Monat: Dezember 2024

21. Dezember

Mein Leib und Seele freuen sich an dem lebendigen
Gott.
Psalm 84.3

In ein paar Tagen feiern wir Weihnachten. Ich liebe diese Tage,
liebe das fröhliche und auch besinnliche Zusammensein
mit Menschen, liebe die Gemeinschaft, die sich freut, dass
Jesus zur Welt gekommen ist. Der lebendige Gott kommt
zu uns, den Menschen. Und lebt unter den Menschen. Es
ist die Lebendigkeit, die mich freudig stimmt. Der lebendige
Gott kommt zu uns, ist mit uns auf unserem Lebensweg.
Das zu Ende gehende Jahr war für mich auch geprägt von
Ungerechtigkeit, Krieg, Hoffnungslosigkeit, Verzweiflung. Ist
Gott auch da anwesend, wo Menschen so leiden? Ich denke
schon, weil es eben ein lebendiger Gott ist.
An dieser Stelle kommt mir die Übersetzung der heutigen
Losung in der Zürcher Bibel in den Sinn. Da heisst es, dass die
Menschen den lebendigen Gott suchen. Dieses Suchen, das
freudige Suchen, das verzweifelte Suchen, das ohnmächtige
Suchen, all dies gehört zum Leben, zu meinem Leben, zu
unserem Leben, zum Leben der Menschen. Und so kann ich
zum lebendigen Gott beten, dass die Kriege aufhören, dass
die weihnachtliche Friedensbotschaft gehört und gelebt
wird, dass eine bessere Zeit anbricht für die Menschen, die
unter Krieg und Ungerechtigkeit leiden.

Gott des Lebens, komm zu den Menschen, die dich brauchen;
segne und behüte sie und uns alle.

Von: Madeleine Strub-Jaccoud

20. Dezember

Der Engel sprach zu Josef: Maria wird einen Sohn
gebären, dem sollst du den Namen Jesus geben, denn
er wird sein Volk retten von ihren Sünden.
Matthäus 1,21

Genau, wieder ein Josef! Und natürlich hiess sein Vater Jakob.
Namen sind wichtig. Allerdings hat der neutestamentliche
Josef anders als der alttestamentliche Namensvetter nur
einen kurzen Auftritt in der Bibel. Im weihnächtlichen Drama
kommt ihm die Rolle des Mannes zu, der nicht eifersüchtig
wird. Er steht zu Maria und – was wir vielleicht überlesen –
er hatte die Aufgabe, dem Kind den Namen eines Retters zu
geben. Er tut, was ihm gesagt wird, und verschwindet (im
Unterschied zu seiner jungen Frau) danach fast komplett aus
der Geschichte. Maria aber machte eine steile Karriere. Sie
wurde (nach anfänglichen Zweifeln) zur Nachfolgerin ihres
Sohnes und später als Gottesgebärerin und von einigen gar
als beinah-göttliche Gestalt verehrt. Josef war ein Träumer.
Aber das, was mit seiner Familie geschehen sollte, hätte Josef
sich in seinen kühnsten Träumen nicht vorstellen können.
Wäre er auch ein Anhänger geworden? Josef starb zu früh
und bekam vom Wirken Jesu nichts mit. Vermutlich war
aber Jesus schon zu seinen Lebzeiten seltsam. Ob sich Josef
damals fragte, was mit seinem Ältesten los war? Sah er mit
Sorge, wie die jüngeren Geschwister auf den Bruder reagierten?
Schliesslich hatte er ihm den Namen gegeben.

Von: Ralph Kunz

19. Dezember

Jakob sprach zu Josef: Geh hin und sieh, ob’s gut steht
um deine Brüder und um das Vieh.
1. Mose 37,14

Der Erzvater Jakob hatte zwölf Söhne und Josef war sein Liebling.
Denn er war einer, der ihm in späten Jahren geschenkt
wurde und den er verwöhnte, was aber Josef nicht beliebt
machte bei seinen Brüdern. Es braucht keinen Familientherapeuten,
um das Eifersuchtsdrama kommen zu sehen.
Wie soll das gut gehen, wenn einer aus zwölf so bevorzugt
wird? Und es kam nicht gut, als Josef seine Brüder in Sichem
traf. Sie warfen ihn in eine Zisterne, verkauften ihn an Sklavenhändler
und erzählten dem Vater, sein Liebling sei Opfer
des Löwen geworden. Schrecklich, was diese Brüder getan
haben! Aber der Therapeut, würden wir ihn dennoch beiziehen,
sähe sofort, dass die Saat schon gelegt war in der
komplizierten Vorgeschichte. Schon Vater Jakob löste ein
Eifersuchtsdrama aus, als er sich in Rahels schöne Augen
verliebte, aber sieben Jahre lang mit der Schwester Kinder
zeugte. Man könnte noch tiefer in der Familiengeschichte
stochern und stiesse auf das Brüderpaar, mit dem das Ganze
anfing – und auf einen anderen «Vater», der einen «Sohn»
bevorzugte. So heisst es in der Urgeschichte: «Und der Herr
blickte auf Abel und auf seine Opfergabe; aber auf Kain
und auf seine Opfergabe blickte er nicht.» (Genesis 4,2)
Tragisch, was dann kam – aber nicht das Ende! Das ist der
Trost der Josefsgeschichte. Sie nimmt ein gutes Ende, obwohl
die Brüder Böses im Sinn hatten.

