Autor: Heidi Berner

25. September

Der HERR wird deinen Fuss nicht gleiten lassen, und der dich behütet, schläft nicht. Psalm 121,3

Es wäre ja so schön und tröstlich,
wenn wir darauf vertrauen könnten,
dass wir alle behütet sind,
dass wir auf unseren Wegen
einen festen Grund haben,
nicht gleiten, nicht stürzen.

Schon haben wir uns daran gewöhnt,
dass ein mörderischer Krieg ist in Europa.
Die Anfangshoffnung, er könnte
bald zu Ende sein, weil nicht sein kann,
was nicht sein darf, hat sich aufgelöst.
Täglich lesen wir von Menschen,
die offenbar nicht behütet sind,
die stürzen, die alles verlieren.
Täglich lesen wir von brutaler Gewalt,
von Tätern, die abgleiten vom Guten,
die selber Opfer sind ihres Systems,
Befehle ausführen müssen.

«Ich soll mich nicht gewöhnen»,
schrieb Erich Fried in einem Gedicht.
Ich will mich nicht an die Gewalt gewöhnen
und trotzig glauben, dass wir alle behütet
und dass Versöhnung und Frieden möglich sind.

Von Heidi Berner

24. September

Du sprichst: Ich bin reich und habe mehr als genug und brauche nichts!, und weisst nicht, dass du elend und jämmerlich bist, arm, blind und bloss. Ich rate dir, dass du Gold von mir kaufst, das im Feuer geläutert ist, damit du reich werdest, und weisse Kleider, damit du sie anziehst und die Schande deiner Blösse nicht offenbar werde, und Augensalbe, deine Augen zu salben, damit du sehen mögest. Offenbarung 3,17–18

Es gibt diese bequeme Haltung,
ja nichts zu verändern.
Ich habe mich schlecht und recht
eingerichtet in meinem Leben.
Ich bin auf eine Art bedürfnislos,
die ein wenig «tötelet».
Solche Selbstzufriedenheit ist fast
ein wenig wie die Resignation,
die lähmt und die mich trennt
von der Sehnsucht nach mehr.
Mehr Wahrheit, mehr Beziehungen,
mehr volles pralles Leben.
Wo aber gibt es diese Augensalbe,
die meine Blindheit kuriert und mir hilft,
meine Blösse und Armut zu sehen?
Ein Wechsel der Perspektive
könnte mir die Augen öffnen.
Weniger ich, ich, ich. Mehr du. Mehr wir.

Von Heidi Berner

25. Juli

Die Apostel sprachen zu dem Herrn: Stärke uns den Glauben!                                          Lukas 17,5

Stärke uns den Glauben,

dass es nicht um Dogmen geht,

nicht um das Fürwahrhalten v

on Ereignissen, die den

Naturgesetzen und der Vernunft

offensichtlich widersprechen,

dass es nicht um das Jenseits

geht, sondern um das Leben

im Diesseits, hier und jetzt

auf diesem fragilen Planeten,

auf dem einige wieder einmal

in Gedanken den Atomkrieg

durchspielen, bis zum bitteren Ende.

Stärke uns den Glauben

an andere Gedankenspiele,

in denen es um Frieden

und Versöhnung geht

und um Gerechtigkeit,

an Visionen vom guten Willen

der allermeisten Menschen.

Stärke uns den Glauben

an die Liebe, die – wider alle Vernunft –

Hass und Angst überwindet.

Stärke uns den Glauben.

Von Heidi Berner

24. Juli

Dennoch soll die Stadt Gottes fein lustig bleiben  mit ihren Brünnlein, da die heiligen Wohnungen des Höchsten sind. Gott ist bei ihr drinnen, darum  wird sie fest bleiben.        Psalm 46,5–6

Lustig – so nehme ich an,

ist kein Wort, das häufig

im Buch der Bücher auftritt.

Zusammen mit den Brünnlein

ergibt sich eine heitere Note,

die mich richtig fröhlich stimmt.

Aber, o Schreck –

in anderen Versionen der Verse

ist nichts mit Brünnlein,

nichts mit fein lustig.

Wie schön also, dass gerade

diese Übersetzung

in den Losungen steht!

Wie sehr braucht die Welt

gerade jetzt freundliche Orte,

wo Brünnlein sprudeln, wo

diese Lebenskraft, die

wir Gott nennen, wohnt.

Wie sehr wünsche ich mir,

dass sie auch dort einzieht,

wo fertig lustig ist.

Ja – dort erst recht.

Von Heidi Berner

25. Mai

Es ist ein Gott und ein Mittler zwischen Gott und den Menschen, nämlich der Mensch Christus Jesus, der sich selbst gegeben hat als Lösegeld für  alle. 1. Timotheus 2,5–6

Die Währung dieses Lösegelds,

ist nicht von unserer Business-Welt.

Sein Wert ist Menschlichkeit und Liebe.

Gerade jetzt – in dieser Krise –

hat es Konjunktur und ist nötiger denn je.

Inmitten all des Schreckens gibt es

kleine Hoffnungsschimmer.

Wenn Menschen, unbewaffnet, Panzer stoppen,

wenn sie an Demos Friedenslieder singen,

dann hat das eine Kraft, die stärker

ist als Hass und Angst.

Gewiss, der Preis ist hoch,

auch heute noch bezahlen viele

– nicht mal eine Meldung wert –

das Lösegeld mit ihrem Leben.

Resignation jedoch wäre ein Bankrott des Glaubens.

Die Hymne der Ukraine, gespielt auf unserer Orgel,

die mich per SMS erreicht – berührt mich sehr,

denn auch sie ist ein Protest gegen das Verzweifeln und –

so glaube ich – ein trotziges Gebet.

