Gehorcht meiner Stimme, so will ich euer Gott sein,
und ihr sollt mein Volk sein.
Jeremia 7,23

Gehorsam passt nicht in den Wortschatz und Tugendkatalog,
den wir zur Bewältigung unserer krisendurchtränkten
Gegenwart brauchen. Wollen wir Kinder, die ihren Eltern
(welche mitgeholfen haben, die Welt an den Abgrund zu
steuern) gehorsam sind? Übrigens stelle ich mir manchmal
auch die umgekehrte Frage: Wollen wir wirklich Eltern sein,
die ihren Kindern kaum widersprechen und ihnen vorauseilend
Stein um Stein aus dem Weg räumen?
Im Grossen stehen uns die schrecklichen Konsequenzen
eines blinden, ausweglosen Gehorsams vor Augen –
längst nicht nur mit Blick auf mordende, vergewaltigende
und selber
tragisch ihr Leben opfernde russische Soldaten.
«Jeden Tag», sagt Dorothee Sölle über Jesus, «habe ich
Angst, dass er umsonst gestorben ist, weil er in unseren
Kirchen
verscharrt ist, weil wir seine Revolution verraten
haben in Gehorsam und Angst vor den Behörden.»
Gottes Stimme zu gehorchen, verstehe ich nicht als eine
der Formen von Gehorsam gegenüber Autoritäten. Sondern
als das pure Gegenteil. Als Ermutigung zum Ungehorsam,
wenn Friede, Gerechtigkeit und die Schöpfung bedroht sind.
Als Bekräftigung des Regenbogen-Bündnisses für das Leben,
wenn die Würde von Menschen, von Kindern und Eltern,
von Tieren und aller Kreatur auf dem Spiel steht.

Von: Matthias Hui