Von: Ralph Kunz

18. Dezember

Der HERR sprach: Fürchte dich nicht, Abram!
Ich bin dein Schild und dein sehr grosser Lohn.
Mose 15,1

«Fürchte dich nicht!» Abram ist der Erste, dem mit diesem
Wort Mut zugesprochen wird. Es zieht sich durch die ganze
Bibel bis Offenbarung 2,10: «Fürchte dich nicht vor dem, was
dir an Leiden bevorsteht!» 365-mal stehe der kleine Satz in
der Bibel, liest man da und dort. Die Behauptung hält der
Überprüfung mithilfe einer Konkordanz nicht stand. Was
nicht heisst, dass ich diesen tröstlichen Zuspruch nicht an
jedem Tag im Jahr vertrauensvoll in Anspruch nehmen darf.
Das ist gut so, denn es fehlt nicht an Ereignissen und Situationen,
die uns das Fürchten lehren.
Gottes Wort ist schöpferisch: «Gott sprach … und es
geschah», so beginnt die Schöpfungsgeschichte. Wenn er
spricht, es werde Licht, wird es hell, und wenn er spricht
«Fürchte dich nicht!», muss die Angst weichen. So ist der
Zuspruch «Fürchte dich nicht!» keine Vertröstung, sondern
neue Wirklichkeit. Wenn ich ihn denn zulassen und für wahr
nehmen kann.
Nimm ihn beim Wort, probier aus, ob es hilft? Ob er hilft?
Nicht ein für alle Mal. Nicht immer sofort. Aber immer
wieder neu, wenn nötig täglich.
Übrigens, auch Singen hilft! Zum Beispiel das Taizé-Lied:
«Meine Hoffnung und meine Freude, meine Stärke, mein
Licht, Christus, meine Zuversicht, auf dich vertrau ich und
fürcht mich nicht.» (RGB 704)

Von: Dorothee Degen-Zimmermann

17. Dezember

Recht muss doch Recht bleiben, und ihm
werden alle frommen Herzen zufallen.
Psalm 94,15

Auf den ersten Satz fällt – noch vor dem theologischen –
mein juristischer Blick. In dieser Übersetzung ist mir die
Aussage zu banal. Gemeint muss sein, dass Recht nicht zu
Unrecht werden darf oder umgekehrt, wie es die Zürcher
Bibel treffend ausdrückt: «Zur Gerechtigkeit wird zurückkehren
das Recht …»

Dieser aktive Ansatz gefällt mir. Recht hat Gerechtigkeit
herzustellen. Und wie geschieht das? Auch hier verfolgt die
Zürcher Bibel den aktiven Ansatz. Recht fällt nicht einfach
zu, sondern «Alle werden ihm folgen, die aufrichtigen Herzens
sind»
. Um Gerechtigkeit herzustellen braucht es also zwei
Dinge: Menschen, die das Recht befolgen und sich engagieren,
die das Unrecht bekämpfen, sowie aufrichtige Herzen, also
eine menschenfreundliche, einfühlsame Gesinnung. Für die
Gerechtigkeit muss man sich einsetzen. Frömmigkeit in Ehren,
aber es braucht Menschen, die sich exponieren und auch
bereit sind, Kritik einzustecken und Widerstände zu überwinden.
Was bezeugt das besser als das Wirken Jesu, von dem die
Evangelien erzählen? Es fing damit an, die damals Rechtlosen
überhaupt als Menschen wahrzunehmen, ihnen zu begegnen
und sie zu versorgen; den von Räubern Verletzten zum Gasthof
zu bringen und dem Wirt gar Kostgeld zu geben.
Wo und wie können wir uns für Recht und Gerechtigkeit
einsetzen? Wer sind die Bösen und die Übeltäter? (Vers 16)

