So ist nun die Liebe des Gesetzes Erfüllung. Römer 13,10

Ich bin sehr dankbar, in einer Demokratie zu leben, deren Wahrzeichen die Unabhängigkeit der Rechtsprechung von der exekutiven Gewalt, von der «Obrigkeit», ist. Bei Paulus steht im 13. Kapitel des Römerbriefs vor diesem Vers 10 ein langer Absatz über den notwendigen Gehorsam gegenüber der Obrigkeit.
Paulus ging davon aus, dass die Regierung von Gott eingesetzt und daher gut ist. Diesen Glauben haben wir verloren; die Regierung wird von uns, dem vom «Volk» gewählten Parlament, eingesetzt. Nicht mehr ein Gottesgnadentum, sondern das unabhängige Recht ist der Garant einer lebensfreundlichen Ordnung.
Für Paulus ist dieser Garant die Liebe, die Liebe zum Mitmenschen, die Achtsamkeit, Gerechtigkeit, Hilfsbereitschaft ihm und ihr gegenüber. Die Liebe ist für ihn unsere
menschliche Antwort auf die Gnade Gottes, die uns aus der Schuld befreit. Das ist sein Ideal einer menschlichen Gemeinschaft, ein anderes Modell als unsere Rechtsstaatlichkeit, versucht aber wie diese alle Menschen einzubeziehen. Diese Liebe bezieht sich nicht nur auf unsere Nächsten, auf unsere Gruppe, Familie, Ethnie oder Parteifreunde zu der es eine selbstverständliche Bindung gibt – sie bezieht auch den «andern», den Gegner, gar den Feind ein. So begegnen sich Liebe und moderne Rechtsstaatlichkeit. Ich kann Paulus darin gut folgen!

von: Elisabeth Raiser