Give peace a chance!

Geben wir dem Frieden eine Chance!

Von Heidi Berner

24. Mai

HERR, zürne nicht so sehr und gedenke nicht ewig der Sünde! Sieh doch an, dass wir dein Volk  sind! Jesaja 64,8

Jetzt, wo ich das schreibe,

am 3. März, herrscht Krieg.

Niemand bot dem Herrn

im Kreml Einhalt, niemand

traute sich, sein zorniges Spiel

zu durchkreuzen, sich

zu widersetzen seinen

wahnhaften Tischordnungen,

seiner Absicht, mit Gewalt

neue Fakten zu schaffen.

Welche  Zerstörung,

welcher Hass, welche Angst!

Aber auch:

Überwältigende Zeichen

der Anteilnahme weltweit!

Sünde ist ein anderes Wort

für die Trennung von der Liebe.

Wir sind das Menschenvolk.

Und wir sind beteiligt,

haben nur zugeschaut,

nicht verhindert.

Was hätten wir tun können?

Ist Aufrüsten wirklich die Lösung?

Von Heidi Berner

25. März

Es ist über alle derselbe Herr, reich für alle, die ihn anrufen.
Römer 10,12

Niederschwellig, wie bei der Nr. 143,
der Dargebotenen Hand,
ist es, dich anzurufen.
Es braucht weder Handy noch Festnetz,
nur den Mut, sich einzulassen
auf das Abenteuer des Glaubens.
Du befreist uns
aus der Selbstbezogenheit,
öffnest uns so auch für andere.

Die Menschheitsgeschichte ist voll
von Spuren der Beziehungen zu dir –
eine Erbsubstanz, die wir mit uns tragen
und weitergeben können,
in ihrem bunten Reichtum,
mit ihren Widersprüchen.

Wo immer Menschen dich anrufen,
dich in die Welt hinein glauben
und wahr werden lassen,
wird deine Wahrheit wachsen
und gedeihen in unserer Welt,
in deiner Welt.

Von Heidi Berner

24. März

Ich denke an die früheren Zeiten; ich sinne nach über all deine Taten und spreche von den Werken deiner Hände.        
Psalm 143,5

Es zeichnet ja uns Menschen aus,
dass wir seit Urzeit Werkzeug nutzen,
viel mehr als Tiere es je tun.
Und dies gilt nicht nur für Materielles,
sondern ebenso für das,
was uns in unserem Leben
sonst noch widerfährt.
Mit unseren Erfahrungen
– eigenen und fremden –
und auch mit Geschichten
sammeln wir im Lauf der Jahre
Werkzeuge für viele Lebenslagen.
Wenn wir dann in Schwierigkeiten stecken,
denken wir – vielleicht – an frühere Zeiten,
erinnern uns, was einst geholfen hat,
uns selber oder anderen.
Viel steckt in unseren Werkzeugkisten:
Vertrauen, Zuversicht, Geduld,
Gelassenheit, Lebensfreude und Humor.
Und in gutsortierten Kisten
sind gewiss auch diese drei:
Glaube, Hoffnung, Liebe.

Von Heidi Berner

25. Januar

Gott hat uns nicht bestimmt zum Zorn,
sondern dazu, die Seligkeit zu besitzen  
durch
unsern Herrn Jesus Christus.         
1. Thessalonicher 5,9

Ein winziges Virus veranlasste weltweit
Staaten dazu, Notrecht zu verordnen,
unter Androhung von harten Strafen.
Denn wenn zu viele erkranken,
funktionieren Wirtschaft, Politik, Bildung
und Kultur nicht mehr,
werden die Spitäler überlastet,
kommen Krematorien an den Anschlag.
Volkswirtschaftlich, nüchtern und sachlich
ist das alles korrekt und es ist sinnvoll,
die Coronaregeln zu beachten. Und doch stockt mir der Atem,
so lieblos zornig sind die Argumente.
Wir könnten das Gute ja auch tun
– nicht nur in der Pandemie –,
weil es uns glücklich macht.
In der Bergpredigt hat Jesus
die Wege zum Glück – zur Seligkeit –
bildreich aufgezeigt. So radikal liebevoll,
dass einem der Atem stocken könnte.
Wir befolgen die Coranaregeln doch,
weil wir uns und andere schützen und
weil wir möglichst glücklich leben wollen.

Von Heidi Berner

24. Januar

Spräche ich: Finsternis möge mich decken und Nacht statt Licht um mich sein, so wäre auch Finsternis nicht finster bei dir, und die Nacht leuchtete wie der Tag. Psalm 139,1–2

Es gibt Orte, da leuchtet die Nacht
wie der Tag: Lichtverschmutzung.
Die Nacht ist biologisch wichtig.
Sie gibt den Nachtaktiven Schutz
und lässt die Tagaktiven schlafen.
Wenn immer alles hell erleuchtet ist,
sind etliche Tiere völlig verstört.
Wir Menschen sind gemeinhin tagaktiv
und dankbar für die Dunkelheit,
um nachts zur Ruhe zu kommen.
Was also ist davon zu halten, wenn
die Nacht wie der Tag leuchten soll?
Vielleicht geht es hier gar nicht um
Tageszeiten und die natürliche Abfolge
von Tag und Nacht, hell und dunkel.
Vielleicht bedeutet es, dass wir nicht
resignieren, uns nicht ins Dunkel wünschen
sollen, wenn es uns nicht gut geht,
sondern dass wir darauf zählen dürfen,
dass wir auch in unseren dunklen Stunden
begleitet sind von einer lichten Lebenskraft.

Von Heidi Berner