Von: Bernhard Egg

16. Dezember

Sei mir ein starker Hort, dahin ich immer fliehen kann,
der du zugesagt hast, mir zu helfen.
Psalm 71,3

Da sehnt sich jemand nach Sicherheit und Geborgenheit bei
Gott, und Gott bietet uns Freundschaft an. Auch wenn wir
durch schwere Zeiten gehen, er geht mit uns. Er ist für uns
da, wie ein guter Freund, eine gute Freundin.
Es ist gut, eine Freundin oder einen Freund zu haben. Da
weiss ich: Die kennt mich, der mag mich. Bei einer Freundin,
einem Freund kann ich mich auch einmal ausweinen. In
einer Freundschaft kann man ehrlich sein; man muss nicht
so tun als ob. Man kann so sein, wie man ist, auch mal ärgerlich,
oder traurig, oder einfach nur müde. Eine Freundin/ein
Freund hört zu, ist einfach da. Manchmal kommt da auch
Zuspruch zurück.
Gott bietet uns Freundschaft an. Wenn wir Freundschaft
mit Gott leben wollen, dann brauchen wir Zeit dafür und
einen Ort, wo wir mit Gott reden können, wo wir uns aussprechen
können, um Rat bitten; wo wir geschützt sind und
unser Herz öffnen können.
Wir brauchen eine feste Verabredung mit Gott, sonst verlieren
wir ihn aus den Augen. Der Gottesdienst am Sonntag
ist so eine Verabredung mit Gott: Wir nehmen uns Zeit
für Gott. Wir kommen zusammen. Wir singen gemeinsam
Lieder, beten, hören Gottes Wort und erleben etwas von
der Güte Gottes. Wenn wir uns Zeit nehmen für Gott, dann
ist Gott da, auch ausserhalb von Kirchenmauern. Wo ist Ihr
Treffpunkt mit Gott heute?

Von: Carsten Marx

15. Dezember

Verlasst euch nicht auf Lügenworte, wenn sie sagen:
Hier ist des HERRN Tempel, hier ist des HERRN Tempel,
hier ist des HERRN Tempel! Sondern bessert euer Leben
und euer Tun.
Jeremia 7,4–5

In harten, klaren Worten klagt der Prophet Jeremia im Namen
Gottes das Volk an. Die heutige Losung stammt aus einer
Gerichtsrede, sie wird vorgetragen im Tor, am Eingang des
Tempels von Jerusalem. Die Gerichtsrede richtet sich gegen
die Taten der Menschen, sie richtet sich aber auch gegen
den Jerusalemer Tempel, also gegen das religiöse Zentrum
und die herrschende Religiosität der Menschen. Mit solchen
Reden ist Jeremia in viele Fettnäpfchen getreten. Er hat sich
damit keine Freunde gemacht. Sein Schicksal endet auch
tragisch. Er wird in den Kerker gesperrt und später nach
Ägypten verschleppt. Dann verlieren sich die Spuren.
Was will uns Jeremia sagen? Er will uns sagen: Gott liebt
Kritik. Man kann Gott ruhig die Meinung sagen.
Liebe Menschen, tut das immer wieder offen und ehrlich,
auch im Gebet. Gott kann mit Kritik umgehen. Gott liebt
ebenso das Recht. Das Recht dient dem Schutz der Schwachen
und den Menschen, die sich nicht selbst helfen können.
Und Gott liebt Erbarmen. Auch Jesus hat immer wieder
vom Erbarmen und von der Barmherzigkeit gepredigt. Ohne
Erbarmen, Barmherzigkeit und Nächstenliebe wären wir in
unserer Gesellschaft verloren. Wir haben klare Aufträge
erhalten!

Von: Carsten Marx

14. Dezember

Warum hast du denn das Wort des HERRN verachtet,
dass du getan hast, was ihm missfiel?
2. Samuel 12,9

