

Die Worte des HERRN sind lauter wie Silber, im Tiegel geschmolzen, geläutert siebenmal. Psalm 12,7

Über wertlose Worte beklagt sich der Psalmbeter. Die
«aalglatten Lippen» sind schmeichlerisch, heuchlerisch,
trügerisch. Da machen Menschen viele Worte, aber sie denken
etwas ganz anderes, als sie sagen. «Wertloses reden sie
miteinander, aalglatte Lippen. Mit zweierlei Herz reden sie.
Ausrotten soll der HERR alle aalglatten Lippen, die Zunge,
die grosse Dinge redet.» (Verse 3–4) Harmlos sind die vielen
Worte nicht, sondern eine Waffe der Mächtigen. Solidarität
und Wahrheit bleiben dabei auf der Strecke. Darunter
leiden die Menschen, die auf der Schattenseite des Lebens
stehen. In der Mitte des Psalms ist der Gegensatz gross. Nun
spricht Gott selbst und stellt sich auf die Seite der Armen:
«Wegen der Gewalt gegen die Armen, wegen des Seufzens
der Elenden – jetzt stehe ich auf, sagt der HERR. In Freiheit
setze ich den, gegen den man schnaubt.» (Vers 6) Auf dieses
Gotteswort bezieht sich der Losungsvers und unterstreicht,
wie kostbar es ist. Nur mit dem wertvollsten Edelmetall kann
man es vergleichen: mit reinem Silber, das in der Natur mit
anderen Materialien vermischt ist, aber durch einen mehrstufigen
Schmelz- und Reinigungsprozess gewonnen wird.
«Die Worte des HERRN sind reine Worte, Silber geschmolzen
im Schmelztiegel zur Erde hin, verfeinert siebenmal.»

Von: Andreas Egli

5. Januar

Der HERR spricht: Wem ich gnädig bin, dem bin ich gnädig, und wessen ich mich erbarme, dessen erbarme ich mich.          2. Mose 33,19

Mose bleibt ein Mensch. Zwar hat er eine besondere Nähe zu Gott. Den Bund mit Gott, der gebrochen wurde, kann er erneuern. Aber sein Wunsch, dass er Gottes Herrlichkeit sehen darf, wird ihm nicht erfüllt. Ein Bild von Gott, das man dauerhaft anschauen könnte, gibt es eben nicht.

Möglich sind andere Arten, von Gott etwas wahrzunehmen. Der Text führt dies in verschiedenen Durchgängen aus. Gott zeigt seine Güte, aber nur «im Vorbeigehen». Gott nennt seinen Namen, mit dem man ihn anrufen kann. Gott schenkt seine liebevolle Zuwendung und sein barmherziges Mitgefühl. Aber er bleibt frei in der Entscheidung, wem er diese Zuneigung gibt. Und nochmals erscheint das Bild vom Vorbeigehen: Mose muss sich in einer Felsspalte verstecken, während Gott vorbeigeht. Gottes Angesicht kann er nicht sehen. Erst «hinterher», erst «im Nachhinein» kann er von Gott etwas erkennen. Erst im Rückblick kann ein Mensch sagen: Da habe ich von Gottes Zuwendung und von seinem Mitgefühl etwas gespürt. «Er sprach: Ich selbst werde alle meine Güte vor deinem Gesicht vorbeigehen lassen. Und ich werde den Namen JHWH vor deinem Gesicht ausrufen. Ich zeige meine Gnade dem, dem ich meine Gnade zeige. Und ich zeige mein Mitgefühl dem, dem ich mein Mitgefühl zeige.»

Von Andreas Egli

4. Januar

Sei mir gnädig, Gott, sei mir gnädig! Denn auf dich traut meine Seele.                
Psalm 57,2

Mit einem Morgenlied beginnt der Betende den neuen Tag. Zwar kennt er Situationen, vor denen er sich fürchtet. Er findet im Psalm Worte für sie und will ihnen nicht ausweichen. Ein Unglück, das ihn getroffen hat, ist vielleicht noch nicht vorbei. Manchmal gibt es Mitmenschen, die ihm vorkommen wie Raubtiere. Oder wie Feinde, die ihm eine Grube graben wollen – und dann selbst hineinfallen. Aber das Gebet hilft, nicht in dunklen Gedanken gefangen zu bleiben, sondern die Augen für das Licht zu öffnen.
Der Psalmbeter wendet sich mit der Bitte an Gott: Zeige mir deine wohlwollende Zuneigung. Lass deine Gnade bei mir leuchten, wie das Morgenlicht des neuen Tages aufstrahlt. Mit einem starken Bild drückt er sein Vertrauen zu Gott aus: Bei dir finde ich einen geschützten Raum. Wie ein junger Vogel sich geborgen fühlt beim Muttertier, das seine grossen Flügel über ihm ausstreckt. «Sei mir gnädig, Gott. Sei mir gnädig. Denn bei dir findet meine Seele Schutz. Im Schatten deiner Flügel finde ich Schutz, bis das Unglück vorbeigeht.»

All Morgen ist ganz frisch und neu, des Herren Gnad und grosse Treu, sie hat kein End den langen Tag, drauf jeder sich verlassen mag.

Von Andreas Egli