Die Vorgeschichte zum Vers ist eine Ungeheuerlichkeit. Sie
handelt von sexueller Gewalt und ihrer Vertuschung durch
einen Mord am Ehemann der Vergewaltigten. Eindeutig wird
Jahwes Gebot mit den Mitteln der Willkür übertreten. Daher
schickt Gott Nathan, seinen Sprecher. Der macht es spannend.
Er verurteilt David nicht; mit einer Geschichte von
der Habgier des Reichen, der mit niemandem teilen will
und deshalb das einzige Lamm des Armen schlachtet, als er
einen Gast bewirten muss, spricht er stattdessen über Arm
und Reich. Er spiegelt somit Davids Verhalten im Licht von
Macht! Nathan erzählt von einem, der seinen Willen zum
Gesetz macht, weil er weiss, dass er stärker ist als sein Gegenüber.
Macht siegt über Ohnmacht. Eine im Alltag keine so
ungewöhnliche Erfahrung. Beim Autofahren, beim Mobbing
in Betrieben, im Machtkampf politischer Parteien wird die
Würde der Schwachen missachtet, werden die Regeln zu
deren Schutz verletzt.
Es gilt zu beweisen, dass man stärker ist als sein Gegenüber.
David bekennt auf die obige Frage seine Schuld. «Ich habe
gegen den Ewigen gesündigt!» Eigenes Fehlverhalten einzugestehen,
keine Ausreden, keinen Sündenbock zu suchen,
gehört zum Schwersten in unserem Leben. Aber nur in
solchem Eingeständnis liegt die Chance, dass ich von dem,
was ich getan habe, freikomme und neu beginnen kann
unter der Gnade Gottes.

Von: Gert Rüppell

13. Dezember

Mose verhüllte sein Angesicht; denn er fürchtete sich,
Gott anzuschauen.
2. Mose 3,6

Das kenne ich aus meiner Jugend, vielleicht die eine oder
der andere von euch auch. Ich hatte etwas Strafwürdiges
getan und so stand ich mit gesenktem Blick vor der Lehrerin.
Wie Mose fürchtete ich mich, sie anzuschauen. Hat also
Mose Angst vor Strafe? Die Geschichte vom brennenden
Dornbusch, jener Erstbegegnung von Mose und Jahwe, lässt
dies eher nicht vermuten. Mir scheint, dass der Verweis auf
die lange Geschichte Gottes mit den Vorfahren Moses und
seines Volkes ihn verschüchtert. Er erschrickt angesichts der
historischen Unermesslichkeit des göttlichen Schutzes, den
sein Volk erfahren hat und nun, in der Ansage, dass Gott
für die Unterdrückten ein Befreier sein will, einschneidend
neu erfährt. Die Losung verweist auf den entscheidenden
Punkt im Leben aller, die sich diesem Gott ausliefern. Es ist
der Punkt, wo wir im Zutrauen auf Gott Befreiung erfahren.
Aus Begegnung lernen, wie Menschen befreit werden.
Ähnlich wie Mose können wir zu Übermittlern Gottes
befreiender Absicht werden. Dabei lag, das zeigt der Text,
auf dem Weg der Befreiten, ihrem Auszug, die Begegnung
mit anderen Völkern. Der Umgang mit ihnen ist entscheidend.
Moses gesenkter Blick zeigt uns, dass wir nicht auf
Augenhöhe mit Gott sind, sondern dass seine Führung
für gelungene Geschichte nötig ist. Wir sind Hörende und
dann Handelnde. Ein solches Bewusstsein wird zeigen, ob wir
einen Auszug schaffen, der auch anderen zur Befreiung wird.

Von: Gert Rüppell

12. Dezember

Gott erhöht die Niedrigen und hilft den Betrübten
empor.
Hiob 5,11

Gestern hatten wir es zu tun mit Hiobs Protest gegen den
naiven Zusammenhang von Handeln und Ergehen. Heute
ruft uns der fromme Dulder Grundmuster biblischer Erzählungen
in Erinnerung: Joseph, von seinen Brüdern gemobbt,
der in höchste Funktionen am Hof des Pharao aufsteigt; der
Hirtenbub und spätere König David; das Mädchen Maria,
das zur Mutter des Messias auserlesen wird. In Marias Lobgesang,
dem Magnificat, singen Christinnen und Christen
immer wieder – in den Klöstern gar täglich – das Bekenntnis
zu dem Gott, der die Gesellschaftsordnung auf den Kopf
oder vielleicht eben vom Kopf auf die Füsse stellt.
Betrübnis hat Gründe. Es können schwierige persönliche
Verhältnisse sein, es kann Armut, Verfolgung, Missachtung
sein. Dass Gott daraus emporhilft, mag als billiger Trost
erscheinen. Mit einem mirakulösen Eingreifen aus dem Himmel
rechnet in unserer säkularen Welt ja wohl kaum jemand.
So ist es sinnvoller, diese Losung auch als Aufruf zu lesen, als
Aufruf, die Gründe für die Betrübnis in Gottes Auftrag und
im Vertrauen auf seinen heilsamen Willen zu beseitigen oder
doch zu lindern, im seelsorglichen, im diakonischen und – ja,
gerade auch das – im politischen Handeln.

Von: Andreas Marti